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Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743.

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24 unschmackhafte Reden
Tempels vorkommen, alhier mit dem Küchen-
Messer
anatomiren. Solche sind:

1. Die deutsche Leyer rühren, p. 3. heißt
ihm so viel, als ein berühmter deutscher Poe-
te
seyn. Poßirlich genung gegeben!
2. Der Dichter entführt sein Feuer dem
Himmel.
Mein! was ist das geredt? Die
Poeten sollen nun gar Diebe seyn, die dem
Himmel das Feuer entwenden, das doch so
sehr hoch in den Blitzen versteckt ist, daß der
ohnmächtige Poete aus seinem Geschmacks-
Tempel
nicht dahin steigen kan.
3. Der Dichter entführt sein Feuer dem
Himmel, wie Prometheus.
Jst ein durch-
aus falscher Gedanke. Denn versteht ers vom
poetischen Feuer; so ist Prometheus nie als
ein Poete, der Feuer gehabt, beschrieben;
dasjenige Feuer aber, welches Prometheus
entwandt
zu haben von den alten Poeten er-
dichtet worden, schickt sich schlecht zu dem
poetischen Feuer; denn dis stiehlt man ja
nicht dem Himmel ab, wie Prometheus dem
Jupiter das Feuer soll gestohlen haben, son-
dern der Poete hat es schon in sich, und läßt
es ausbrechen; aber der Autor hat andre nach
sich
gerichtet. Er will lieber den gelehrten
Dieben
oder Plagiariis das Wort reden, als
sich selber schelten.
4. Dem Himmel das Feuer schlau, doch
fromm, entführen.
Der Verfasser hat
wol gedacht, was vor Witz in dieser Ver-
glei-

24 unſchmackhafte Reden
Tempels vorkommen, alhier mit dem Kuͤchen-
Meſſer
anatomiren. Solche ſind:

1. Die deutſche Leyer ruͤhren, p. 3. heißt
ihm ſo viel, als ein beruͤhmter deutſcher Poe-
te
ſeyn. Poßirlich genung gegeben!
2. Der Dichter entfuͤhrt ſein Feuer dem
Himmel.
Mein! was iſt das geredt? Die
Poeten ſollen nun gar Diebe ſeyn, die dem
Himmel das Feuer entwenden, das doch ſo
ſehr hoch in den Blitzen verſteckt iſt, daß der
ohnmaͤchtige Poete aus ſeinem Geſchmacks-
Tempel
nicht dahin ſteigen kan.
3. Der Dichter entfuͤhrt ſein Feuer dem
Himmel, wie Prometheus.
Jſt ein durch-
aus falſcher Gedanke. Denn verſteht ers vom
poetiſchen Feuer; ſo iſt Prometheus nie als
ein Poete, der Feuer gehabt, beſchrieben;
dasjenige Feuer aber, welches Prometheus
entwandt
zu haben von den alten Poeten er-
dichtet worden, ſchickt ſich ſchlecht zu dem
poetiſchen Feuer; denn dis ſtiehlt man ja
nicht dem Himmel ab, wie Prometheus dem
Jupiter das Feuer ſoll geſtohlen haben, ſon-
dern der Poete hat es ſchon in ſich, und laͤßt
es ausbrechen; aber der Autor hat andre nach
ſich
gerichtet. Er will lieber den gelehrten
Dieben
oder Plagiariis das Wort reden, als
ſich ſelber ſchelten.
4. Dem Himmel das Feuer ſchlau, doch
fromm, entfuͤhren.
Der Verfaſſer hat
wol gedacht, was vor Witz in dieſer Ver-
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[278/0286] 24 unſchmackhafte Reden Tempels vorkommen, alhier mit dem Kuͤchen- Meſſer anatomiren. Solche ſind: 1. Die deutſche Leyer ruͤhren, p. 3. heißt ihm ſo viel, als ein beruͤhmter deutſcher Poe- te ſeyn. Poßirlich genung gegeben! 2. Der Dichter entfuͤhrt ſein Feuer dem Himmel. Mein! was iſt das geredt? Die Poeten ſollen nun gar Diebe ſeyn, die dem Himmel das Feuer entwenden, das doch ſo ſehr hoch in den Blitzen verſteckt iſt, daß der ohnmaͤchtige Poete aus ſeinem Geſchmacks- Tempel nicht dahin ſteigen kan. 3. Der Dichter entfuͤhrt ſein Feuer dem Himmel, wie Prometheus. Jſt ein durch- aus falſcher Gedanke. Denn verſteht ers vom poetiſchen Feuer; ſo iſt Prometheus nie als ein Poete, der Feuer gehabt, beſchrieben; dasjenige Feuer aber, welches Prometheus entwandt zu haben von den alten Poeten er- dichtet worden, ſchickt ſich ſchlecht zu dem poetiſchen Feuer; denn dis ſtiehlt man ja nicht dem Himmel ab, wie Prometheus dem Jupiter das Feuer ſoll geſtohlen haben, ſon- dern der Poete hat es ſchon in ſich, und laͤßt es ausbrechen; aber der Autor hat andre nach ſich gerichtet. Er will lieber den gelehrten Dieben oder Plagiariis das Wort reden, als ſich ſelber ſchelten. 4. Dem Himmel das Feuer ſchlau, doch fromm, entfuͤhren. Der Verfaſſer hat wol gedacht, was vor Witz in dieſer Ver- glei-

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Zitationshilfe: Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743, S. 278. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/philippi_reimschmiedekunst_1743/286>, abgerufen am 24.11.2024.