Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743.

Bild:
<< vorherige Seite
Zwey hundert Maximen
die in Gott höchst gerecht, bey dem Teufel ein
Wahnwitz sind. Gott denkt von sich selber:
Jch bin der Weiseste, Mächtigste, Souverain-
ste, Jndependenteste, und der Unaufhörliche.
Dis denket der Satan von sich auch. Also
siehet Gott in ihm den Abdruck seiner Gedan-
ken, welches Gott als ein Lust-Spiel vorkömmt.
Gott stellet zugleich an dem Satan allen ver-
nünftigen Geschöpfen ein lebendig Bild vor, daß
ein Geschöpf mit aller seiner Kraft gegen Gott
ohnmächtig sey. Gott wird ihn auch nicht ei-
gentlich strafen, sondern nur zeigen, wie tief er
ihn erniedrigen könne. Jch erstaune über die-
sem göttlichen Lust- und Schatten-Spiele!
CXLVIII. Wenn man vorstehende Grund-
Sätze tief zu Herzen nimmt, bekömmt man ei-
nen deutlichen Begriff von Wahrheit und Jrr-
thum, Tugend und Laster, Gutem und Bösen.
Alles, was Gott saget, gebietet und wirket, ist
in sich gut. Alles, was die abtrünnigen Ge-
schöpfe thun, ist unrichtig, mangelhaft, verwerf-
lich. Handlen gleich alle untere abtrünnige
Geister
nach den Gesetzen der Bewegung, die
ihnen der öberste abtrünnige Geist eingepflanzet:
So setzet doch Gott sein angenehmes Schatten-
Spiel
fort, daß er dem Satan manchen ent-
reisset, die andern auf eine andere Oeconomie
aufhebet. Der öberste abtrünnige Geist aber
handelt nach den Gesetzen der göttlichen Enan-
tiometrie,
oder des Gegen-Satzes, gleich als
spräche Gott: Versuche alle dein Heil, ich gebe
dir
Zwey hundert Maximen
die in Gott hoͤchſt gerecht, bey dem Teufel ein
Wahnwitz ſind. Gott denkt von ſich ſelber:
Jch bin der Weiſeſte, Maͤchtigſte, Souverain-
ſte, Jndependenteſte, und der Unaufhoͤrliche.
Dis denket der Satan von ſich auch. Alſo
ſiehet Gott in ihm den Abdruck ſeiner Gedan-
ken, welches Gott als ein Luſt-Spiel vorkoͤmmt.
Gott ſtellet zugleich an dem Satan allen ver-
nuͤnftigen Geſchoͤpfen ein lebendig Bild vor, daß
ein Geſchoͤpf mit aller ſeiner Kraft gegen Gott
ohnmaͤchtig ſey. Gott wird ihn auch nicht ei-
gentlich ſtrafen, ſondern nur zeigen, wie tief er
ihn erniedrigen koͤnne. Jch erſtaune uͤber die-
ſem goͤttlichen Luſt- und Schatten-Spiele!
CXLVIII. Wenn man vorſtehende Grund-
Saͤtze tief zu Herzen nimmt, bekoͤmmt man ei-
nen deutlichen Begriff von Wahrheit und Jrr-
thum, Tugend und Laſter, Gutem und Boͤſen.
Alles, was Gott ſaget, gebietet und wirket, iſt
in ſich gut. Alles, was die abtruͤnnigen Ge-
ſchoͤpfe thun, iſt unrichtig, mangelhaft, verwerf-
lich. Handlen gleich alle untere abtruͤnnige
Geiſter
nach den Geſetzen der Bewegung, die
ihnen der oͤberſte abtruͤnnige Geiſt eingepflanzet:
So ſetzet doch Gott ſein angenehmes Schatten-
Spiel
fort, daß er dem Satan manchen ent-
reiſſet, die andern auf eine andere Oeconomie
aufhebet. Der oͤberſte abtruͤnnige Geiſt aber
handelt nach den Geſetzen der goͤttlichen Enan-
tiometrie,
oder des Gegen-Satzes, gleich als
ſpraͤche Gott: Verſuche alle dein Heil, ich gebe
dir
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <list>
              <item><pb facs="#f0238" n="230"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Zwey hundert Maximen</hi></fw><lb/>
die in Gott ho&#x0364;ch&#x017F;t gerecht, bey dem Teufel ein<lb/>
Wahnwitz &#x017F;ind. Gott denkt von &#x017F;ich &#x017F;elber:<lb/>
Jch bin der Wei&#x017F;e&#x017F;te, Ma&#x0364;chtig&#x017F;te, Souverain-<lb/>
&#x017F;te, Jndependente&#x017F;te, und der Unaufho&#x0364;rliche.<lb/>
Dis denket der Satan von &#x017F;ich auch. Al&#x017F;o<lb/>
&#x017F;iehet Gott in ihm den Abdruck &#x017F;einer Gedan-<lb/>
ken, welches Gott als ein <hi rendition="#fr">Lu&#x017F;t-Spiel</hi> vorko&#x0364;mmt.<lb/>
Gott &#x017F;tellet zugleich an dem Satan allen ver-<lb/>
nu&#x0364;nftigen Ge&#x017F;cho&#x0364;pfen ein lebendig Bild vor, daß<lb/>
ein Ge&#x017F;cho&#x0364;pf mit aller &#x017F;einer Kraft gegen Gott<lb/>
ohnma&#x0364;chtig &#x017F;ey. Gott wird ihn auch nicht ei-<lb/>
gentlich &#x017F;trafen, &#x017F;ondern nur zeigen, wie tief er<lb/>
ihn erniedrigen ko&#x0364;nne. Jch er&#x017F;taune u&#x0364;ber die-<lb/>
&#x017F;em go&#x0364;ttlichen <hi rendition="#fr">Lu&#x017F;t-</hi> und <hi rendition="#fr">Schatten-Spiele!</hi></item><lb/>
              <item><hi rendition="#aq">CXLVIII.</hi> Wenn man vor&#x017F;tehende Grund-<lb/>
Sa&#x0364;tze tief zu Herzen nimmt, beko&#x0364;mmt man ei-<lb/>
nen deutlichen Begriff von Wahrheit und Jrr-<lb/>
thum, Tugend und La&#x017F;ter, Gutem und Bo&#x0364;&#x017F;en.<lb/>
Alles, was Gott &#x017F;aget, gebietet und wirket, i&#x017F;t<lb/><hi rendition="#fr">in &#x017F;ich gut.</hi> Alles, was die abtru&#x0364;nnigen Ge-<lb/>
&#x017F;cho&#x0364;pfe thun, i&#x017F;t unrichtig, mangelhaft, verwerf-<lb/>
lich. Handlen gleich alle <hi rendition="#fr">untere abtru&#x0364;nnige<lb/>
Gei&#x017F;ter</hi> nach den <hi rendition="#fr">Ge&#x017F;etzen der Bewegung,</hi> die<lb/>
ihnen der <hi rendition="#fr">o&#x0364;ber&#x017F;te</hi> abtru&#x0364;nnige Gei&#x017F;t eingepflanzet:<lb/>
So &#x017F;etzet doch Gott &#x017F;ein angenehmes <hi rendition="#fr">Schatten-<lb/>
Spiel</hi> fort, daß er dem Satan manchen ent-<lb/>
rei&#x017F;&#x017F;et, die andern auf eine <hi rendition="#fr">andere Oeconomie</hi><lb/>
aufhebet. Der o&#x0364;ber&#x017F;te abtru&#x0364;nnige Gei&#x017F;t aber<lb/>
handelt nach den Ge&#x017F;etzen der <hi rendition="#fr">go&#x0364;ttlichen</hi> <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Enan-<lb/>
tiometrie,</hi></hi> oder des <hi rendition="#fr">Gegen-Satzes,</hi> gleich als<lb/>
&#x017F;pra&#x0364;che Gott: Ver&#x017F;uche alle dein Heil, ich gebe<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">dir</fw><lb/></item>
            </list>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[230/0238] Zwey hundert Maximen die in Gott hoͤchſt gerecht, bey dem Teufel ein Wahnwitz ſind. Gott denkt von ſich ſelber: Jch bin der Weiſeſte, Maͤchtigſte, Souverain- ſte, Jndependenteſte, und der Unaufhoͤrliche. Dis denket der Satan von ſich auch. Alſo ſiehet Gott in ihm den Abdruck ſeiner Gedan- ken, welches Gott als ein Luſt-Spiel vorkoͤmmt. Gott ſtellet zugleich an dem Satan allen ver- nuͤnftigen Geſchoͤpfen ein lebendig Bild vor, daß ein Geſchoͤpf mit aller ſeiner Kraft gegen Gott ohnmaͤchtig ſey. Gott wird ihn auch nicht ei- gentlich ſtrafen, ſondern nur zeigen, wie tief er ihn erniedrigen koͤnne. Jch erſtaune uͤber die- ſem goͤttlichen Luſt- und Schatten-Spiele! CXLVIII. Wenn man vorſtehende Grund- Saͤtze tief zu Herzen nimmt, bekoͤmmt man ei- nen deutlichen Begriff von Wahrheit und Jrr- thum, Tugend und Laſter, Gutem und Boͤſen. Alles, was Gott ſaget, gebietet und wirket, iſt in ſich gut. Alles, was die abtruͤnnigen Ge- ſchoͤpfe thun, iſt unrichtig, mangelhaft, verwerf- lich. Handlen gleich alle untere abtruͤnnige Geiſter nach den Geſetzen der Bewegung, die ihnen der oͤberſte abtruͤnnige Geiſt eingepflanzet: So ſetzet doch Gott ſein angenehmes Schatten- Spiel fort, daß er dem Satan manchen ent- reiſſet, die andern auf eine andere Oeconomie aufhebet. Der oͤberſte abtruͤnnige Geiſt aber handelt nach den Geſetzen der goͤttlichen Enan- tiometrie, oder des Gegen-Satzes, gleich als ſpraͤche Gott: Verſuche alle dein Heil, ich gebe dir

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/philippi_reimschmiedekunst_1743
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/philippi_reimschmiedekunst_1743/238
Zitationshilfe: Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743, S. 230. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/philippi_reimschmiedekunst_1743/238>, abgerufen am 25.11.2024.