Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743.vom gesunden Witze, etc. beyden einen bessern oder verdorbenern Geschmackhabe; sondern man muß auch hier sagen: Je- des Ding nach seiner Art. XIII. Ein durchdringender Verstand, der durch schnelle Einsicht das Verdeckte in den Ge- danken leicht aufdecken kann, wird an tiefsinni- gen bon-mots einen Geschmack finden, da hin- gegen einer, der lange erst nachdenken muß, bis er den rechten Sinn erräth, leicht einen Ekel daran bekommen wird. XIV. Wo also die Natur selbst die Gaben des Verstandes verschiedentlich ausgetheilt hat, muß kein Vernünftiger einen andern in dem ta- deln, was seinem natürlichen gusto gemäß, des andern Naturell aber entgegen ist; vielmehr kön- nen beyde in ihrer Art einen guten Geschmack haben. XV. Wenn hingegen auf der einen Seite eine wirkliche Schwäche des Verstandes ist: So muß der Schwachköpfige und im Denken Langsame den nicht tadeln, der mit seinem schnel- len Witze in die Tiefe eines Gedanken flugs dringet, die dem andern verborgen bleibt. Der Scharfsinnige hingegen muß auch den, der we- niger Witz und Geschmack hat, nicht verachten. Denn beydes sind Talente der weisen und frey ausspendenden Natur. XVI. Wenn aber des einen Geschmack aus einem Jrrthume oder Laster herrühret, ist er nothwendig verdorben, und also tadelnswerth. Also wenn ein keusches Gemüth keinen Ge- schmack
vom geſunden Witze, ꝛc. beyden einen beſſern oder verdorbenern Geſchmackhabe; ſondern man muß auch hier ſagen: Je- des Ding nach ſeiner Art. XIII. Ein durchdringender Verſtand, der durch ſchnelle Einſicht das Verdeckte in den Ge- danken leicht aufdecken kann, wird an tiefſinni- gen bon-mots einen Geſchmack finden, da hin- gegen einer, der lange erſt nachdenken muß, bis er den rechten Sinn erraͤth, leicht einen Ekel daran bekommen wird. XIV. Wo alſo die Natur ſelbſt die Gaben des Verſtandes verſchiedentlich ausgetheilt hat, muß kein Vernuͤnftiger einen andern in dem ta- deln, was ſeinem natuͤrlichen guſto gemaͤß, des andern Naturell aber entgegen iſt; vielmehr koͤn- nen beyde in ihrer Art einen guten Geſchmack haben. XV. Wenn hingegen auf der einen Seite eine wirkliche Schwaͤche des Verſtandes iſt: So muß der Schwachkoͤpfige und im Denken Langſame den nicht tadeln, der mit ſeinem ſchnel- len Witze in die Tiefe eines Gedanken flugs dringet, die dem andern verborgen bleibt. Der Scharfſinnige hingegen muß auch den, der we- niger Witz und Geſchmack hat, nicht verachten. Denn beydes ſind Talente der weiſen und frey ausſpendenden Natur. XVI. Wenn aber des einen Geſchmack aus einem Jrrthume oder Laſter herruͤhret, iſt er nothwendig verdorben, und alſo tadelnswerth. Alſo wenn ein keuſches Gemuͤth keinen Ge- ſchmack
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vom geſunden Witze, ꝛc.
beyden einen beſſern oder verdorbenern Geſchmack
habe; ſondern man muß auch hier ſagen: Je-
des Ding nach ſeiner Art.
XIII. Ein durchdringender Verſtand, der
durch ſchnelle Einſicht das Verdeckte in den Ge-
danken leicht aufdecken kann, wird an tiefſinni-
gen bon-mots einen Geſchmack finden, da hin-
gegen einer, der lange erſt nachdenken muß, bis
er den rechten Sinn erraͤth, leicht einen Ekel
daran bekommen wird.
XIV. Wo alſo die Natur ſelbſt die Gaben
des Verſtandes verſchiedentlich ausgetheilt hat,
muß kein Vernuͤnftiger einen andern in dem ta-
deln, was ſeinem natuͤrlichen guſto gemaͤß, des
andern Naturell aber entgegen iſt; vielmehr koͤn-
nen beyde in ihrer Art einen guten Geſchmack
haben.
XV. Wenn hingegen auf der einen Seite
eine wirkliche Schwaͤche des Verſtandes iſt:
So muß der Schwachkoͤpfige und im Denken
Langſame den nicht tadeln, der mit ſeinem ſchnel-
len Witze in die Tiefe eines Gedanken flugs
dringet, die dem andern verborgen bleibt. Der
Scharfſinnige hingegen muß auch den, der we-
niger Witz und Geſchmack hat, nicht verachten.
Denn beydes ſind Talente der weiſen und frey
ausſpendenden Natur.
XVI. Wenn aber des einen Geſchmack aus
einem Jrrthume oder Laſter herruͤhret, iſt er
nothwendig verdorben, und alſo tadelnswerth.
Alſo wenn ein keuſches Gemuͤth keinen Ge-
ſchmack
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