Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743.Widerlegung des Horaz werde mir des Horaz Buch wie einen Gewap-neten vorstellen, dem man mit einer einzigen Kugel vor den Kopf das Lebens-Licht ausbla- sen kann. Jch mache einen Syllogismum in forma Wären wir nun ein seruum pecus, wenn So
Widerlegung des Horaz werde mir des Horaz Buch wie einen Gewap-neten vorſtellen, dem man mit einer einzigen Kugel vor den Kopf das Lebens-Licht ausbla- ſen kann. Jch mache einen Syllogiſmum in forma Waͤren wir nun ein ſeruum pecus, wenn So
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Widerlegung des Horaz
werde mir des Horaz Buch wie einen Gewap-
neten vorſtellen, dem man mit einer einzigen
Kugel vor den Kopf das Lebens-Licht ausbla-
ſen kann.
Jch mache einen Syllogiſmum in forma
probante, welcher ein rechter Treffer auf den
Scheitel des Horaz waͤre, falls er noch lebte.
Jch ſchlieſſe alſo: Was der Horaz ſelber hoͤchſt
tadelt, das muß man, nach aller Horazianer
Ausſpruch, auch tadeln. Nun aber ſchreibet
er ſelbſt: O imitatorum ſeruum pecus; und
tadelt alſo die Nachahmer, ſo daß er ſie auch
mit ſclaviſchem Vieh vergleichet; folglich wuͤr-
de er uns neue Poeten, wo er noch lebte, fuͤr
ſclaviſche Beſtien halten, wenn wir ſeine Imi-
tatores ſeyn, mithin auch, wenn wir aus ſeinem
Buche de arte poëtica uns Regeln der Nach-
ahmung in der Dichterey ziehen wollen.
Waͤren wir nun ein ſeruum pecus, wenn
wir ſeine Imitatores wuͤrden: So ſoll er vor
uns wol Friede haben, daß wir nicht ſuchen wer-
den, ihn zu imitiren. Er mag ſeine poetiſche
Weisheit immer fuͤr ſich behalten. Was nuz-
zet aber ſein Buch de arte poëtica, wenn man
die Dicht-Kunſt nicht draus lernen ſoll? Zu
nichts; man muͤßte denn ihm nachahmen duͤr-
fen. Denn er hat nicht eines andern Dicht-
Kunſt beſchrieben, ſondern was ihm ſelbſt als
dichtermaͤßig vorgekommen. Setzet er nun
einen ſo ſtarken Trumpf darauf, daß er die imi-
tatores ſchlechtweg ein ſeruum pecus heiſſet:
So
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