Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743.Vorzug der kriechenden Poesie komme hier rückwärts, von der Beschreibungder Vortheile eines kriechenden Poeten vor einem erhabenen, nunmehro erst auf die Vortheile vor einem männlichen Dichter. Jch kann hier vom Größern aufs Kleinere schliessen. Hat der kriechende Poet und Reim-Schmied so gar ein vieles vor den erhabenen Poeten voraus, viel- mehr vor den männlichen, die dem Bathos um eine Stuffe schon näher sind, als jene. Aber in der Froschmäusler-Gesellschaft, wo das Frauenzimmer gleiches Recht des Beytritts hat, wird diese Distinction unter einer männli- chen und weiblichen Poesie ganz verworfen; zumal wir z. E. an der ehemaligen Erfurtischen großen Dichterinn, der Jungfer Zäuneman- nin, eine recht männliche Poetinn gehabt, als die sich manchmal in Manns-Kleider verkleidet, ein Rappier einem präsentiret, zu Pferde mit Sporen gesessen, und einen starken Fußgänger abgegeben, daß sie auch bey solcher Marsch- Route für etlichen Jahren das Unglück gehabt, zu ertrinken. Lebte sie noch, wir würden sie, in unsere Gesellschaft einzutreten, allen Fleisses einladen. Denn man hat ihren Gedichten nach- gesaget, an vielen Orten gucke ein masquirter Mann, er heisse nun Günther, oder Kunad, oder Ruhekopf, oder Langenau, oder Börner, oder Briontes der Jüngere, oder sonst wer hervor. Sie dichte an vielen Orten zärtlich; aber nicht männlich und gesetzt. Ein Frauen- zimmer möge auch so eine große Dichterinn seyn, als
Vorzug der kriechenden Poeſie komme hier ruͤckwaͤrts, von der Beſchreibungder Vortheile eines kriechenden Poeten vor einem erhabenen, nunmehro erſt auf die Vortheile vor einem maͤnnlichen Dichter. Jch kann hier vom Groͤßern aufs Kleinere ſchlieſſen. Hat der kriechende Poet und Reim-Schmied ſo gar ein vieles vor den erhabenen Poeten voraus, viel- mehr vor den maͤnnlichen, die dem Bathos um eine Stuffe ſchon naͤher ſind, als jene. Aber in der Froſchmaͤusler-Geſellſchaft, wo das Frauenzimmer gleiches Recht des Beytritts hat, wird dieſe Diſtinction unter einer maͤnnli- chen und weiblichen Poeſie ganz verworfen; zumal wir z. E. an der ehemaligen Erfurtiſchen großen Dichterinn, der Jungfer Zaͤuneman- nin, eine recht maͤnnliche Poetinn gehabt, als die ſich manchmal in Manns-Kleider verkleidet, ein Rappier einem praͤſentiret, zu Pferde mit Sporen geſeſſen, und einen ſtarken Fußgaͤnger abgegeben, daß ſie auch bey ſolcher Marſch- Route fuͤr etlichen Jahren das Ungluͤck gehabt, zu ertrinken. Lebte ſie noch, wir wuͤrden ſie, in unſere Geſellſchaft einzutreten, allen Fleiſſes einladen. Denn man hat ihren Gedichten nach- geſaget, an vielen Orten gucke ein masquirter Mann, er heiſſe nun Guͤnther, oder Kunad, oder Ruhekopf, oder Langenau, oder Boͤrner, oder Briontes der Juͤngere, oder ſonſt wer hervor. Sie dichte an vielen Orten zaͤrtlich; aber nicht maͤnnlich und geſetzt. Ein Frauen- zimmer moͤge auch ſo eine große Dichterinn ſeyn, als
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0160" n="152"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Vorzug der kriechenden Poeſie</hi></fw><lb/> komme hier <hi rendition="#fr">ruͤckwaͤrts,</hi> von der Beſchreibung<lb/> der Vortheile eines kriechenden Poeten vor einem<lb/><hi rendition="#fr">erhabenen,</hi> nunmehro erſt auf die Vortheile<lb/> vor einem <hi rendition="#fr">maͤnnlichen</hi> Dichter. Jch kann hier<lb/> vom Groͤßern aufs Kleinere ſchlieſſen. Hat der<lb/> kriechende Poet und Reim-Schmied ſo gar ein<lb/> vieles vor den <hi rendition="#fr">erhabenen</hi> Poeten voraus, viel-<lb/> mehr vor den <hi rendition="#fr">maͤnnlichen,</hi> die dem <hi rendition="#fr">Bathos</hi><lb/> um eine <hi rendition="#fr">Stuffe ſchon naͤher</hi> ſind, als jene.<lb/> Aber in der <hi rendition="#fr">Froſchmaͤusler-Geſellſchaft,</hi> wo<lb/> das <hi rendition="#fr">Frauenzimmer</hi> gleiches Recht des Beytritts<lb/> hat, wird dieſe Diſtinction unter einer <hi rendition="#fr">maͤnnli-<lb/> chen</hi> und <hi rendition="#fr">weiblichen Poeſie</hi> ganz verworfen;<lb/> zumal wir z. E. an der ehemaligen <hi rendition="#fr">Erfurtiſchen<lb/> großen Dichterinn,</hi> der <hi rendition="#fr">Jungfer Zaͤuneman-<lb/> nin,</hi> eine recht <hi rendition="#fr">maͤnnliche</hi> Poetinn gehabt, als<lb/> die ſich manchmal in <hi rendition="#fr">Manns-Kleider</hi> verkleidet,<lb/> ein <hi rendition="#fr">Rappier</hi> einem praͤſentiret, zu Pferde mit<lb/><hi rendition="#fr">Sporen</hi> geſeſſen, und einen <hi rendition="#fr">ſtarken Fußgaͤnger</hi><lb/> abgegeben, daß ſie auch bey ſolcher <hi rendition="#fr">Marſch-<lb/> Route</hi> fuͤr etlichen Jahren das Ungluͤck gehabt,<lb/> zu <hi rendition="#fr">ertrinken.</hi> Lebte ſie noch, wir wuͤrden ſie,<lb/> in unſere Geſellſchaft einzutreten, allen Fleiſſes<lb/> einladen. Denn man hat ihren Gedichten nach-<lb/> geſaget, an vielen Orten gucke ein <hi rendition="#fr">masquirter<lb/> Mann,</hi> er heiſſe nun <hi rendition="#fr">Guͤnther,</hi> oder <hi rendition="#fr">Kunad,</hi><lb/> oder <hi rendition="#fr">Ruhekopf,</hi> oder <hi rendition="#fr">Langenau,</hi> oder <hi rendition="#fr">Boͤrner,</hi><lb/> oder <hi rendition="#fr">Briontes der Juͤngere,</hi> oder <hi rendition="#fr">ſonſt wer</hi><lb/> hervor. Sie dichte an vielen Orten <hi rendition="#fr">zaͤrtlich;</hi><lb/> aber nicht <hi rendition="#fr">maͤnnlich</hi> und <hi rendition="#fr">geſetzt.</hi> Ein Frauen-<lb/> zimmer moͤge auch ſo eine große Dichterinn ſeyn,<lb/> <fw place="bottom" type="catch">als</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [152/0160]
Vorzug der kriechenden Poeſie
komme hier ruͤckwaͤrts, von der Beſchreibung
der Vortheile eines kriechenden Poeten vor einem
erhabenen, nunmehro erſt auf die Vortheile
vor einem maͤnnlichen Dichter. Jch kann hier
vom Groͤßern aufs Kleinere ſchlieſſen. Hat der
kriechende Poet und Reim-Schmied ſo gar ein
vieles vor den erhabenen Poeten voraus, viel-
mehr vor den maͤnnlichen, die dem Bathos
um eine Stuffe ſchon naͤher ſind, als jene.
Aber in der Froſchmaͤusler-Geſellſchaft, wo
das Frauenzimmer gleiches Recht des Beytritts
hat, wird dieſe Diſtinction unter einer maͤnnli-
chen und weiblichen Poeſie ganz verworfen;
zumal wir z. E. an der ehemaligen Erfurtiſchen
großen Dichterinn, der Jungfer Zaͤuneman-
nin, eine recht maͤnnliche Poetinn gehabt, als
die ſich manchmal in Manns-Kleider verkleidet,
ein Rappier einem praͤſentiret, zu Pferde mit
Sporen geſeſſen, und einen ſtarken Fußgaͤnger
abgegeben, daß ſie auch bey ſolcher Marſch-
Route fuͤr etlichen Jahren das Ungluͤck gehabt,
zu ertrinken. Lebte ſie noch, wir wuͤrden ſie,
in unſere Geſellſchaft einzutreten, allen Fleiſſes
einladen. Denn man hat ihren Gedichten nach-
geſaget, an vielen Orten gucke ein masquirter
Mann, er heiſſe nun Guͤnther, oder Kunad,
oder Ruhekopf, oder Langenau, oder Boͤrner,
oder Briontes der Juͤngere, oder ſonſt wer
hervor. Sie dichte an vielen Orten zaͤrtlich;
aber nicht maͤnnlich und geſetzt. Ein Frauen-
zimmer moͤge auch ſo eine große Dichterinn ſeyn,
als
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |