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Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743.

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vor der erhabenen Dichterey.
manchen Groschen, eher verdienen, als jener.

§ 19. Ein erhabener Poete wird sich schä-
men, für seine Gedichte Geld zu nehmen, oder
in den Verdacht der Betteley zu verfallen. Er
macht auch seine Poesie nicht so gemein, son-
dern hebt sie nur für große Kenner und Lieb-
haber auf. Ein Reim-Schmied aber macht es,
wie Hr. D. Knobloch in Zittau, und reimt
auf alles, was ihm in den Wurf kömmt. Hat
er nicht nöthig, ums Geld Verse zu machen:
So wird er, der Reim-Schmied, desto frey-
gebiger seyn, seinen poetischen Queersack aus-
zuleeren. Er stopft ihn aus anderer Gedichten
schon wieder voll, und wird des Reimens we-
der satt noch müde.
Er fragt auch, wo er ein
Bißgen ruhmsüchtig ist, nichts darnach, ob er
dem Patron oder Fürsten, auf den er Reime
schmiedet, gelegen komme, oder nicht? Denn
er reimt nicht des Patrons oder Fürstens wegen,
sondern sein selbst wegen, weil er mit der Reim-
sucht
besessen ist. Er verlacht die undankbare
Welt, die an der Menge seiner Gedichte, wo-
mit man die Elbe endlich bedecken könnte, einen
Ekel und Ueberdruß bekömmt. Er flattirt sich,
wenn seine itzige Patrone sagen: Der Herr hät-
te mit seiner Poesie zu Hause bleiben können;

es werde die Nachkommenschaft hierinn er-
kenntlicher seyn, und seiner Asche annoch den
Tribut der Hochachtung abtragen, den sie ihm
in seinem Leben verweigert. Wenigstens wird
mancher Ballen Makeltur für die Nachwelt

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vor der erhabenen Dichterey.
manchen Groſchen, eher verdienen, als jener.

§ 19. Ein erhabener Poete wird ſich ſchaͤ-
men, fuͤr ſeine Gedichte Geld zu nehmen, oder
in den Verdacht der Betteley zu verfallen. Er
macht auch ſeine Poeſie nicht ſo gemein, ſon-
dern hebt ſie nur fuͤr große Kenner und Lieb-
haber auf. Ein Reim-Schmied aber macht es,
wie Hr. D. Knobloch in Zittau, und reimt
auf alles, was ihm in den Wurf koͤmmt. Hat
er nicht noͤthig, ums Geld Verſe zu machen:
So wird er, der Reim-Schmied, deſto frey-
gebiger ſeyn, ſeinen poetiſchen Queerſack aus-
zuleeren. Er ſtopft ihn aus anderer Gedichten
ſchon wieder voll, und wird des Reimens we-
der ſatt noch muͤde.
Er fragt auch, wo er ein
Bißgen ruhmſuͤchtig iſt, nichts darnach, ob er
dem Patron oder Fuͤrſten, auf den er Reime
ſchmiedet, gelegen komme, oder nicht? Denn
er reimt nicht des Patrons oder Fuͤrſtens wegen,
ſondern ſein ſelbſt wegen, weil er mit der Reim-
ſucht
beſeſſen iſt. Er verlacht die undankbare
Welt, die an der Menge ſeiner Gedichte, wo-
mit man die Elbe endlich bedecken koͤnnte, einen
Ekel und Ueberdruß bekoͤmmt. Er flattirt ſich,
wenn ſeine itzige Patrone ſagen: Der Herr haͤt-
te mit ſeiner Poeſie zu Hauſe bleiben koͤnnen;

es werde die Nachkommenſchaft hierinn er-
kenntlicher ſeyn, und ſeiner Aſche annoch den
Tribut der Hochachtung abtragen, den ſie ihm
in ſeinem Leben verweigert. Wenigſtens wird
mancher Ballen Makeltur fuͤr die Nachwelt

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[145/0153] vor der erhabenen Dichterey. manchen Groſchen, eher verdienen, als jener. § 19. Ein erhabener Poete wird ſich ſchaͤ- men, fuͤr ſeine Gedichte Geld zu nehmen, oder in den Verdacht der Betteley zu verfallen. Er macht auch ſeine Poeſie nicht ſo gemein, ſon- dern hebt ſie nur fuͤr große Kenner und Lieb- haber auf. Ein Reim-Schmied aber macht es, wie Hr. D. Knobloch in Zittau, und reimt auf alles, was ihm in den Wurf koͤmmt. Hat er nicht noͤthig, ums Geld Verſe zu machen: So wird er, der Reim-Schmied, deſto frey- gebiger ſeyn, ſeinen poetiſchen Queerſack aus- zuleeren. Er ſtopft ihn aus anderer Gedichten ſchon wieder voll, und wird des Reimens we- der ſatt noch muͤde. Er fragt auch, wo er ein Bißgen ruhmſuͤchtig iſt, nichts darnach, ob er dem Patron oder Fuͤrſten, auf den er Reime ſchmiedet, gelegen komme, oder nicht? Denn er reimt nicht des Patrons oder Fuͤrſtens wegen, ſondern ſein ſelbſt wegen, weil er mit der Reim- ſucht beſeſſen iſt. Er verlacht die undankbare Welt, die an der Menge ſeiner Gedichte, wo- mit man die Elbe endlich bedecken koͤnnte, einen Ekel und Ueberdruß bekoͤmmt. Er flattirt ſich, wenn ſeine itzige Patrone ſagen: Der Herr haͤt- te mit ſeiner Poeſie zu Hauſe bleiben koͤnnen; es werde die Nachkommenſchaft hierinn er- kenntlicher ſeyn, und ſeiner Aſche annoch den Tribut der Hochachtung abtragen, den ſie ihm in ſeinem Leben verweigert. Wenigſtens wird mancher Ballen Makeltur fuͤr die Nachwelt auf- K

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Zitationshilfe: Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/philippi_reimschmiedekunst_1743/153>, abgerufen am 22.11.2024.