Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743.

Bild:
<< vorherige Seite

vor der erhabenen Dichterey.
Janitscharen-Aga gegen die Christen, anzu-
sehen. Verlange er aber seine Freyheit: So
müsse er sich entweder mit großen Kosten ran-
zioniren, oder aber wir behielten ihn in Ketten,
und entzögen also den erhabenen Poeten einen
wichtigen Officier zu Fuß, oder zu Roß. Jch
habe sie nun verwarnet! Sie nehmen sich inacht!

§ 11. Nachdem ich mich nun solchergestalt
gegen die listigen Anläufe der erhabenen Poeten,
als unsere stärksten und formidabelsten Wider-
sacher, verwahret habe, um desto sicherer unsere
unterirdische Bollwerke durch Miniren bedecken,
und die sich dran wagende in die Luft sprengen
zu können, weil sie ohnedem gern in der Höhe
seyn wollen, also nichts auf unserm Sprenkel zu
thun, noch, ohne unsere Bewilligung, das Recht
haben, in die Tiefe zu fahren, immaßen! wir,
seit den Zeiten des Hans Sachsens und Frosch-
mäuslers,
im Posseß sind, daß das Bathos
uns zustehe, und wir befugt sind, so tief unter
uns
zu graben, als die Bergleute in dem Schacht:
So hoffe, mit wenigem die Vorzüge unserer
Tiefen vor den Höhen der poetischen Highfliers,
oder Hochsteiger, zu zeigen. Alles hohe We-
sen und Erhebung der Gedanken und Sinne
des Herzens ist schon etwas, das der Religion
zu widerstreiten scheinet. Wie sehr sind nicht
aber die erhabenen Poeten größtentheils in sich
selbst verliebt, wenn sie mit ihren Gedanken so
hoch fahren
können. Sie setzen sich gleichsam
in ihnen selber auf den Gipfel eines erhabenen

Berges,
J 3

vor der erhabenen Dichterey.
Janitſcharen-Aga gegen die Chriſten, anzu-
ſehen. Verlange er aber ſeine Freyheit: So
muͤſſe er ſich entweder mit großen Koſten ran-
zioniren, oder aber wir behielten ihn in Ketten,
und entzoͤgen alſo den erhabenen Poeten einen
wichtigen Officier zu Fuß, oder zu Roß. Jch
habe ſie nun verwarnet! Sie nehmen ſich inacht!

§ 11. Nachdem ich mich nun ſolchergeſtalt
gegen die liſtigen Anlaͤufe der erhabenen Poeten,
als unſere ſtaͤrkſten und formidabelſten Wider-
ſacher, verwahret habe, um deſto ſicherer unſere
unterirdiſche Bollwerke durch Miniren bedecken,
und die ſich dran wagende in die Luft ſprengen
zu koͤnnen, weil ſie ohnedem gern in der Hoͤhe
ſeyn wollen, alſo nichts auf unſerm Sprenkel zu
thun, noch, ohne unſere Bewilligung, das Recht
haben, in die Tiefe zu fahren, immaßen! wir,
ſeit den Zeiten des Hans Sachſens und Froſch-
maͤuslers,
im Poſſeß ſind, daß das Bathos
uns zuſtehe, und wir befugt ſind, ſo tief unter
uns
zu graben, als die Bergleute in dem Schacht:
So hoffe, mit wenigem die Vorzuͤge unſerer
Tiefen vor den Hoͤhen der poetiſchen Highfliers,
oder Hochſteiger, zu zeigen. Alles hohe We-
ſen und Erhebung der Gedanken und Sinne
des Herzens iſt ſchon etwas, das der Religion
zu widerſtreiten ſcheinet. Wie ſehr ſind nicht
aber die erhabenen Poeten groͤßtentheils in ſich
ſelbſt verliebt, wenn ſie mit ihren Gedanken ſo
hoch fahren
koͤnnen. Sie ſetzen ſich gleichſam
in ihnen ſelber auf den Gipfel eines erhabenen

Berges,
J 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0141" n="133"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">vor der erhabenen Dichterey.</hi></fw><lb/><hi rendition="#fr">Janit&#x017F;charen-Aga gegen die Chri&#x017F;ten,</hi> anzu-<lb/>
&#x017F;ehen. Verlange er aber &#x017F;eine Freyheit: So<lb/>
mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e er &#x017F;ich entweder mit großen Ko&#x017F;ten ran-<lb/>
zioniren, oder aber wir behielten ihn in Ketten,<lb/>
und entzo&#x0364;gen al&#x017F;o den erhabenen Poeten einen<lb/><hi rendition="#fr">wichtigen Officier zu Fuß,</hi> oder zu <hi rendition="#fr">Roß.</hi> Jch<lb/>
habe &#x017F;ie nun verwarnet! Sie nehmen &#x017F;ich inacht!</p><lb/>
        <p>§ 11. Nachdem ich mich nun &#x017F;olcherge&#x017F;talt<lb/>
gegen die <hi rendition="#fr">li&#x017F;tigen Anla&#x0364;ufe</hi> der erhabenen Poeten,<lb/>
als un&#x017F;ere &#x017F;ta&#x0364;rk&#x017F;ten und formidabel&#x017F;ten Wider-<lb/>
&#x017F;acher, verwahret habe, um de&#x017F;to &#x017F;icherer un&#x017F;ere<lb/>
unterirdi&#x017F;che Bollwerke durch <hi rendition="#fr">Miniren</hi> bedecken,<lb/>
und die &#x017F;ich dran wagende in die Luft &#x017F;prengen<lb/>
zu ko&#x0364;nnen, weil &#x017F;ie ohnedem gern in der Ho&#x0364;he<lb/>
&#x017F;eyn wollen, al&#x017F;o nichts auf un&#x017F;erm Sprenkel zu<lb/>
thun, noch, ohne un&#x017F;ere Bewilligung, das Recht<lb/>
haben, in die <hi rendition="#fr">Tiefe</hi> zu fahren, immaßen! wir,<lb/>
&#x017F;eit den Zeiten des <hi rendition="#fr">Hans Sach&#x017F;ens</hi> und <hi rendition="#fr">Fro&#x017F;ch-<lb/>
ma&#x0364;uslers,</hi> im Po&#x017F;&#x017F;&#x017F;ind, daß das <hi rendition="#fr">Bathos</hi><lb/>
uns zu&#x017F;tehe, und wir befugt &#x017F;ind, <hi rendition="#fr">&#x017F;o tief unter<lb/>
uns</hi> zu graben, als die Bergleute in dem Schacht:<lb/>
So hoffe, mit wenigem die Vorzu&#x0364;ge un&#x017F;erer<lb/><hi rendition="#fr">Tiefen</hi> vor den <hi rendition="#fr">Ho&#x0364;hen</hi> der poeti&#x017F;chen <hi rendition="#fr">Highfliers,</hi><lb/>
oder <hi rendition="#fr">Hoch&#x017F;teiger,</hi> zu zeigen. Alles <hi rendition="#fr">hohe</hi> We-<lb/>
&#x017F;en und <hi rendition="#fr">Erhebung</hi> der Gedanken und Sinne<lb/>
des Herzens i&#x017F;t &#x017F;chon etwas, das der <hi rendition="#fr">Religion</hi><lb/>
zu wider&#x017F;treiten &#x017F;cheinet. Wie &#x017F;ehr &#x017F;ind nicht<lb/>
aber die erhabenen Poeten <hi rendition="#fr">gro&#x0364;ßtentheils</hi> in &#x017F;ich<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t verliebt, wenn &#x017F;ie mit ihren Gedanken <hi rendition="#fr">&#x017F;o<lb/>
hoch fahren</hi> ko&#x0364;nnen. Sie &#x017F;etzen &#x017F;ich gleich&#x017F;am<lb/>
in ihnen &#x017F;elber auf den Gipfel eines <hi rendition="#fr">erhabenen</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="sig">J 3</fw><fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">Berges,</hi></fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[133/0141] vor der erhabenen Dichterey. Janitſcharen-Aga gegen die Chriſten, anzu- ſehen. Verlange er aber ſeine Freyheit: So muͤſſe er ſich entweder mit großen Koſten ran- zioniren, oder aber wir behielten ihn in Ketten, und entzoͤgen alſo den erhabenen Poeten einen wichtigen Officier zu Fuß, oder zu Roß. Jch habe ſie nun verwarnet! Sie nehmen ſich inacht! § 11. Nachdem ich mich nun ſolchergeſtalt gegen die liſtigen Anlaͤufe der erhabenen Poeten, als unſere ſtaͤrkſten und formidabelſten Wider- ſacher, verwahret habe, um deſto ſicherer unſere unterirdiſche Bollwerke durch Miniren bedecken, und die ſich dran wagende in die Luft ſprengen zu koͤnnen, weil ſie ohnedem gern in der Hoͤhe ſeyn wollen, alſo nichts auf unſerm Sprenkel zu thun, noch, ohne unſere Bewilligung, das Recht haben, in die Tiefe zu fahren, immaßen! wir, ſeit den Zeiten des Hans Sachſens und Froſch- maͤuslers, im Poſſeß ſind, daß das Bathos uns zuſtehe, und wir befugt ſind, ſo tief unter uns zu graben, als die Bergleute in dem Schacht: So hoffe, mit wenigem die Vorzuͤge unſerer Tiefen vor den Hoͤhen der poetiſchen Highfliers, oder Hochſteiger, zu zeigen. Alles hohe We- ſen und Erhebung der Gedanken und Sinne des Herzens iſt ſchon etwas, das der Religion zu widerſtreiten ſcheinet. Wie ſehr ſind nicht aber die erhabenen Poeten groͤßtentheils in ſich ſelbſt verliebt, wenn ſie mit ihren Gedanken ſo hoch fahren koͤnnen. Sie ſetzen ſich gleichſam in ihnen ſelber auf den Gipfel eines erhabenen Berges, J 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/philippi_reimschmiedekunst_1743
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/philippi_reimschmiedekunst_1743/141
Zitationshilfe: Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/philippi_reimschmiedekunst_1743/141>, abgerufen am 03.05.2024.