Pfleiderer, Edmund: Kosmopolitismus und Patriotismus. Berlin, 1874.wird), so mag dieß einmal darin sich beweisen, daß hier mehr In eigenthümlicher, sozusagen gefährlicher Mitte zwischen dem Wie schwer es hält, jene beiden Momente gleichmäßig zu wird), ſo mag dieß einmal darin ſich beweiſen, daß hier mehr In eigenthümlicher, ſozuſagen gefährlicher Mitte zwiſchen dem Wie ſchwer es hält, jene beiden Momente gleichmäßig zu <TEI> <text> <body> <p><pb facs="#f0044" n="34"/> wird), ſo mag dieß einmal darin ſich beweiſen, daß hier mehr<lb/> nationale Anlage für dieſen, dort mehr für jenen Wiſſenszweig<lb/> ſich zeigt. Sodann wird allerdings die Volksthümlichkeit ſich ſtär¬<lb/> ker in den ſogenannten Geiſteswiſſenſchaften geltend machen, ſofern<lb/> bei ihnen mit Nothwendigkeit und Recht mehr ſubjektive Zuthat<lb/> hereinkommt. Die Geſchichte z. B. wird ohne alle ſtoffliche Fäl¬<lb/> ſchung oder Trübung im Spiegel des Einen Volksgeiſts ſich etwas<lb/> anders reflektiren, als in dem des andern. Aehnlich wird es ſich<lb/> mit den philoſophiſchen Syſtemen verhalten, deren Anfangsvertreter<lb/> in der Neuzeit, Bako und Karteſius, ſogleich ächte Nationaltypen<lb/> ſind. Trotzdem bleibt auch hier das hohe Wort von Leibniz zu<lb/> Recht beſtehen, daß die Wahrheit »<hi rendition="#aq">juris communis</hi>« ſei wie Licht<lb/> und Luft. Nur darf freilich bei aller Hingebung an die Forſchung<lb/> eine harmoniſch ganze Menſchennatur ſelbſt in der Wiſſenſchaft<lb/> nicht total aufgehen; der Menſch, wie nicht minder der Staats¬<lb/> bürger will daneben ſeinen Platz!</p><lb/> <p>In eigenthümlicher, ſozuſagen gefährlicher Mitte zwiſchen dem<lb/> identiſch Allgemeinen und dem individuell Gefärbten alſo auch<lb/> Nationalen ſteht die <hi rendition="#g">Religion</hi>. Dorthin ſtellt ſie ſich durch ihr<lb/> ſchlechthin univerſales transcendentes Objekt oder Gott. Je reiner,<lb/> d. h. abſoluter und darum einheitlicher dieß gefaßt wird, deſto<lb/> größer pflegt die Expanſionskraft einer Religionsform zu ſein.<lb/> Die Duldſamkeit der Heiden war darum doch nicht bloß Tugend,<lb/> ſondern zum guten Theil auch Schwäche oder polytheiſtiſche In¬<lb/> differenz. Ihnen konnte Verſchiedenes gleich gelten, eben weil ſie<lb/> der Sache gleichgültiger gegenüberſtanden. — Auf die Seite der<lb/> Partikularität dagegen gehört die Religion, ſofern und ſoweit ſie<lb/> menſchliche Art der Auffaſſung oder endliche Form der Ausprägung<lb/> jenes Gehalts iſt, ſei das nun Lehre oder Leben und Organiſation.</p><lb/> <p>Wie ſchwer es hält, jene beiden Momente gleichmäßig zu<lb/> würdigen, zeigt die Geſchichte zumal der höchſten und darum in¬<lb/> tenſivſten, im Guten wie im Böſen ſtärkſten Religionsform. Legt<lb/></p> </body> </text> </TEI> [34/0044]
wird), ſo mag dieß einmal darin ſich beweiſen, daß hier mehr
nationale Anlage für dieſen, dort mehr für jenen Wiſſenszweig
ſich zeigt. Sodann wird allerdings die Volksthümlichkeit ſich ſtär¬
ker in den ſogenannten Geiſteswiſſenſchaften geltend machen, ſofern
bei ihnen mit Nothwendigkeit und Recht mehr ſubjektive Zuthat
hereinkommt. Die Geſchichte z. B. wird ohne alle ſtoffliche Fäl¬
ſchung oder Trübung im Spiegel des Einen Volksgeiſts ſich etwas
anders reflektiren, als in dem des andern. Aehnlich wird es ſich
mit den philoſophiſchen Syſtemen verhalten, deren Anfangsvertreter
in der Neuzeit, Bako und Karteſius, ſogleich ächte Nationaltypen
ſind. Trotzdem bleibt auch hier das hohe Wort von Leibniz zu
Recht beſtehen, daß die Wahrheit »juris communis« ſei wie Licht
und Luft. Nur darf freilich bei aller Hingebung an die Forſchung
eine harmoniſch ganze Menſchennatur ſelbſt in der Wiſſenſchaft
nicht total aufgehen; der Menſch, wie nicht minder der Staats¬
bürger will daneben ſeinen Platz!
In eigenthümlicher, ſozuſagen gefährlicher Mitte zwiſchen dem
identiſch Allgemeinen und dem individuell Gefärbten alſo auch
Nationalen ſteht die Religion. Dorthin ſtellt ſie ſich durch ihr
ſchlechthin univerſales transcendentes Objekt oder Gott. Je reiner,
d. h. abſoluter und darum einheitlicher dieß gefaßt wird, deſto
größer pflegt die Expanſionskraft einer Religionsform zu ſein.
Die Duldſamkeit der Heiden war darum doch nicht bloß Tugend,
ſondern zum guten Theil auch Schwäche oder polytheiſtiſche In¬
differenz. Ihnen konnte Verſchiedenes gleich gelten, eben weil ſie
der Sache gleichgültiger gegenüberſtanden. — Auf die Seite der
Partikularität dagegen gehört die Religion, ſofern und ſoweit ſie
menſchliche Art der Auffaſſung oder endliche Form der Ausprägung
jenes Gehalts iſt, ſei das nun Lehre oder Leben und Organiſation.
Wie ſchwer es hält, jene beiden Momente gleichmäßig zu
würdigen, zeigt die Geſchichte zumal der höchſten und darum in¬
tenſivſten, im Guten wie im Böſen ſtärkſten Religionsform. Legt
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Zitationshilfe: | Pfleiderer, Edmund: Kosmopolitismus und Patriotismus. Berlin, 1874, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pfleiderer_kosmopolitismus_1874/44>, abgerufen am 16.07.2024. |