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Pfleiderer, Edmund: Kosmopolitismus und Patriotismus. Berlin, 1874.

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stümmelung, nur Pfuscherei ergeben. Wie bei der hierin verwand¬
ten Ascese einer überschwänglichen Geistigkeit und ihrem Streben,
durch erbarmungsloses Ertödten der Sinne (als des vermeintlichen
Sitzes und Quellpunkts für das Böse) Heiligkeit zu produziren und
künstlich zu destilliren, wird das Ende vom Lied immer nur das alte
längstbekannte sein, daß die Natur, gewaltsam ausgetrieben, bloß
um so gewaltthätiger und krankhafter (Hallucinationen der "Heili¬
gen"!) zurückkehrt und sich für ihre versuchte Nichtanerkennung
durch um so einseitigeres und despotischeres Auftreten rächt. --
Warum sollte also nicht auch -- da "Worte, Worte, Worte!"
nichts helfen -- der herrliche Kosmopolitismus ganz überwiegend
nach eben diesen Gesetzen den Rückschlag in schnöden Egoismus
erleben?

Wahr und ächt ist überall nur das Natürliche, zwar nicht
schon das Rohe, wie es unmittelbar vorliegt, aber das durch den
Geist treu Bewahrte und Verklärte. Für das Feld des mensch¬
lichen Zusammenlebens stellt sich nun die allein ersprießliche Kul¬
tur des Natürlichen dar als Sache betrachtet in der Form des
Nationalstaats statt der Welt oder Menschheit in blauer All¬
gemeinheit; als Gesinnung dazu angesehen oder als Seele jenes
Körpers ist es eben der Patriotismus an der Stelle des zer¬
fahrenen Weltbürgersinnes.

Der angemessenste Ort oder Gegenstand des Patriotismus
ist aus inneren Gründen der Nationalstaat. Staat für sich allein
ist eine zu abstrakte und allgemeine Form, für die man sich doch
nur künstlich erwärmen könnte. Dieß gilt jedenfalls von der über¬
wiegenden Mehrzahl der Bürger, deren Staatssinn sich bekannt¬
lich noch viel sinnlich-individueller als persönliche Anhänglichkeit
an das Fürstenhaus zu schematisiren liebt. Nation für sich allein
aber wäre zu stoffmäßig und zerflossen, daher wenig greifbar. Am
naturgemäßesten gehören Beide zusammen, wie es in der Haupt¬

ſtümmelung, nur Pfuſcherei ergeben. Wie bei der hierin verwand¬
ten Asceſe einer überſchwänglichen Geiſtigkeit und ihrem Streben,
durch erbarmungsloſes Ertödten der Sinne (als des vermeintlichen
Sitzes und Quellpunkts für das Böſe) Heiligkeit zu produziren und
künſtlich zu deſtilliren, wird das Ende vom Lied immer nur das alte
längſtbekannte ſein, daß die Natur, gewaltſam ausgetrieben, bloß
um ſo gewaltthätiger und krankhafter (Hallucinationen der „Heili¬
gen“!) zurückkehrt und ſich für ihre verſuchte Nichtanerkennung
durch um ſo einſeitigeres und deſpotiſcheres Auftreten rächt. —
Warum ſollte alſo nicht auch — da „Worte, Worte, Worte!“
nichts helfen — der herrliche Kosmopolitismus ganz überwiegend
nach eben dieſen Geſetzen den Rückſchlag in ſchnöden Egoismus
erleben?

Wahr und ächt iſt überall nur das Natürliche, zwar nicht
ſchon das Rohe, wie es unmittelbar vorliegt, aber das durch den
Geiſt treu Bewahrte und Verklärte. Für das Feld des menſch¬
lichen Zuſammenlebens ſtellt ſich nun die allein erſprießliche Kul¬
tur des Natürlichen dar als Sache betrachtet in der Form des
Nationalſtaats ſtatt der Welt oder Menſchheit in blauer All¬
gemeinheit; als Geſinnung dazu angeſehen oder als Seele jenes
Körpers iſt es eben der Patriotismus an der Stelle des zer¬
fahrenen Weltbürgerſinnes.

Der angemeſſenſte Ort oder Gegenſtand des Patriotismus
iſt aus inneren Gründen der Nationalſtaat. Staat für ſich allein
iſt eine zu abſtrakte und allgemeine Form, für die man ſich doch
nur künſtlich erwärmen könnte. Dieß gilt jedenfalls von der über¬
wiegenden Mehrzahl der Bürger, deren Staatsſinn ſich bekannt¬
lich noch viel ſinnlich-individueller als perſönliche Anhänglichkeit
an das Fürſtenhaus zu ſchematiſiren liebt. Nation für ſich allein
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[18/0028] ſtümmelung, nur Pfuſcherei ergeben. Wie bei der hierin verwand¬ ten Asceſe einer überſchwänglichen Geiſtigkeit und ihrem Streben, durch erbarmungsloſes Ertödten der Sinne (als des vermeintlichen Sitzes und Quellpunkts für das Böſe) Heiligkeit zu produziren und künſtlich zu deſtilliren, wird das Ende vom Lied immer nur das alte längſtbekannte ſein, daß die Natur, gewaltſam ausgetrieben, bloß um ſo gewaltthätiger und krankhafter (Hallucinationen der „Heili¬ gen“!) zurückkehrt und ſich für ihre verſuchte Nichtanerkennung durch um ſo einſeitigeres und deſpotiſcheres Auftreten rächt. — Warum ſollte alſo nicht auch — da „Worte, Worte, Worte!“ nichts helfen — der herrliche Kosmopolitismus ganz überwiegend nach eben dieſen Geſetzen den Rückſchlag in ſchnöden Egoismus erleben? Wahr und ächt iſt überall nur das Natürliche, zwar nicht ſchon das Rohe, wie es unmittelbar vorliegt, aber das durch den Geiſt treu Bewahrte und Verklärte. Für das Feld des menſch¬ lichen Zuſammenlebens ſtellt ſich nun die allein erſprießliche Kul¬ tur des Natürlichen dar als Sache betrachtet in der Form des Nationalſtaats ſtatt der Welt oder Menſchheit in blauer All¬ gemeinheit; als Geſinnung dazu angeſehen oder als Seele jenes Körpers iſt es eben der Patriotismus an der Stelle des zer¬ fahrenen Weltbürgerſinnes. Der angemeſſenſte Ort oder Gegenſtand des Patriotismus iſt aus inneren Gründen der Nationalſtaat. Staat für ſich allein iſt eine zu abſtrakte und allgemeine Form, für die man ſich doch nur künſtlich erwärmen könnte. Dieß gilt jedenfalls von der über¬ wiegenden Mehrzahl der Bürger, deren Staatsſinn ſich bekannt¬ lich noch viel ſinnlich-individueller als perſönliche Anhänglichkeit an das Fürſtenhaus zu ſchematiſiren liebt. Nation für ſich allein aber wäre zu ſtoffmäßig und zerfloſſen, daher wenig greifbar. Am naturgemäßeſten gehören Beide zuſammen, wie es in der Haupt¬

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Zitationshilfe: Pfleiderer, Edmund: Kosmopolitismus und Patriotismus. Berlin, 1874, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pfleiderer_kosmopolitismus_1874/28>, abgerufen am 23.11.2024.