Pfizer, Gustav: Die deutsche Einheit und der Preußenhaß. Stuttgart, 1849.rechneten, wie Vogt offen gesstand, darauf, daß mittelst des bloßen Sus- Das war auch die Hoffnung vieler Republikaner und Demokraten. 2
rechneten, wie Vogt offen geſſtand, darauf, daß mittelſt des bloßen Sus- Das war auch die Hoffnung vieler Republikaner und Demokraten. 2
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0027" n="17"/> rechneten, wie <hi rendition="#g">Vogt</hi> offen geſſtand, darauf, daß mittelſt des bloßen Sus-<lb/> penſiv-Veto auch in Verfaſſungsfragen und des faſt ſchrankenloſen Wahl-<lb/> rechts das Kaiſerthum ſelbſt werde auf geſetzlichem Wege abgeſchafft<lb/> werden, zu Gunſten der Republik! Wer Recht behalten hätte, läßt ſich<lb/> nicht entſcheiden; aber begreifen läßt ſich leicht, wie der König eine mit<lb/><hi rendition="#g">ſolchen</hi> Hintergedanken Vieller übertragene Krone abzulehnen ſich ent-<lb/> ſchloß, um ſo mehr, als noch viele Bedenken dazu kamen, welche theils<lb/> in ſeiner politiſchen und Rechts-Anſchauung, theils in perſönlichen Ge-<lb/> fühlen wurzelten. Niemand aber hat das Recht, ihm diejenigen Beweg-<lb/> gründe anzudichten, womit die reaktionäre Kreuzzeitung und verwandte<lb/> Blätter in giftigem Groll und cyniſchem Hohn gegen Frankfurt ihm zur<lb/> Ablehnung riethen. Für ein <hi rendition="#g">Wageſtück</hi> erklärten Viele auch von<lb/> denen die Annahme, welche ſie ſehnlich wünſchten. Daß aber auch der<lb/> andere Weg, auf welchem die preußiſche Regierung im Weſentlichen<lb/><hi rendition="#g">daſſelbe Ziel</hi>, den deutſchen Bundesſtaat mit einheitlicher Spitze<lb/> (nur ohne Kaiſer), auf der Grundlage der Volksfreiheit und Volksver-<lb/> tretung, zu erreichen ſich vorſetzte, nicht ohne Steine und Dornen und<lb/> Hinderniſſe jeder Art iſt, daß Gefühle, deren Verletzung man auf <hi rendition="#g">jenem</hi><lb/> Wege fürchtete, auch auf <hi rendition="#g">dieſem</hi> ſich entgegenſetzten: — das hat die<lb/> preußiſche Regierung wohl zur Genüge erfahren, und noch iſt das Ge-<lb/> lingen des Werkes nicht geſichert. Nur der Unterſchied verdient aller-<lb/> dings Beachtung, daß, wenn es auch gänzlich ſcheitert, <hi rendition="#g">Preußen</hi> dann<lb/> doch bleibt, was es war, während im anderen Falle Preußens Schickſal<lb/> an die künftige Entwicklung, an die möglichen Kataſtrophen des deutſchen<lb/> Staates geknüpft geweſen wäre.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Das</hi> war auch die Hoffnung vieler Republikaner und Demokraten.<lb/> Der gewaltigen Stürme im Innern war Preußen wieder Meiſter gewor-<lb/> den und hatte die Hoffnungen Derer getäuſcht, die es <hi rendition="#g">im</hi> Geiſte ſchon<lb/> zerbröckelt und aufgelöst ſahen. Durch die demokratiſchen, die anarchi-<lb/> ſchen Elemente des übrigen Deutſchlands, der Kleinſtaaten, konnten und<lb/> ſollten, unter Begünſtigung des Wahlrechts und der theilweiſe geradezu<lb/><hi rendition="#g">antiſocialen</hi> Grundrechte, die feſten Fundamente der preußiſchen<lb/> Monarchie angefreſſen und aufgelöst werden. Das <hi rendition="#g">große Verbrechen</hi><lb/> Preußens in den Augen der Demokraten war und iſt das: daß es, eine<lb/> Zeitlang ſcheinbar bedroht, die (falſche) Demokratie niedergeſchlagen, der<lb/> Hyder der Anarchie den Fuß auf den Kopf geſetzt hat, in Preußen ſelbſt<lb/> zuerſt, dann in Sachſen, in der Pfalz, in Baden. Nach den Deklama-<lb/> tionen wüthender Journaliſten von „verrätheriſcher Niederkartätſchung der<lb/> Bürger, von Wrangel’ſchem Säbelregiment, von Manteuffel’ſcher Will-<lb/> kürherrſchaft, von Gefangnen-Mord“ u. ſ. w. ſollte man meinen, daß in<lb/> <fw place="bottom" type="sig">2</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [17/0027]
rechneten, wie Vogt offen geſſtand, darauf, daß mittelſt des bloßen Sus-
penſiv-Veto auch in Verfaſſungsfragen und des faſt ſchrankenloſen Wahl-
rechts das Kaiſerthum ſelbſt werde auf geſetzlichem Wege abgeſchafft
werden, zu Gunſten der Republik! Wer Recht behalten hätte, läßt ſich
nicht entſcheiden; aber begreifen läßt ſich leicht, wie der König eine mit
ſolchen Hintergedanken Vieller übertragene Krone abzulehnen ſich ent-
ſchloß, um ſo mehr, als noch viele Bedenken dazu kamen, welche theils
in ſeiner politiſchen und Rechts-Anſchauung, theils in perſönlichen Ge-
fühlen wurzelten. Niemand aber hat das Recht, ihm diejenigen Beweg-
gründe anzudichten, womit die reaktionäre Kreuzzeitung und verwandte
Blätter in giftigem Groll und cyniſchem Hohn gegen Frankfurt ihm zur
Ablehnung riethen. Für ein Wageſtück erklärten Viele auch von
denen die Annahme, welche ſie ſehnlich wünſchten. Daß aber auch der
andere Weg, auf welchem die preußiſche Regierung im Weſentlichen
daſſelbe Ziel, den deutſchen Bundesſtaat mit einheitlicher Spitze
(nur ohne Kaiſer), auf der Grundlage der Volksfreiheit und Volksver-
tretung, zu erreichen ſich vorſetzte, nicht ohne Steine und Dornen und
Hinderniſſe jeder Art iſt, daß Gefühle, deren Verletzung man auf jenem
Wege fürchtete, auch auf dieſem ſich entgegenſetzten: — das hat die
preußiſche Regierung wohl zur Genüge erfahren, und noch iſt das Ge-
lingen des Werkes nicht geſichert. Nur der Unterſchied verdient aller-
dings Beachtung, daß, wenn es auch gänzlich ſcheitert, Preußen dann
doch bleibt, was es war, während im anderen Falle Preußens Schickſal
an die künftige Entwicklung, an die möglichen Kataſtrophen des deutſchen
Staates geknüpft geweſen wäre.
Das war auch die Hoffnung vieler Republikaner und Demokraten.
Der gewaltigen Stürme im Innern war Preußen wieder Meiſter gewor-
den und hatte die Hoffnungen Derer getäuſcht, die es im Geiſte ſchon
zerbröckelt und aufgelöst ſahen. Durch die demokratiſchen, die anarchi-
ſchen Elemente des übrigen Deutſchlands, der Kleinſtaaten, konnten und
ſollten, unter Begünſtigung des Wahlrechts und der theilweiſe geradezu
antiſocialen Grundrechte, die feſten Fundamente der preußiſchen
Monarchie angefreſſen und aufgelöst werden. Das große Verbrechen
Preußens in den Augen der Demokraten war und iſt das: daß es, eine
Zeitlang ſcheinbar bedroht, die (falſche) Demokratie niedergeſchlagen, der
Hyder der Anarchie den Fuß auf den Kopf geſetzt hat, in Preußen ſelbſt
zuerſt, dann in Sachſen, in der Pfalz, in Baden. Nach den Deklama-
tionen wüthender Journaliſten von „verrätheriſcher Niederkartätſchung der
Bürger, von Wrangel’ſchem Säbelregiment, von Manteuffel’ſcher Will-
kürherrſchaft, von Gefangnen-Mord“ u. ſ. w. ſollte man meinen, daß in
2
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/pfizer_einheit_1849 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/pfizer_einheit_1849/27 |
Zitationshilfe: | Pfizer, Gustav: Die deutsche Einheit und der Preußenhaß. Stuttgart, 1849, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pfizer_einheit_1849/27>, abgerufen am 27.07.2024. |