Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pfizer, Gustav: Die deutsche Einheit und der Preußenhaß. Stuttgart, 1849.

Bild:
<< vorherige Seite

Dies ungefähr ist das Hauptthema der Philippiken und Capuzinaden
gegen Preußen, je nach den Gesinnungen der Volksredner und Jour-
nalisten gewürzt mit schamlosen Schmähungen des Königs von Preußen,
sowie mit Verunglimpfungen des preußischen Volkes, und in allen
denkbaren Variationen mit der Unermüdlichkeit des fanatischen Hasses
abgehandelt. Schmähungen der Regierung oder des Königs und ein-
zelner Minister und Generale werden kunstreich mit Verunglimpfungen
des preußischen Staates und Volkes durchwoben und versetzt, und der
Name Preußen wird zum Schreckbild und zur Vogelscheuche, zum
entsetzlichen "Wahnbild" für jeden Demokraten nicht nur, sondern auch
sonst für manchen harmlosen und wohlmeinenden Mann. So kann der
Beobachter sagen: "Das Volk haßt jenes Wahnbild *) mit Recht,
es hat die preußische Politik seit einem Jahre beobachtet und weiß, was
es von einem Preußischwerden zu erwarten hätte." -- Das Volk haßt
Preußen, nicht, weil es dessen Politik beobachtet hat, sondern weil
es seit einem Jahre unablässig Beobachtert worden, weil es auf jede
Weise aufgestachelt, verhetzt, in seinen Antipathieen wie in seinen selbst-
gefälligen Vorurtheilen bestärkt worden ist.

Zu dem Gewebe von Vorwürfen, die gegen Preußen erhoben wer-
den, hat die preußische Regierung allenfalls den Zeddel vielfacher und
großer Fehler und Mißgriffe hergegeben (und wo sind in den letzten
Zeiten solche nicht begangen worden?); den Eintrag aber haben
unsere rasenden Preußenfeinde aus ihrem Eigenen hinzugethan, ihn,
wie die Kreuzspinne, aus sich herausgesponnen. Bekennen und beklagen
muß man die lange Zögerung der preußischen Regierung, den ge-
rechten Erwartungen Preußens und Deutschlands zu entsprechen, das
Haften an der alten, Metternich huldigenden Politik, das zaghafte Vor-
schreiten und Wiederzurückgehen beim vereinigten Landtag, das Versäumen
des rechten Augenblicks nach dem Ausbruch der Februar-Revolution,
das schwankende und unsichere Benehmen nach den Märztagen; bedauern
und für einen politischen Fehler halten kann man die Nichtannahme der
Kaiserkrone und die Mißstimmung erregende Aufnahme der Kaiserdepu-
tation; verletzt endlich, ja entrüstet sind viele Redlichgesinnte worden
durch die Art, wie der dänische Krieg geführt und noch mehr wie er
beendigt wurde, durch den Malmöer und den neuen Waffenstillstand;
auch sonst mancherlei einzelne Maßregeln, manche Verfolgungen und die

*) Der Beobachter meint damit die Idee der preußischen Vorstandschaft; aber
viel mehr ist das Bild, das er und Seinesgleichen von dem deutschen Bundesstaat
unter Preußens Leitung, vom preußischen Säbelregiment und Despotismus entwerfen,
ein -- Wahnbild!

Dies ungefähr iſt das Hauptthema der Philippiken und Capuzinaden
gegen Preußen, je nach den Geſinnungen der Volksredner und Jour-
naliſten gewürzt mit ſchamloſen Schmähungen des Königs von Preußen,
ſowie mit Verunglimpfungen des preußiſchen Volkes, und in allen
denkbaren Variationen mit der Unermüdlichkeit des fanatiſchen Haſſes
abgehandelt. Schmähungen der Regierung oder des Königs und ein-
zelner Miniſter und Generale werden kunſtreich mit Verunglimpfungen
des preußiſchen Staates und Volkes durchwoben und verſetzt, und der
Name Preußen wird zum Schreckbild und zur Vogelſcheuche, zum
entſetzlichen „Wahnbild“ für jeden Demokraten nicht nur, ſondern auch
ſonſt für manchen harmloſen und wohlmeinenden Mann. So kann der
Beobachter ſagen: „Das Volk haßt jenes Wahnbild *) mit Recht,
es hat die preußiſche Politik ſeit einem Jahre beobachtet und weiß, was
es von einem Preußiſchwerden zu erwarten hätte.“ — Das Volk haßt
Preußen, nicht, weil es deſſen Politik beobachtet hat, ſondern weil
es ſeit einem Jahre unabläſſig Beobachtert worden, weil es auf jede
Weiſe aufgeſtachelt, verhetzt, in ſeinen Antipathieen wie in ſeinen ſelbſt-
gefälligen Vorurtheilen beſtärkt worden iſt.

Zu dem Gewebe von Vorwürfen, die gegen Preußen erhoben wer-
den, hat die preußiſche Regierung allenfalls den Zeddel vielfacher und
großer Fehler und Mißgriffe hergegeben (und wo ſind in den letzten
Zeiten ſolche nicht begangen worden?); den Eintrag aber haben
unſere raſenden Preußenfeinde aus ihrem Eigenen hinzugethan, ihn,
wie die Kreuzſpinne, aus ſich herausgeſponnen. Bekennen und beklagen
muß man die lange Zögerung der preußiſchen Regierung, den ge-
rechten Erwartungen Preußens und Deutſchlands zu entſprechen, das
Haften an der alten, Metternich huldigenden Politik, das zaghafte Vor-
ſchreiten und Wiederzurückgehen beim vereinigten Landtag, das Verſäumen
des rechten Augenblicks nach dem Ausbruch der Februar-Revolution,
das ſchwankende und unſichere Benehmen nach den Märztagen; bedauern
und für einen politiſchen Fehler halten kann man die Nichtannahme der
Kaiſerkrone und die Mißſtimmung erregende Aufnahme der Kaiſerdepu-
tation; verletzt endlich, ja entrüſtet ſind viele Redlichgeſinnte worden
durch die Art, wie der däniſche Krieg geführt und noch mehr wie er
beendigt wurde, durch den Malmöer und den neuen Waffenſtillſtand;
auch ſonſt mancherlei einzelne Maßregeln, manche Verfolgungen und die

*) Der Beobachter meint damit die Idee der preußiſchen Vorſtandſchaft; aber
viel mehr iſt das Bild, das er und Seinesgleichen von dem deutſchen Bundesſtaat
unter Preußens Leitung, vom preußiſchen Säbelregiment und Deſpotismus entwerfen,
ein — Wahnbild!
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0023" n="13"/>
        <p>Dies ungefähr i&#x017F;t das Hauptthema der Philippiken und Capuzinaden<lb/>
gegen Preußen, je nach den Ge&#x017F;innungen der Volksredner und Jour-<lb/>
nali&#x017F;ten gewürzt mit &#x017F;chamlo&#x017F;en Schmähungen des Königs von Preußen,<lb/>
&#x017F;owie mit Verunglimpfungen des preußi&#x017F;chen <hi rendition="#g">Volkes</hi>, und in allen<lb/>
denkbaren Variationen mit der Unermüdlichkeit des fanati&#x017F;chen Ha&#x017F;&#x017F;es<lb/>
abgehandelt. Schmähungen der Regierung oder des Königs und ein-<lb/>
zelner Mini&#x017F;ter und Generale werden kun&#x017F;treich mit Verunglimpfungen<lb/>
des preußi&#x017F;chen Staates und Volkes durchwoben und ver&#x017F;etzt, und der<lb/>
Name <hi rendition="#g">Preußen</hi> wird zum Schreckbild und zur Vogel&#x017F;cheuche, zum<lb/>
ent&#x017F;etzlichen &#x201E;Wahnbild&#x201C; für jeden Demokraten nicht nur, &#x017F;ondern auch<lb/>
&#x017F;on&#x017F;t für manchen harmlo&#x017F;en und wohlmeinenden Mann. So kann der<lb/><hi rendition="#g">Beobachter</hi> &#x017F;agen: &#x201E;Das Volk haßt jenes Wahnbild <note place="foot" n="*)">Der Beobachter meint damit die Idee der preußi&#x017F;chen Vor&#x017F;tand&#x017F;chaft; aber<lb/>
viel mehr i&#x017F;t das Bild, das er und Seinesgleichen von dem deut&#x017F;chen Bundes&#x017F;taat<lb/>
unter Preußens Leitung, vom preußi&#x017F;chen Säbelregiment und De&#x017F;potismus entwerfen,<lb/>
ein &#x2014; <hi rendition="#g">Wahnbild</hi>!</note> mit Recht,<lb/>
es hat die preußi&#x017F;che Politik &#x017F;eit einem Jahre beobachtet und weiß, was<lb/>
es von einem Preußi&#x017F;chwerden zu erwarten hätte.&#x201C; &#x2014; Das Volk haßt<lb/>
Preußen, nicht, weil es de&#x017F;&#x017F;en Politik <hi rendition="#g">beobachtet</hi> hat, &#x017F;ondern weil<lb/>
es &#x017F;eit einem Jahre unablä&#x017F;&#x017F;ig <hi rendition="#g">Beobachtert</hi> worden, weil es auf jede<lb/>
Wei&#x017F;e aufge&#x017F;tachelt, verhetzt, in &#x017F;einen Antipathieen wie in &#x017F;einen &#x017F;elb&#x017F;t-<lb/>
gefälligen Vorurtheilen be&#x017F;tärkt worden i&#x017F;t.</p><lb/>
        <p>Zu dem Gewebe von Vorwürfen, die gegen Preußen erhoben wer-<lb/>
den, hat die preußi&#x017F;che Regierung allenfalls den <hi rendition="#g">Zeddel</hi> vielfacher und<lb/>
großer Fehler und Mißgriffe hergegeben (und <hi rendition="#g">wo</hi> &#x017F;ind in den letzten<lb/>
Zeiten &#x017F;olche <hi rendition="#g">nicht</hi> begangen worden?); den <hi rendition="#g">Eintrag</hi> aber haben<lb/>
un&#x017F;ere ra&#x017F;enden Preußenfeinde aus ihrem <hi rendition="#g">Eigenen</hi> hinzugethan, ihn,<lb/>
wie die Kreuz&#x017F;pinne, aus &#x017F;ich herausge&#x017F;ponnen. Bekennen und beklagen<lb/>
muß man die lange <hi rendition="#g">Zögerung</hi> der preußi&#x017F;chen Regierung, den ge-<lb/>
rechten Erwartungen Preußens und Deut&#x017F;chlands zu ent&#x017F;prechen, das<lb/>
Haften an der alten, Metternich huldigenden Politik, das zaghafte Vor-<lb/>
&#x017F;chreiten und Wiederzurückgehen beim vereinigten Landtag, das Ver&#x017F;äumen<lb/>
des rechten Augenblicks nach dem Ausbruch der Februar-Revolution,<lb/>
das &#x017F;chwankende und un&#x017F;ichere Benehmen <hi rendition="#g">nach</hi> den Märztagen; bedauern<lb/>
und für einen politi&#x017F;chen Fehler halten kann man die Nichtannahme der<lb/>
Kai&#x017F;erkrone und die Miß&#x017F;timmung erregende Aufnahme der Kai&#x017F;erdepu-<lb/>
tation; verletzt endlich, ja entrü&#x017F;tet &#x017F;ind viele Redlichge&#x017F;innte worden<lb/>
durch die Art, wie der däni&#x017F;che Krieg geführt und noch mehr wie er<lb/>
beendigt wurde, durch den Malmöer und den neuen Waffen&#x017F;till&#x017F;tand;<lb/>
auch &#x017F;on&#x017F;t mancherlei einzelne Maßregeln, manche Verfolgungen und die<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[13/0023] Dies ungefähr iſt das Hauptthema der Philippiken und Capuzinaden gegen Preußen, je nach den Geſinnungen der Volksredner und Jour- naliſten gewürzt mit ſchamloſen Schmähungen des Königs von Preußen, ſowie mit Verunglimpfungen des preußiſchen Volkes, und in allen denkbaren Variationen mit der Unermüdlichkeit des fanatiſchen Haſſes abgehandelt. Schmähungen der Regierung oder des Königs und ein- zelner Miniſter und Generale werden kunſtreich mit Verunglimpfungen des preußiſchen Staates und Volkes durchwoben und verſetzt, und der Name Preußen wird zum Schreckbild und zur Vogelſcheuche, zum entſetzlichen „Wahnbild“ für jeden Demokraten nicht nur, ſondern auch ſonſt für manchen harmloſen und wohlmeinenden Mann. So kann der Beobachter ſagen: „Das Volk haßt jenes Wahnbild *) mit Recht, es hat die preußiſche Politik ſeit einem Jahre beobachtet und weiß, was es von einem Preußiſchwerden zu erwarten hätte.“ — Das Volk haßt Preußen, nicht, weil es deſſen Politik beobachtet hat, ſondern weil es ſeit einem Jahre unabläſſig Beobachtert worden, weil es auf jede Weiſe aufgeſtachelt, verhetzt, in ſeinen Antipathieen wie in ſeinen ſelbſt- gefälligen Vorurtheilen beſtärkt worden iſt. Zu dem Gewebe von Vorwürfen, die gegen Preußen erhoben wer- den, hat die preußiſche Regierung allenfalls den Zeddel vielfacher und großer Fehler und Mißgriffe hergegeben (und wo ſind in den letzten Zeiten ſolche nicht begangen worden?); den Eintrag aber haben unſere raſenden Preußenfeinde aus ihrem Eigenen hinzugethan, ihn, wie die Kreuzſpinne, aus ſich herausgeſponnen. Bekennen und beklagen muß man die lange Zögerung der preußiſchen Regierung, den ge- rechten Erwartungen Preußens und Deutſchlands zu entſprechen, das Haften an der alten, Metternich huldigenden Politik, das zaghafte Vor- ſchreiten und Wiederzurückgehen beim vereinigten Landtag, das Verſäumen des rechten Augenblicks nach dem Ausbruch der Februar-Revolution, das ſchwankende und unſichere Benehmen nach den Märztagen; bedauern und für einen politiſchen Fehler halten kann man die Nichtannahme der Kaiſerkrone und die Mißſtimmung erregende Aufnahme der Kaiſerdepu- tation; verletzt endlich, ja entrüſtet ſind viele Redlichgeſinnte worden durch die Art, wie der däniſche Krieg geführt und noch mehr wie er beendigt wurde, durch den Malmöer und den neuen Waffenſtillſtand; auch ſonſt mancherlei einzelne Maßregeln, manche Verfolgungen und die *) Der Beobachter meint damit die Idee der preußiſchen Vorſtandſchaft; aber viel mehr iſt das Bild, das er und Seinesgleichen von dem deutſchen Bundesſtaat unter Preußens Leitung, vom preußiſchen Säbelregiment und Deſpotismus entwerfen, ein — Wahnbild!

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pfizer_einheit_1849
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pfizer_einheit_1849/23
Zitationshilfe: Pfizer, Gustav: Die deutsche Einheit und der Preußenhaß. Stuttgart, 1849, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pfizer_einheit_1849/23>, abgerufen am 22.11.2024.