Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pfeiffer, Ida: Eine Frauenfahrt um die Welt, Band 3. Wien, 1850.

Bild:
<< vorherige Seite

Das Städtchen selbst ist klein und erbärmlich, der Tempel aber groß und schön.

Man war hier so tolerant, uns den Eintritt in alle Räume des Tempels zu gestatten; er ist von allen Seiten offen und bildet ein Achteck. Im obern Theile umgeben ihn Gallerien, von welchen die eine Hälfte für die Weiber, die andere für die Musikanten bestimmt ist. Das Sanctuarium steht im Hintergrunde des Tempels, fünf Glocken hingen davor, an welche geschlagen wird, wenn Frauen in den Tempel treten; sie erschallten auch bei meinem Eintritte. Hierauf wurde die verhängte und verschlossene Pforte geöffnet und uns der volle Blick in das Innere gestattet. -- - Wir sahen da eine kleine Gesellschaft in Stein ausgehauener Götzen. Das Volk, das uns neugierig gefolgt war, fing bei Eröffnung des Allerheiligsten ein leises Gemurmel an, -- ich wandte mich etwas befangen um, in der Meinung, daß es uns gälte und war aufs Aergste gefaßt, allein es waren Gebete, die sie in andachtsvoller Stellung leise vor sich hersagten. Einer der Brahminen verscheuchte mit einem großen Fliegenwedel die kecken Fliegen von den geistreichen Antlitzen der Götter.

An den großen Tempel stoßen mehrere Kapellen, die sich alle vor uns öffneten; sie enthielten rothbemalte Steine oder Bilder. Im Vorhofe sitzt unter einem Dächlein ein steinerner Heiliger, der ganz ordentlich angekleidet war und selbst eine Mütze auf dem Kopfe hatte.

Am jenseitigen Ufer des Flusses liegt ein kleiner Hügel, auf welchem ein großer, ziemlich plump in Stein

Das Städtchen selbst ist klein und erbärmlich, der Tempel aber groß und schön.

Man war hier so tolerant, uns den Eintritt in alle Räume des Tempels zu gestatten; er ist von allen Seiten offen und bildet ein Achteck. Im obern Theile umgeben ihn Gallerien, von welchen die eine Hälfte für die Weiber, die andere für die Musikanten bestimmt ist. Das Sanctuarium steht im Hintergrunde des Tempels, fünf Glocken hingen davor, an welche geschlagen wird, wenn Frauen in den Tempel treten; sie erschallten auch bei meinem Eintritte. Hierauf wurde die verhängte und verschlossene Pforte geöffnet und uns der volle Blick in das Innere gestattet. — - Wir sahen da eine kleine Gesellschaft in Stein ausgehauener Götzen. Das Volk, das uns neugierig gefolgt war, fing bei Eröffnung des Allerheiligsten ein leises Gemurmel an, — ich wandte mich etwas befangen um, in der Meinung, daß es uns gälte und war aufs Aergste gefaßt, allein es waren Gebete, die sie in andachtsvoller Stellung leise vor sich hersagten. Einer der Brahminen verscheuchte mit einem großen Fliegenwedel die kecken Fliegen von den geistreichen Antlitzen der Götter.

An den großen Tempel stoßen mehrere Kapellen, die sich alle vor uns öffneten; sie enthielten rothbemalte Steine oder Bilder. Im Vorhofe sitzt unter einem Dächlein ein steinerner Heiliger, der ganz ordentlich angekleidet war und selbst eine Mütze auf dem Kopfe hatte.

Am jenseitigen Ufer des Flusses liegt ein kleiner Hügel, auf welchem ein großer, ziemlich plump in Stein

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0038" n="30"/>
        <p>Das Städtchen selbst ist klein und erbärmlich, der Tempel aber groß und schön.</p>
        <p>Man war hier so tolerant, uns den Eintritt in alle Räume des Tempels zu gestatten; er ist von allen Seiten offen und bildet ein Achteck. Im obern Theile umgeben ihn Gallerien, von welchen die eine Hälfte für die Weiber, die andere für die Musikanten bestimmt ist. Das Sanctuarium steht im Hintergrunde des Tempels, fünf Glocken hingen davor, an welche geschlagen wird, wenn Frauen in den Tempel treten; sie erschallten auch bei meinem Eintritte. Hierauf wurde die verhängte und verschlossene Pforte geöffnet und uns der volle Blick in das Innere gestattet. &#x2014; - Wir sahen da eine kleine Gesellschaft in Stein ausgehauener Götzen. Das Volk, das uns neugierig gefolgt war, fing bei Eröffnung des Allerheiligsten ein leises Gemurmel an, &#x2014; ich wandte mich etwas befangen um, in der Meinung, daß es uns gälte und war aufs Aergste gefaßt, allein es waren Gebete, die sie in andachtsvoller Stellung leise vor sich hersagten. Einer der Brahminen verscheuchte mit einem großen Fliegenwedel die kecken Fliegen von den geistreichen Antlitzen der Götter.</p>
        <p>An den großen Tempel stoßen mehrere Kapellen, die sich alle vor uns öffneten; sie enthielten rothbemalte Steine oder Bilder. Im Vorhofe sitzt unter einem Dächlein ein steinerner Heiliger, der ganz ordentlich angekleidet war und selbst eine Mütze auf dem Kopfe hatte.</p>
        <p>Am jenseitigen Ufer des Flusses liegt ein kleiner Hügel, auf welchem ein großer, ziemlich plump in Stein
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[30/0038] Das Städtchen selbst ist klein und erbärmlich, der Tempel aber groß und schön. Man war hier so tolerant, uns den Eintritt in alle Räume des Tempels zu gestatten; er ist von allen Seiten offen und bildet ein Achteck. Im obern Theile umgeben ihn Gallerien, von welchen die eine Hälfte für die Weiber, die andere für die Musikanten bestimmt ist. Das Sanctuarium steht im Hintergrunde des Tempels, fünf Glocken hingen davor, an welche geschlagen wird, wenn Frauen in den Tempel treten; sie erschallten auch bei meinem Eintritte. Hierauf wurde die verhängte und verschlossene Pforte geöffnet und uns der volle Blick in das Innere gestattet. — - Wir sahen da eine kleine Gesellschaft in Stein ausgehauener Götzen. Das Volk, das uns neugierig gefolgt war, fing bei Eröffnung des Allerheiligsten ein leises Gemurmel an, — ich wandte mich etwas befangen um, in der Meinung, daß es uns gälte und war aufs Aergste gefaßt, allein es waren Gebete, die sie in andachtsvoller Stellung leise vor sich hersagten. Einer der Brahminen verscheuchte mit einem großen Fliegenwedel die kecken Fliegen von den geistreichen Antlitzen der Götter. An den großen Tempel stoßen mehrere Kapellen, die sich alle vor uns öffneten; sie enthielten rothbemalte Steine oder Bilder. Im Vorhofe sitzt unter einem Dächlein ein steinerner Heiliger, der ganz ordentlich angekleidet war und selbst eine Mütze auf dem Kopfe hatte. Am jenseitigen Ufer des Flusses liegt ein kleiner Hügel, auf welchem ein großer, ziemlich plump in Stein

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Sophie: A digital library of works by german-speaking women: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-06-28T07:11:29Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition (2013-06-28T07:11:29Z)
Bayerische Staatsbibliothek Digital: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-06-28T07:11:29Z)

Weitere Informationen:

  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert
  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein
  • Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.) sind nicht konsequent wie in der Vorlage gekennzeichnet



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pfeiffer_frauenfahrt03_1850
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pfeiffer_frauenfahrt03_1850/38
Zitationshilfe: Pfeiffer, Ida: Eine Frauenfahrt um die Welt, Band 3. Wien, 1850, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pfeiffer_frauenfahrt03_1850/38>, abgerufen am 09.11.2024.