Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pfeiffer, Ida: Eine Frauenfahrt um die Welt, Band 3. Wien, 1850.

Bild:
<< vorherige Seite

wenn es eine Gelegenheit dazu gegeben hätte; aber ich mußte auf den nächsten Tag warten, denn da erst ging ein Dampfer ab. Ich traf sogleich Anstalt, um mitzugehen und nahm dann, mehr um mich zu zerstreuen als aus Interesse, einen Cicerone, der mich an alle merkwürdigen Orte der Stadt führen sollte.

Grausam hatte mir das Schicksal mitgespielt: zwölf Tage ließ ich mich geduldig in der Quarantäne zu Aegina einsperren, um dann den classischen Boden Gräciums mit Muße durchwandern zu können -- und nun brannte mir der Boden unter den Füßen, und ich hatte weder Rast noch Ruhe.

Athen, die Hauptstadt des einstigen Staates Attika, soll in den Jahren 1390-1400 vor Christi Geburt von Kekrops gegründet worden sein, und damals den Namen Kekropia erhalten haben, der in der folgenden Zeit nur der Burg eigen blieb. Unter Erichtonius erhielt die Stadt den Namen "Athen." Die ursprüngliche Stadt lag auf einem Felshügel mitten in einer Ebene, welche in der Folge mit Gebäuden überdeckt wurde; der obere Theil hieß die "Akropolis," der untere die "Katapolis." Jetzt liegt nur mehr ein Theil der Festung, die berühmte Akropolis, auf dem Berge, welcher die größten Kunstwerke Athens enthält. Die Hauptzierde war der Tempel der Minerva oder das Parthenon; noch in seinen Trümmern zieht es die Bewunderung der Welt auf sich. Das Gebäude soll 215 Fuß lang, 97 Fuß breit und 70 Fuß hoch gewesen sein; hier stand die Bildsäule der Minerva von Phidias. Dieses Meisterwerk der Bildhauerkunst war aus Elfenbein und Gold, 46 Fuß hoch und soll über 2000 Pfund gewogen

wenn es eine Gelegenheit dazu gegeben hätte; aber ich mußte auf den nächsten Tag warten, denn da erst ging ein Dampfer ab. Ich traf sogleich Anstalt, um mitzugehen und nahm dann, mehr um mich zu zerstreuen als aus Interesse, einen Cicerone, der mich an alle merkwürdigen Orte der Stadt führen sollte.

Grausam hatte mir das Schicksal mitgespielt: zwölf Tage ließ ich mich geduldig in der Quarantäne zu Aegina einsperren, um dann den classischen Boden Gräciums mit Muße durchwandern zu können — und nun brannte mir der Boden unter den Füßen, und ich hatte weder Rast noch Ruhe.

Athen, die Hauptstadt des einstigen Staates Attika, soll in den Jahren 1390-1400 vor Christi Geburt von Kekrops gegründet worden sein, und damals den Namen Kekropia erhalten haben, der in der folgenden Zeit nur der Burg eigen blieb. Unter Erichtonius erhielt die Stadt den Namen „Athen.“ Die ursprüngliche Stadt lag auf einem Felshügel mitten in einer Ebene, welche in der Folge mit Gebäuden überdeckt wurde; der obere Theil hieß die „Akropolis,“ der untere die „Katapolis.“ Jetzt liegt nur mehr ein Theil der Festung, die berühmte Akropolis, auf dem Berge, welcher die größten Kunstwerke Athens enthält. Die Hauptzierde war der Tempel der Minerva oder das Parthenon; noch in seinen Trümmern zieht es die Bewunderung der Welt auf sich. Das Gebäude soll 215 Fuß lang, 97 Fuß breit und 70 Fuß hoch gewesen sein; hier stand die Bildsäule der Minerva von Phidias. Dieses Meisterwerk der Bildhauerkunst war aus Elfenbein und Gold, 46 Fuß hoch und soll über 2000 Pfund gewogen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0322" n="314"/>
wenn es eine Gelegenheit dazu gegeben hätte; aber ich mußte auf den nächsten Tag warten, denn da erst ging ein Dampfer ab. Ich traf sogleich Anstalt, um mitzugehen und nahm dann, mehr um mich zu zerstreuen als aus Interesse, einen Cicerone, der mich an alle merkwürdigen Orte der Stadt führen sollte.</p>
        <p>Grausam hatte mir das Schicksal mitgespielt: zwölf Tage ließ ich mich geduldig in der Quarantäne zu <hi rendition="#aq">Aegina</hi> einsperren, um dann den classischen Boden Gräciums mit Muße durchwandern zu können &#x2014; und nun brannte mir der Boden unter den Füßen, und ich hatte weder Rast noch Ruhe.</p>
        <p><hi rendition="#aq">Athen</hi>, die Hauptstadt des einstigen Staates <hi rendition="#aq">Attika</hi>, soll in den Jahren 1390-1400 vor Christi Geburt von Kekrops gegründet worden sein, und damals den Namen Kekropia erhalten haben, der in der folgenden Zeit nur der Burg eigen blieb. Unter Erichtonius erhielt die Stadt den Namen &#x201E;<hi rendition="#aq">Athen</hi>.&#x201C; Die ursprüngliche Stadt lag auf einem Felshügel mitten in einer Ebene, welche in der Folge mit Gebäuden überdeckt wurde; der obere Theil hieß die &#x201E;<hi rendition="#aq">Akropolis</hi>,&#x201C; der untere die &#x201E;<hi rendition="#aq">Katapolis</hi>.&#x201C; Jetzt liegt nur mehr ein Theil der Festung, die berühmte <hi rendition="#aq">Akropolis</hi>, auf dem Berge, welcher die größten Kunstwerke <hi rendition="#aq">Athens</hi> enthält. Die Hauptzierde war der Tempel der Minerva oder das Parthenon; noch in seinen Trümmern zieht es die Bewunderung der Welt auf sich. Das Gebäude soll 215 Fuß lang, 97 Fuß breit und 70 Fuß hoch gewesen sein; hier stand die Bildsäule der Minerva von Phidias. Dieses Meisterwerk der Bildhauerkunst war aus Elfenbein und Gold, 46 Fuß hoch und soll über 2000 Pfund gewogen
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[314/0322] wenn es eine Gelegenheit dazu gegeben hätte; aber ich mußte auf den nächsten Tag warten, denn da erst ging ein Dampfer ab. Ich traf sogleich Anstalt, um mitzugehen und nahm dann, mehr um mich zu zerstreuen als aus Interesse, einen Cicerone, der mich an alle merkwürdigen Orte der Stadt führen sollte. Grausam hatte mir das Schicksal mitgespielt: zwölf Tage ließ ich mich geduldig in der Quarantäne zu Aegina einsperren, um dann den classischen Boden Gräciums mit Muße durchwandern zu können — und nun brannte mir der Boden unter den Füßen, und ich hatte weder Rast noch Ruhe. Athen, die Hauptstadt des einstigen Staates Attika, soll in den Jahren 1390-1400 vor Christi Geburt von Kekrops gegründet worden sein, und damals den Namen Kekropia erhalten haben, der in der folgenden Zeit nur der Burg eigen blieb. Unter Erichtonius erhielt die Stadt den Namen „Athen.“ Die ursprüngliche Stadt lag auf einem Felshügel mitten in einer Ebene, welche in der Folge mit Gebäuden überdeckt wurde; der obere Theil hieß die „Akropolis,“ der untere die „Katapolis.“ Jetzt liegt nur mehr ein Theil der Festung, die berühmte Akropolis, auf dem Berge, welcher die größten Kunstwerke Athens enthält. Die Hauptzierde war der Tempel der Minerva oder das Parthenon; noch in seinen Trümmern zieht es die Bewunderung der Welt auf sich. Das Gebäude soll 215 Fuß lang, 97 Fuß breit und 70 Fuß hoch gewesen sein; hier stand die Bildsäule der Minerva von Phidias. Dieses Meisterwerk der Bildhauerkunst war aus Elfenbein und Gold, 46 Fuß hoch und soll über 2000 Pfund gewogen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Sophie: A digital library of works by german-speaking women: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-06-28T07:11:29Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition (2013-06-28T07:11:29Z)
Bayerische Staatsbibliothek Digital: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-06-28T07:11:29Z)

Weitere Informationen:

  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert
  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein
  • Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.) sind nicht konsequent wie in der Vorlage gekennzeichnet



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pfeiffer_frauenfahrt03_1850
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pfeiffer_frauenfahrt03_1850/322
Zitationshilfe: Pfeiffer, Ida: Eine Frauenfahrt um die Welt, Band 3. Wien, 1850, S. 314. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pfeiffer_frauenfahrt03_1850/322>, abgerufen am 28.11.2024.