Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pfeiffer, Ida: Eine Frauenfahrt um die Welt, Band 3. Wien, 1850.

Bild:
<< vorherige Seite

gepflanzt, in unvergleichlicher Pracht und Fülle gediehen. Doppelt steigt ihr Werth, da man gewiß ist, einen Brunnen oder eine Cisterne darunter zu finden.

9. Februar. Indergur, ein kleines, unbedeutendes Städtchen. Wir rückten heute dem niedern Gebirge, das wir schon gestern gesehen hatten, bedeutend näher, bald befanden wir uns in engen Thälern, deren Ausgang hohe Felswände zu versperren schienen. Auf einigen der höchsten Felsgipfel standen kleine Kioske, dem Andenken der Sutti's geweiht. Sutti heißen jene Frauen, die sich mit der Leiche ihres Mannes verbrennen lassen. Sie werden nach der Behauptung der Hindus dazu nicht gezwungen. Die Verwandten verspotten und verachten sie aber, wenn sie es nicht thun und sie sind aus der menschlichen Gesellschaft verstoßen; gewöhnlich geben daher die Armen ihre freiwillige Zustimmung. Sie werden herrlich gekleidet und geschmückt und durch Opium oft bis zum Wahnsinn betäubt, unter Jubel und Gesang an den Ort geführt, wo die Leiche ihres Mannes, in weißen Musselin gewickelt auf dem Scheiterhaufen liegt. In dem Augenblick als sich das Opfer über die Leiche wirft, wird der Holzstoß von allen Seiten angezündet. Zu gleicher Zeit ertönt eine lärmende Musik und Alles fängt zu schreien und zu fingen an, um das Geheul des armen Weibes zu übertäuben. Die Gebeine werden nach der Verbrennung gesammelt, in eine Urne gegeben und auf irgend einer Anhöhe unter einem kleinen Denkmale vergraben. Nur die Gemahlinnen (darunter nur die erste oder die Lieblings-Gemahlin) der Reichen oder Vornehmen haben das Glück verbrannt zu werden. Seit der Eroberung Hindostans

gepflanzt, in unvergleichlicher Pracht und Fülle gediehen. Doppelt steigt ihr Werth, da man gewiß ist, einen Brunnen oder eine Cisterne darunter zu finden.

9. Februar. Indergur, ein kleines, unbedeutendes Städtchen. Wir rückten heute dem niedern Gebirge, das wir schon gestern gesehen hatten, bedeutend näher, bald befanden wir uns in engen Thälern, deren Ausgang hohe Felswände zu versperren schienen. Auf einigen der höchsten Felsgipfel standen kleine Kioske, dem Andenken der Sutti’s geweiht. Sutti heißen jene Frauen, die sich mit der Leiche ihres Mannes verbrennen lassen. Sie werden nach der Behauptung der Hindus dazu nicht gezwungen. Die Verwandten verspotten und verachten sie aber, wenn sie es nicht thun und sie sind aus der menschlichen Gesellschaft verstoßen; gewöhnlich geben daher die Armen ihre freiwillige Zustimmung. Sie werden herrlich gekleidet und geschmückt und durch Opium oft bis zum Wahnsinn betäubt, unter Jubel und Gesang an den Ort geführt, wo die Leiche ihres Mannes, in weißen Musselin gewickelt auf dem Scheiterhaufen liegt. In dem Augenblick als sich das Opfer über die Leiche wirft, wird der Holzstoß von allen Seiten angezündet. Zu gleicher Zeit ertönt eine lärmende Musik und Alles fängt zu schreien und zu fingen an, um das Geheul des armen Weibes zu übertäuben. Die Gebeine werden nach der Verbrennung gesammelt, in eine Urne gegeben und auf irgend einer Anhöhe unter einem kleinen Denkmale vergraben. Nur die Gemahlinnen (darunter nur die erste oder die Lieblings-Gemahlin) der Reichen oder Vornehmen haben das Glück verbrannt zu werden. Seit der Eroberung Hindostans

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0023" n="15"/>
gepflanzt, in unvergleichlicher Pracht und Fülle gediehen. Doppelt steigt ihr Werth, da man gewiß ist, einen Brunnen oder eine Cisterne darunter zu finden.</p>
        <p>9. Februar. <hi rendition="#aq">Indergur</hi>, ein kleines, unbedeutendes Städtchen. Wir rückten heute dem niedern Gebirge, das wir schon gestern gesehen hatten, bedeutend näher, bald befanden wir uns in engen Thälern, deren Ausgang hohe Felswände zu versperren schienen. Auf einigen der höchsten Felsgipfel standen kleine Kioske, dem Andenken der <hi rendition="#aq">Sutti&#x2019;s</hi> geweiht. <hi rendition="#aq">Sutti</hi> heißen jene Frauen, die sich mit der Leiche ihres Mannes verbrennen lassen. Sie werden nach der Behauptung der Hindus dazu nicht gezwungen. Die Verwandten verspotten und verachten sie aber, wenn sie es nicht thun und sie sind aus der menschlichen Gesellschaft verstoßen; gewöhnlich geben daher die Armen ihre freiwillige Zustimmung. Sie werden herrlich gekleidet und geschmückt und durch Opium oft bis zum Wahnsinn betäubt, unter Jubel und Gesang an den Ort geführt, wo die Leiche ihres Mannes, in weißen Musselin gewickelt auf dem Scheiterhaufen liegt. In dem Augenblick als sich das Opfer über die Leiche wirft, wird der Holzstoß von allen Seiten angezündet. Zu gleicher Zeit ertönt eine lärmende Musik und Alles fängt zu schreien und zu fingen an, um das Geheul des armen Weibes zu übertäuben. Die Gebeine werden nach der Verbrennung gesammelt, in eine Urne gegeben und auf irgend einer Anhöhe unter einem kleinen Denkmale vergraben. Nur die Gemahlinnen (darunter nur die erste oder die Lieblings-Gemahlin) der Reichen oder Vornehmen haben das Glück verbrannt zu werden. Seit der Eroberung Hindostans
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[15/0023] gepflanzt, in unvergleichlicher Pracht und Fülle gediehen. Doppelt steigt ihr Werth, da man gewiß ist, einen Brunnen oder eine Cisterne darunter zu finden. 9. Februar. Indergur, ein kleines, unbedeutendes Städtchen. Wir rückten heute dem niedern Gebirge, das wir schon gestern gesehen hatten, bedeutend näher, bald befanden wir uns in engen Thälern, deren Ausgang hohe Felswände zu versperren schienen. Auf einigen der höchsten Felsgipfel standen kleine Kioske, dem Andenken der Sutti’s geweiht. Sutti heißen jene Frauen, die sich mit der Leiche ihres Mannes verbrennen lassen. Sie werden nach der Behauptung der Hindus dazu nicht gezwungen. Die Verwandten verspotten und verachten sie aber, wenn sie es nicht thun und sie sind aus der menschlichen Gesellschaft verstoßen; gewöhnlich geben daher die Armen ihre freiwillige Zustimmung. Sie werden herrlich gekleidet und geschmückt und durch Opium oft bis zum Wahnsinn betäubt, unter Jubel und Gesang an den Ort geführt, wo die Leiche ihres Mannes, in weißen Musselin gewickelt auf dem Scheiterhaufen liegt. In dem Augenblick als sich das Opfer über die Leiche wirft, wird der Holzstoß von allen Seiten angezündet. Zu gleicher Zeit ertönt eine lärmende Musik und Alles fängt zu schreien und zu fingen an, um das Geheul des armen Weibes zu übertäuben. Die Gebeine werden nach der Verbrennung gesammelt, in eine Urne gegeben und auf irgend einer Anhöhe unter einem kleinen Denkmale vergraben. Nur die Gemahlinnen (darunter nur die erste oder die Lieblings-Gemahlin) der Reichen oder Vornehmen haben das Glück verbrannt zu werden. Seit der Eroberung Hindostans

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Sophie: A digital library of works by german-speaking women: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-06-28T07:11:29Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition (2013-06-28T07:11:29Z)
Bayerische Staatsbibliothek Digital: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-06-28T07:11:29Z)

Weitere Informationen:

  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert
  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein
  • Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.) sind nicht konsequent wie in der Vorlage gekennzeichnet



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pfeiffer_frauenfahrt03_1850
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pfeiffer_frauenfahrt03_1850/23
Zitationshilfe: Pfeiffer, Ida: Eine Frauenfahrt um die Welt, Band 3. Wien, 1850, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pfeiffer_frauenfahrt03_1850/23>, abgerufen am 27.11.2024.