Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pfeiffer, Ida: Eine Frauenfahrt um die Welt, Band 3. Wien, 1850.

Bild:
<< vorherige Seite

so hätte ich mir heute ein treffliches Mahl von Schildkröten bereiten können. Ich sah deren viele am Wege, an kleinen Bächen, selbst auf den Feldern, und hätte sie nur aufheben dürfen. Aber dann Holz suchen, Feuer anmachen und kochen? -- nein, -- ich zog es vor, ein Stückchen Brot und eine Gurke in gemüthlicher Ruhe zu verzehren.

29. Juli. Heute Morgen gingen wir in drei Stunden nach dem Dörfchen Mahomed-Schar. Zu meinem Erstaunen machte hier mein Führer Anstalt zu bleiben. Ich drang auf die Fortsetzung der Reise; allein er erklärte mir, daß er ohne Karavane nicht weiter gehen könne, da wir die gefährlichste Stelle der Reise vor uns hätten. Dabei wies er auf ein Paar Dutzend Pferde, die im nahen Stoppelfelde weideten und suchte mir verständlich zu machen, daß in einigen Stunden eine Karavane desselben Weges ziehen würde. Der ganze Tag verstrich und die Karavane erschien nicht. Ich hielt meinen Führer für einen Betrüger und war im höchsten Grade aufgebracht, als er mir des Abends meinen Mantel auf dem Boden zum Schlafen zurecht machte. Nun galt es, meine ganze moralische Kraft zusammen zu nehmen und dem Menschen zu zeigen, daß ich mich nicht gleich einem Kinde behandeln ließe und hier verweilen würde, so lange es ihn beliebe. Leider fehlte es mir an Worten, ihn tüchtig auszuschelten; ich raffte den Mantel auf, warf ihm selben vor die Füße und erklärte ihm, den Rest der Zahlung vorzuenthalten, wenn er mich nicht morgen, als dem dritten Tage, nach Oromia brächte. Ich wandte ihm hierauf den Rücken (eine der größten Beleidigungen), setzte mich zur Erde, stützte den Kopf in die Hände und überließ mich einer großen

so hätte ich mir heute ein treffliches Mahl von Schildkröten bereiten können. Ich sah deren viele am Wege, an kleinen Bächen, selbst auf den Feldern, und hätte sie nur aufheben dürfen. Aber dann Holz suchen, Feuer anmachen und kochen? — nein, — ich zog es vor, ein Stückchen Brot und eine Gurke in gemüthlicher Ruhe zu verzehren.

29. Juli. Heute Morgen gingen wir in drei Stunden nach dem Dörfchen Mahomed-Schar. Zu meinem Erstaunen machte hier mein Führer Anstalt zu bleiben. Ich drang auf die Fortsetzung der Reise; allein er erklärte mir, daß er ohne Karavane nicht weiter gehen könne, da wir die gefährlichste Stelle der Reise vor uns hätten. Dabei wies er auf ein Paar Dutzend Pferde, die im nahen Stoppelfelde weideten und suchte mir verständlich zu machen, daß in einigen Stunden eine Karavane desselben Weges ziehen würde. Der ganze Tag verstrich und die Karavane erschien nicht. Ich hielt meinen Führer für einen Betrüger und war im höchsten Grade aufgebracht, als er mir des Abends meinen Mantel auf dem Boden zum Schlafen zurecht machte. Nun galt es, meine ganze moralische Kraft zusammen zu nehmen und dem Menschen zu zeigen, daß ich mich nicht gleich einem Kinde behandeln ließe und hier verweilen würde, so lange es ihn beliebe. Leider fehlte es mir an Worten, ihn tüchtig auszuschelten; ich raffte den Mantel auf, warf ihm selben vor die Füße und erklärte ihm, den Rest der Zahlung vorzuenthalten, wenn er mich nicht morgen, als dem dritten Tage, nach Oromia brächte. Ich wandte ihm hierauf den Rücken (eine der größten Beleidigungen), setzte mich zur Erde, stützte den Kopf in die Hände und überließ mich einer großen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0208" n="200"/>
so hätte ich mir heute ein treffliches Mahl von Schildkröten bereiten können. Ich sah deren viele am Wege, an kleinen Bächen, selbst auf den Feldern, und hätte sie nur aufheben dürfen. Aber dann Holz suchen, Feuer anmachen und kochen? &#x2014; nein, &#x2014; ich zog es vor, ein Stückchen Brot und eine Gurke in gemüthlicher Ruhe zu verzehren.</p>
        <p>29. Juli. Heute Morgen gingen wir in drei Stunden nach dem Dörfchen <hi rendition="#aq">Mahomed-Schar</hi>. Zu meinem Erstaunen machte hier mein Führer Anstalt zu bleiben. Ich drang auf die Fortsetzung der Reise; allein er erklärte mir, daß er ohne Karavane nicht weiter gehen könne, da wir die gefährlichste Stelle der Reise vor uns hätten. Dabei wies er auf ein Paar Dutzend Pferde, die im nahen Stoppelfelde weideten und suchte mir verständlich zu machen, daß in einigen Stunden eine Karavane desselben Weges ziehen würde. Der ganze Tag verstrich und die Karavane erschien nicht. Ich hielt meinen Führer für einen Betrüger und war im höchsten Grade aufgebracht, als er mir des Abends meinen Mantel auf dem Boden zum Schlafen zurecht machte. Nun galt es, meine ganze moralische Kraft zusammen zu nehmen und dem Menschen zu zeigen, daß ich mich nicht gleich einem Kinde behandeln ließe und hier verweilen würde, so lange es ihn beliebe. Leider fehlte es mir an Worten, ihn tüchtig auszuschelten; ich raffte den Mantel auf, warf ihm selben vor die Füße und erklärte ihm, den Rest der Zahlung vorzuenthalten, wenn er mich nicht morgen, als dem dritten Tage, nach <hi rendition="#aq">Oromia</hi> brächte. Ich wandte ihm hierauf den Rücken (eine der größten Beleidigungen), setzte mich zur Erde, stützte den Kopf in die Hände und überließ mich einer großen
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[200/0208] so hätte ich mir heute ein treffliches Mahl von Schildkröten bereiten können. Ich sah deren viele am Wege, an kleinen Bächen, selbst auf den Feldern, und hätte sie nur aufheben dürfen. Aber dann Holz suchen, Feuer anmachen und kochen? — nein, — ich zog es vor, ein Stückchen Brot und eine Gurke in gemüthlicher Ruhe zu verzehren. 29. Juli. Heute Morgen gingen wir in drei Stunden nach dem Dörfchen Mahomed-Schar. Zu meinem Erstaunen machte hier mein Führer Anstalt zu bleiben. Ich drang auf die Fortsetzung der Reise; allein er erklärte mir, daß er ohne Karavane nicht weiter gehen könne, da wir die gefährlichste Stelle der Reise vor uns hätten. Dabei wies er auf ein Paar Dutzend Pferde, die im nahen Stoppelfelde weideten und suchte mir verständlich zu machen, daß in einigen Stunden eine Karavane desselben Weges ziehen würde. Der ganze Tag verstrich und die Karavane erschien nicht. Ich hielt meinen Führer für einen Betrüger und war im höchsten Grade aufgebracht, als er mir des Abends meinen Mantel auf dem Boden zum Schlafen zurecht machte. Nun galt es, meine ganze moralische Kraft zusammen zu nehmen und dem Menschen zu zeigen, daß ich mich nicht gleich einem Kinde behandeln ließe und hier verweilen würde, so lange es ihn beliebe. Leider fehlte es mir an Worten, ihn tüchtig auszuschelten; ich raffte den Mantel auf, warf ihm selben vor die Füße und erklärte ihm, den Rest der Zahlung vorzuenthalten, wenn er mich nicht morgen, als dem dritten Tage, nach Oromia brächte. Ich wandte ihm hierauf den Rücken (eine der größten Beleidigungen), setzte mich zur Erde, stützte den Kopf in die Hände und überließ mich einer großen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Sophie: A digital library of works by german-speaking women: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-06-28T07:11:29Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition (2013-06-28T07:11:29Z)
Bayerische Staatsbibliothek Digital: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-06-28T07:11:29Z)

Weitere Informationen:

  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert
  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein
  • Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.) sind nicht konsequent wie in der Vorlage gekennzeichnet



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pfeiffer_frauenfahrt03_1850
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pfeiffer_frauenfahrt03_1850/208
Zitationshilfe: Pfeiffer, Ida: Eine Frauenfahrt um die Welt, Band 3. Wien, 1850, S. 200. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pfeiffer_frauenfahrt03_1850/208>, abgerufen am 27.11.2024.