Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pfeiffer, Ida: Eine Frauenfahrt um die Welt, Band 2. Wien, 1850.

Bild:
<< vorherige Seite

Holz errichtet, das sie uns als Absteigequartier anwiesen. Der Altar wurde sogleich mit einigen Speisen zierlich ausgestattet, die uns die sorgliche Hausfrau, Mad. Behn, mitgegeben hatte; allein, statt wie die Chinesen, sie den Göttern zu opfern, machten wir sündige Menschen uns darüber und verspeisten sie mit wahrem Heißhunger.

Als der Appetit gestillt war, wurde der mitgebrachten Schlange die Haut abgezogen und das Thier den Chinesen geschenkt. Diese gaben zu verstehen, daß sie selbe nicht berühren würden, worüber ich mich sehr wunderte, da die Chinesen alles essen. Später überzeugte ich mich aber, daß sie sich nur zum Schein so gestellt hatten, denn als wir nach mehreren Stunden von unserer Jagdpartie zurückkehrten, und ich die Laubhütten der Chinesen besuchte, fand ich sie in einer solchen vereint, vor einer großen Schüssel sitzend, in welcher gebratene Stücke Fleisch lagen, die ganz die runde Form der Schlange hatten. Die Leute wollten sie eilig verbergen; allein ich trat rasch hinzu, gab ihnen einiges Geld und bat sie, mich diese Speise kosten zu lassen. Ich fand das Fleisch außerordentlich zart und fein, sogar zarter als das Fleisch junger Hühner.

Doch ich bin voraus geeilt und habe vergessen, von unserer Jagdpartie zu erzählen. -- Wir frugen die Arbeitsleute, ob sie uns nicht die Spur eines Tigers anzugeben wüßten. Sie beschrieben uns eine Gegend im Walde, wo noch vor wenig Tagen solch ein Ungeheuer residirt haben sollte. Wir machten uns sogleich auf den Weg dahin. Das Vordringen im Walde war sehr beschwerlich: wir mußten viel über gefallene Baumstämme klettern, durch Gestrippe kriechen und Sümpfe überschreiten;

Holz errichtet, das sie uns als Absteigequartier anwiesen. Der Altar wurde sogleich mit einigen Speisen zierlich ausgestattet, die uns die sorgliche Hausfrau, Mad. Behn, mitgegeben hatte; allein, statt wie die Chinesen, sie den Göttern zu opfern, machten wir sündige Menschen uns darüber und verspeisten sie mit wahrem Heißhunger.

Als der Appetit gestillt war, wurde der mitgebrachten Schlange die Haut abgezogen und das Thier den Chinesen geschenkt. Diese gaben zu verstehen, daß sie selbe nicht berühren würden, worüber ich mich sehr wunderte, da die Chinesen alles essen. Später überzeugte ich mich aber, daß sie sich nur zum Schein so gestellt hatten, denn als wir nach mehreren Stunden von unserer Jagdpartie zurückkehrten, und ich die Laubhütten der Chinesen besuchte, fand ich sie in einer solchen vereint, vor einer großen Schüssel sitzend, in welcher gebratene Stücke Fleisch lagen, die ganz die runde Form der Schlange hatten. Die Leute wollten sie eilig verbergen; allein ich trat rasch hinzu, gab ihnen einiges Geld und bat sie, mich diese Speise kosten zu lassen. Ich fand das Fleisch außerordentlich zart und fein, sogar zarter als das Fleisch junger Hühner.

Doch ich bin voraus geeilt und habe vergessen, von unserer Jagdpartie zu erzählen. — Wir frugen die Arbeitsleute, ob sie uns nicht die Spur eines Tigers anzugeben wüßten. Sie beschrieben uns eine Gegend im Walde, wo noch vor wenig Tagen solch ein Ungeheuer residirt haben sollte. Wir machten uns sogleich auf den Weg dahin. Das Vordringen im Walde war sehr beschwerlich: wir mußten viel über gefallene Baumstämme klettern, durch Gestrippe kriechen und Sümpfe überschreiten;

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0085" n="78"/>
Holz errichtet, das sie uns als Absteigequartier anwiesen. Der Altar wurde sogleich mit einigen Speisen zierlich ausgestattet, die uns die sorgliche Hausfrau, Mad. Behn, mitgegeben hatte; allein, statt wie die Chinesen, sie den Göttern zu opfern, machten wir sündige Menschen uns darüber und verspeisten sie mit wahrem Heißhunger.</p>
          <p>Als der Appetit gestillt war, wurde der mitgebrachten Schlange die Haut abgezogen und das Thier den Chinesen geschenkt. Diese gaben zu verstehen, daß sie selbe nicht berühren würden, worüber ich mich sehr wunderte, da die Chinesen alles essen. Später überzeugte ich mich aber, daß sie sich nur zum Schein so gestellt hatten, denn als wir nach mehreren Stunden von unserer Jagdpartie zurückkehrten, und ich die Laubhütten der Chinesen besuchte, fand ich sie in einer solchen vereint, vor einer großen Schüssel sitzend, in welcher gebratene Stücke Fleisch lagen, die ganz die runde Form der Schlange hatten. Die Leute wollten sie eilig verbergen; allein ich trat rasch hinzu, gab ihnen einiges Geld und bat sie, mich diese Speise kosten zu lassen. Ich fand das Fleisch außerordentlich zart und fein, sogar zarter als das Fleisch junger Hühner.</p>
          <p>Doch ich bin voraus geeilt und habe vergessen, von unserer Jagdpartie zu erzählen. &#x2014; Wir frugen die Arbeitsleute, ob sie uns nicht die Spur eines Tigers anzugeben wüßten. Sie beschrieben uns eine Gegend im Walde, wo noch vor wenig Tagen solch ein Ungeheuer residirt haben sollte. Wir machten uns sogleich auf den Weg dahin. Das Vordringen im Walde war sehr beschwerlich: wir mußten viel über gefallene Baumstämme klettern, durch Gestrippe kriechen und Sümpfe überschreiten;</p>
          <p>
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[78/0085] Holz errichtet, das sie uns als Absteigequartier anwiesen. Der Altar wurde sogleich mit einigen Speisen zierlich ausgestattet, die uns die sorgliche Hausfrau, Mad. Behn, mitgegeben hatte; allein, statt wie die Chinesen, sie den Göttern zu opfern, machten wir sündige Menschen uns darüber und verspeisten sie mit wahrem Heißhunger. Als der Appetit gestillt war, wurde der mitgebrachten Schlange die Haut abgezogen und das Thier den Chinesen geschenkt. Diese gaben zu verstehen, daß sie selbe nicht berühren würden, worüber ich mich sehr wunderte, da die Chinesen alles essen. Später überzeugte ich mich aber, daß sie sich nur zum Schein so gestellt hatten, denn als wir nach mehreren Stunden von unserer Jagdpartie zurückkehrten, und ich die Laubhütten der Chinesen besuchte, fand ich sie in einer solchen vereint, vor einer großen Schüssel sitzend, in welcher gebratene Stücke Fleisch lagen, die ganz die runde Form der Schlange hatten. Die Leute wollten sie eilig verbergen; allein ich trat rasch hinzu, gab ihnen einiges Geld und bat sie, mich diese Speise kosten zu lassen. Ich fand das Fleisch außerordentlich zart und fein, sogar zarter als das Fleisch junger Hühner. Doch ich bin voraus geeilt und habe vergessen, von unserer Jagdpartie zu erzählen. — Wir frugen die Arbeitsleute, ob sie uns nicht die Spur eines Tigers anzugeben wüßten. Sie beschrieben uns eine Gegend im Walde, wo noch vor wenig Tagen solch ein Ungeheuer residirt haben sollte. Wir machten uns sogleich auf den Weg dahin. Das Vordringen im Walde war sehr beschwerlich: wir mußten viel über gefallene Baumstämme klettern, durch Gestrippe kriechen und Sümpfe überschreiten;

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Sophie: A digital library of works by german-speaking women: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-06-28T07:11:29Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition (2013-06-28T07:11:29Z)
Bayerische Staatsbibliothek Digital: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-06-28T07:11:29Z)

Weitere Informationen:

  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert
  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein
  • Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.) sind nicht konsequent wie in der Vorlage gekennzeichnet



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pfeiffer_frauenfahrt02_1850
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pfeiffer_frauenfahrt02_1850/85
Zitationshilfe: Pfeiffer, Ida: Eine Frauenfahrt um die Welt, Band 2. Wien, 1850, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pfeiffer_frauenfahrt02_1850/85>, abgerufen am 02.05.2024.