Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pfeiffer, Ida: Eine Frauenfahrt um die Welt, Band 2. Wien, 1850.

Bild:
<< vorherige Seite

ist ein widernatürliches Gesetz, ein empörender Gebrauch. Die Mädchen jeder Familie werden gewöhnlich als Kinder von einigen Monaten verlobt; wenn nun der Bräutigam zufällig gleich nach der Verlobung oder auch später stirbt, wird das Kind oder Mädchen als Witwe betrachtet und darf als solche nicht mehr heirathen. Sie werden dann gewöhnlich Tänzerinnen. -- Der Witwenstand wird für ein großes Unglück angesehen, weil man glaubt, daß nur jene Weiber in diesen Zustand versetzt werden, die es in einem vorhergehenden Leben verdient hätten. Der Indier darf nur ein Mädchen aus seinem Stamme heirathen.

Zu all den beschriebenen Sehenswürdigkeiten auf den Straßen gehören noch die Gaukler, Taschenspieler und Schlangenbändiger, die sich überall herumtreiben und stets von Haufen Neugieriger umgeben sind.

Von Gauklern sah ich einige Stücke, die mir wirklich unbegreiflich schienen. Sie spien Feuer aus dem Munde, wobei auch Rauch hervorging; sie mengten weißes, rothes, gelbes und blaues Pulver durcheinander, verschluckten es, und spien gleich darauf jedes trocken, in abgesonderter Farbe aus; sie schlugen die Augen nieder und als sie selbe wieder erhoben, erschien der Augenstern wie von Gold, dann neigten sie den Kopf vor und als sie ihn erhoben, hatte der Augenstern seine natürliche Farbe, dagegen waren die Zähne von Gold. Andere machten sich eine kleine Oeffnung in die Haut am Körper und zogen daraus viele, viele Ellen Zwirn, Seidefaden und schmale Bändchen heraus. Die Schlangenbezähmer hielten die Thiere am Schwanze und ließen sich selbe um Arme, Hals und Körper winden, -- sie faßten große

ist ein widernatürliches Gesetz, ein empörender Gebrauch. Die Mädchen jeder Familie werden gewöhnlich als Kinder von einigen Monaten verlobt; wenn nun der Bräutigam zufällig gleich nach der Verlobung oder auch später stirbt, wird das Kind oder Mädchen als Witwe betrachtet und darf als solche nicht mehr heirathen. Sie werden dann gewöhnlich Tänzerinnen. — Der Witwenstand wird für ein großes Unglück angesehen, weil man glaubt, daß nur jene Weiber in diesen Zustand versetzt werden, die es in einem vorhergehenden Leben verdient hätten. Der Indier darf nur ein Mädchen aus seinem Stamme heirathen.

Zu all den beschriebenen Sehenswürdigkeiten auf den Straßen gehören noch die Gaukler, Taschenspieler und Schlangenbändiger, die sich überall herumtreiben und stets von Haufen Neugieriger umgeben sind.

Von Gauklern sah ich einige Stücke, die mir wirklich unbegreiflich schienen. Sie spien Feuer aus dem Munde, wobei auch Rauch hervorging; sie mengten weißes, rothes, gelbes und blaues Pulver durcheinander, verschluckten es, und spien gleich darauf jedes trocken, in abgesonderter Farbe aus; sie schlugen die Augen nieder und als sie selbe wieder erhoben, erschien der Augenstern wie von Gold, dann neigten sie den Kopf vor und als sie ihn erhoben, hatte der Augenstern seine natürliche Farbe, dagegen waren die Zähne von Gold. Andere machten sich eine kleine Oeffnung in die Haut am Körper und zogen daraus viele, viele Ellen Zwirn, Seidefaden und schmale Bändchen heraus. Die Schlangenbezähmer hielten die Thiere am Schwanze und ließen sich selbe um Arme, Hals und Körper winden, — sie faßten große

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0218" n="211"/>
ist ein widernatürliches Gesetz, ein empörender Gebrauch. Die Mädchen jeder Familie werden gewöhnlich als Kinder von einigen Monaten verlobt; wenn nun der Bräutigam zufällig gleich nach der Verlobung oder auch später stirbt, wird das Kind oder Mädchen als Witwe betrachtet und darf als solche nicht mehr heirathen. Sie werden dann gewöhnlich Tänzerinnen. &#x2014; Der Witwenstand wird für ein großes Unglück angesehen, weil man glaubt, daß nur jene Weiber in diesen Zustand versetzt werden, die es in einem vorhergehenden Leben verdient hätten. Der Indier darf nur ein Mädchen aus seinem Stamme heirathen.</p>
          <p>Zu all den beschriebenen Sehenswürdigkeiten auf den Straßen gehören noch die Gaukler, Taschenspieler und Schlangenbändiger, die sich überall herumtreiben und stets von Haufen Neugieriger umgeben sind.</p>
          <p>Von Gauklern sah ich einige Stücke, die mir wirklich unbegreiflich schienen. Sie spien Feuer aus dem Munde, wobei auch Rauch hervorging; sie mengten weißes, rothes, gelbes und blaues Pulver durcheinander, verschluckten es, und spien gleich darauf jedes trocken, in abgesonderter Farbe aus; sie schlugen die Augen nieder und als sie selbe wieder erhoben, erschien der Augenstern wie von Gold, dann neigten sie den Kopf vor und als sie ihn erhoben, hatte der Augenstern seine natürliche Farbe, dagegen waren die Zähne von Gold. Andere machten sich eine kleine Oeffnung in die Haut am Körper und zogen daraus viele, viele Ellen Zwirn, Seidefaden und schmale Bändchen heraus. Die Schlangenbezähmer hielten die Thiere am Schwanze und ließen sich selbe um Arme, Hals und Körper winden, &#x2014; sie faßten große
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[211/0218] ist ein widernatürliches Gesetz, ein empörender Gebrauch. Die Mädchen jeder Familie werden gewöhnlich als Kinder von einigen Monaten verlobt; wenn nun der Bräutigam zufällig gleich nach der Verlobung oder auch später stirbt, wird das Kind oder Mädchen als Witwe betrachtet und darf als solche nicht mehr heirathen. Sie werden dann gewöhnlich Tänzerinnen. — Der Witwenstand wird für ein großes Unglück angesehen, weil man glaubt, daß nur jene Weiber in diesen Zustand versetzt werden, die es in einem vorhergehenden Leben verdient hätten. Der Indier darf nur ein Mädchen aus seinem Stamme heirathen. Zu all den beschriebenen Sehenswürdigkeiten auf den Straßen gehören noch die Gaukler, Taschenspieler und Schlangenbändiger, die sich überall herumtreiben und stets von Haufen Neugieriger umgeben sind. Von Gauklern sah ich einige Stücke, die mir wirklich unbegreiflich schienen. Sie spien Feuer aus dem Munde, wobei auch Rauch hervorging; sie mengten weißes, rothes, gelbes und blaues Pulver durcheinander, verschluckten es, und spien gleich darauf jedes trocken, in abgesonderter Farbe aus; sie schlugen die Augen nieder und als sie selbe wieder erhoben, erschien der Augenstern wie von Gold, dann neigten sie den Kopf vor und als sie ihn erhoben, hatte der Augenstern seine natürliche Farbe, dagegen waren die Zähne von Gold. Andere machten sich eine kleine Oeffnung in die Haut am Körper und zogen daraus viele, viele Ellen Zwirn, Seidefaden und schmale Bändchen heraus. Die Schlangenbezähmer hielten die Thiere am Schwanze und ließen sich selbe um Arme, Hals und Körper winden, — sie faßten große

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Sophie: A digital library of works by german-speaking women: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-06-28T07:11:29Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition (2013-06-28T07:11:29Z)
Bayerische Staatsbibliothek Digital: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-06-28T07:11:29Z)

Weitere Informationen:

  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert
  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein
  • Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.) sind nicht konsequent wie in der Vorlage gekennzeichnet



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pfeiffer_frauenfahrt02_1850
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pfeiffer_frauenfahrt02_1850/218
Zitationshilfe: Pfeiffer, Ida: Eine Frauenfahrt um die Welt, Band 2. Wien, 1850, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pfeiffer_frauenfahrt02_1850/218>, abgerufen am 01.05.2024.