Pfeiffer, Ida: Eine Frauenfahrt um die Welt, Band 2. Wien, 1850.danken hätte, von dem Volke nicht gröblichst beleidigt, ja wohl gar gesteinigt worden zu sein. In solch einem Falle würde mein Führer die Flucht ergriffen und mich meinem Schicksale überlassen haben. Wohl hatte ich auf dem Wege vom Schiffe bis zur Faktorei bemerkt, daß Alt und Jung mir nachschrie und nachsah, mit Fingern nach mir wies, daß die Leute aus den Buden liefen und daß sich sogar nach und nach ein mich begleitender Zug bildete. Was blieb mir wohl übrig, als gute Miene zum bösen Spiel zu machen, -- ich schritt furchtlos weiter, und vielleicht gerade weil ich keine Furcht zeigte, geschah mir auch nichts. Ich war ebenfalls Willens gewesen, nicht lange in Canton zu verweilen, indem seit dem letzten Kriege der Engländer mit den Chinesen die Europäer sich hier weniger als je sehen lassen dürfen. Noch mehr gilt dieser Haß den Frauen, da es in einer der chinesischen Prophezeihungen heißt, daß einst eine Frau das himmlische Reich erobern werde. Ich machte mir daher wenig Hoffnung, hier etwas zu sehen, und gedachte, meine Wanderung nach dem Norden Chinas, nach dem Hafen Tschang-hai fortzusetzen, wo es, wie man mir sagte, leichter sein soll sich unter Volk und Adel Zutritt zu verschaffen. Glücklicherweise lernte ich einen Deutschen, Herrn v. Carlovitz kennen, der bereits einige Jahre in Canton zugebracht hatte. Er nahm einiges Interesse an mir und bot sich sogar zu meinem Mentor an, unter der Bedingung, daß ich mich mit Geduld waffnen wolle, bis die europäische Post, die in einigen Tagen erwartet werde *) *) Die europäische Post kommt jeden Monat nur einmal.
danken hätte, von dem Volke nicht gröblichst beleidigt, ja wohl gar gesteinigt worden zu sein. In solch einem Falle würde mein Führer die Flucht ergriffen und mich meinem Schicksale überlassen haben. Wohl hatte ich auf dem Wege vom Schiffe bis zur Faktorei bemerkt, daß Alt und Jung mir nachschrie und nachsah, mit Fingern nach mir wies, daß die Leute aus den Buden liefen und daß sich sogar nach und nach ein mich begleitender Zug bildete. Was blieb mir wohl übrig, als gute Miene zum bösen Spiel zu machen, — ich schritt furchtlos weiter, und vielleicht gerade weil ich keine Furcht zeigte, geschah mir auch nichts. Ich war ebenfalls Willens gewesen, nicht lange in Canton zu verweilen, indem seit dem letzten Kriege der Engländer mit den Chinesen die Europäer sich hier weniger als je sehen lassen dürfen. Noch mehr gilt dieser Haß den Frauen, da es in einer der chinesischen Prophezeihungen heißt, daß einst eine Frau das himmlische Reich erobern werde. Ich machte mir daher wenig Hoffnung, hier etwas zu sehen, und gedachte, meine Wanderung nach dem Norden Chinas, nach dem Hafen Tschang-hai fortzusetzen, wo es, wie man mir sagte, leichter sein soll sich unter Volk und Adel Zutritt zu verschaffen. Glücklicherweise lernte ich einen Deutschen, Herrn v. Carlovitz kennen, der bereits einige Jahre in Canton zugebracht hatte. Er nahm einiges Interesse an mir und bot sich sogar zu meinem Mentor an, unter der Bedingung, daß ich mich mit Geduld waffnen wolle, bis die europäische Post, die in einigen Tagen erwartet werde *) *) Die europäische Post kommt jeden Monat nur einmal.
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danken hätte, von dem Volke nicht gröblichst beleidigt, ja wohl gar gesteinigt worden zu sein. In solch einem Falle würde mein Führer die Flucht ergriffen und mich meinem Schicksale überlassen haben.
Wohl hatte ich auf dem Wege vom Schiffe bis zur Faktorei bemerkt, daß Alt und Jung mir nachschrie und nachsah, mit Fingern nach mir wies, daß die Leute aus den Buden liefen und daß sich sogar nach und nach ein mich begleitender Zug bildete. Was blieb mir wohl übrig, als gute Miene zum bösen Spiel zu machen, — ich schritt furchtlos weiter, und vielleicht gerade weil ich keine Furcht zeigte, geschah mir auch nichts.
Ich war ebenfalls Willens gewesen, nicht lange in Canton zu verweilen, indem seit dem letzten Kriege der Engländer mit den Chinesen die Europäer sich hier weniger als je sehen lassen dürfen. Noch mehr gilt dieser Haß den Frauen, da es in einer der chinesischen Prophezeihungen heißt, daß einst eine Frau das himmlische Reich erobern werde. Ich machte mir daher wenig Hoffnung, hier etwas zu sehen, und gedachte, meine Wanderung nach dem Norden Chinas, nach dem Hafen Tschang-hai fortzusetzen, wo es, wie man mir sagte, leichter sein soll sich unter Volk und Adel Zutritt zu verschaffen.
Glücklicherweise lernte ich einen Deutschen, Herrn v. Carlovitz kennen, der bereits einige Jahre in Canton zugebracht hatte. Er nahm einiges Interesse an mir und bot sich sogar zu meinem Mentor an, unter der Bedingung, daß ich mich mit Geduld waffnen wolle, bis die europäische Post, die in einigen Tagen erwartet werde *)
*) Die europäische Post kommt jeden Monat nur einmal.
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Zitationshilfe: | Pfeiffer, Ida: Eine Frauenfahrt um die Welt, Band 2. Wien, 1850, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pfeiffer_frauenfahrt02_1850/20>, abgerufen am 16.07.2024. |