Pfeiffer, Ida: Eine Frauenfahrt um die Welt, Band 2. Wien, 1850.überaus reizend. Viele behaupten zwar, daß die Berge gar zu nahe seien, und daß Kandy eigentlich in einem Kessel liege. Jedenfalls ist aber dieser Kessel reizend, um so mehr, als er in der üppigsten Vegetation erblüht. Das Städtchen ist klein und häßlich: man sieht nichts als einen Haufen kleiner Kramläden, vor welchen sich die Eingebornen umhertreiben. Die wenigen Häuser der Europäer, die Geschäftslokale und Kasernen, liegen außer der Stadt auf kleinen Hügeln. Große, künstlich angelegte Wasserbecken, von herrlichem, durchbrochen gearbeitetem Mauerwerke umgeben und von Alleen der mächtigen Tulpenbäume beschattet, füllen einen Theil des Thales aus. An einem dieser künstlichen Teiche liegt der berühmte Buddha-Tempel Dagoha, der im maurisch-hindostanischen Style aufgeführt und reichlich mit Verzierungen ausgestattet ist. Als ich die Postkutsche verließ, empfahl mir einer der Reisenden einen guten Gasthof und hatte noch die Güte, einen Eingebornen herbei zu rufen und ihm den Ort zu erklären, wohin er mich zu führen habe. Als ich am Gasthofe ankam, bedauerte man sehr, kein leeres Zimmer mehr zu haben. Ich bat die Leute, meinem Führer ein anderes Haus anzuzeigen, was sie auch thaten. Der Bursche führte mich hierauf von dem Städchen weg, wies nach einem nahen Hügel, und bedeutete mir, daß hinter diesem das Gasthaus liege. Ich glaubte es ihm, da ich sah, daß alle Gebäude weit von einander lagen. Als ich aber auf dem Hügel ankam, sah ich statt des Hauses eine etwas entlegene Gegend und einen Wald. Ich wollte zurück; doch der Kerl merkte nicht auf mich und schritt dem Walde zu. Ich riß ihm mein Felleisen von der Schulter überaus reizend. Viele behaupten zwar, daß die Berge gar zu nahe seien, und daß Kandy eigentlich in einem Kessel liege. Jedenfalls ist aber dieser Kessel reizend, um so mehr, als er in der üppigsten Vegetation erblüht. Das Städtchen ist klein und häßlich: man sieht nichts als einen Haufen kleiner Kramläden, vor welchen sich die Eingebornen umhertreiben. Die wenigen Häuser der Europäer, die Geschäftslokale und Kasernen, liegen außer der Stadt auf kleinen Hügeln. Große, künstlich angelegte Wasserbecken, von herrlichem, durchbrochen gearbeitetem Mauerwerke umgeben und von Alleen der mächtigen Tulpenbäume beschattet, füllen einen Theil des Thales aus. An einem dieser künstlichen Teiche liegt der berühmte Buddha-Tempel Dagoha, der im maurisch-hindostanischen Style aufgeführt und reichlich mit Verzierungen ausgestattet ist. Als ich die Postkutsche verließ, empfahl mir einer der Reisenden einen guten Gasthof und hatte noch die Güte, einen Eingebornen herbei zu rufen und ihm den Ort zu erklären, wohin er mich zu führen habe. Als ich am Gasthofe ankam, bedauerte man sehr, kein leeres Zimmer mehr zu haben. Ich bat die Leute, meinem Führer ein anderes Haus anzuzeigen, was sie auch thaten. Der Bursche führte mich hierauf von dem Städchen weg, wies nach einem nahen Hügel, und bedeutete mir, daß hinter diesem das Gasthaus liege. Ich glaubte es ihm, da ich sah, daß alle Gebäude weit von einander lagen. Als ich aber auf dem Hügel ankam, sah ich statt des Hauses eine etwas entlegene Gegend und einen Wald. Ich wollte zurück; doch der Kerl merkte nicht auf mich und schritt dem Walde zu. Ich riß ihm mein Felleisen von der Schulter <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0107" n="100"/> überaus reizend. Viele behaupten zwar, daß die Berge gar zu nahe seien, und daß Kandy eigentlich in einem Kessel liege. Jedenfalls ist aber dieser Kessel reizend, um so mehr, als er in der üppigsten Vegetation erblüht. Das Städtchen ist klein und häßlich: man sieht nichts als einen Haufen kleiner Kramläden, vor welchen sich die Eingebornen umhertreiben. Die wenigen Häuser der Europäer, die Geschäftslokale und Kasernen, liegen außer der Stadt auf kleinen Hügeln. Große, künstlich angelegte Wasserbecken, von herrlichem, durchbrochen gearbeitetem Mauerwerke umgeben und von Alleen der mächtigen Tulpenbäume beschattet, füllen einen Theil des Thales aus. An einem dieser künstlichen Teiche liegt der berühmte Buddha-Tempel Dagoha, der im maurisch-hindostanischen Style aufgeführt und reichlich mit Verzierungen ausgestattet ist.</p> <p>Als ich die Postkutsche verließ, empfahl mir einer der Reisenden einen guten Gasthof und hatte noch die Güte, einen Eingebornen herbei zu rufen und ihm den Ort zu erklären, wohin er mich zu führen habe. Als ich am Gasthofe ankam, bedauerte man sehr, kein leeres Zimmer mehr zu haben. Ich bat die Leute, meinem Führer ein anderes Haus anzuzeigen, was sie auch thaten. Der Bursche führte mich hierauf von dem Städchen weg, wies nach einem nahen Hügel, und bedeutete mir, daß hinter diesem das Gasthaus liege. Ich glaubte es ihm, da ich sah, daß alle Gebäude weit von einander lagen. Als ich aber auf dem Hügel ankam, sah ich statt des Hauses eine etwas entlegene Gegend und einen Wald. Ich wollte zurück; doch der Kerl merkte nicht auf mich und schritt dem Walde zu. Ich riß ihm mein Felleisen von der Schulter </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [100/0107]
überaus reizend. Viele behaupten zwar, daß die Berge gar zu nahe seien, und daß Kandy eigentlich in einem Kessel liege. Jedenfalls ist aber dieser Kessel reizend, um so mehr, als er in der üppigsten Vegetation erblüht. Das Städtchen ist klein und häßlich: man sieht nichts als einen Haufen kleiner Kramläden, vor welchen sich die Eingebornen umhertreiben. Die wenigen Häuser der Europäer, die Geschäftslokale und Kasernen, liegen außer der Stadt auf kleinen Hügeln. Große, künstlich angelegte Wasserbecken, von herrlichem, durchbrochen gearbeitetem Mauerwerke umgeben und von Alleen der mächtigen Tulpenbäume beschattet, füllen einen Theil des Thales aus. An einem dieser künstlichen Teiche liegt der berühmte Buddha-Tempel Dagoha, der im maurisch-hindostanischen Style aufgeführt und reichlich mit Verzierungen ausgestattet ist.
Als ich die Postkutsche verließ, empfahl mir einer der Reisenden einen guten Gasthof und hatte noch die Güte, einen Eingebornen herbei zu rufen und ihm den Ort zu erklären, wohin er mich zu führen habe. Als ich am Gasthofe ankam, bedauerte man sehr, kein leeres Zimmer mehr zu haben. Ich bat die Leute, meinem Führer ein anderes Haus anzuzeigen, was sie auch thaten. Der Bursche führte mich hierauf von dem Städchen weg, wies nach einem nahen Hügel, und bedeutete mir, daß hinter diesem das Gasthaus liege. Ich glaubte es ihm, da ich sah, daß alle Gebäude weit von einander lagen. Als ich aber auf dem Hügel ankam, sah ich statt des Hauses eine etwas entlegene Gegend und einen Wald. Ich wollte zurück; doch der Kerl merkte nicht auf mich und schritt dem Walde zu. Ich riß ihm mein Felleisen von der Schulter
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Zitationshilfe: | Pfeiffer, Ida: Eine Frauenfahrt um die Welt, Band 2. Wien, 1850, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pfeiffer_frauenfahrt02_1850/107>, abgerufen am 16.02.2025. |