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Pfeiffer, Ida: Eine Frauenfahrt um die Welt, Band 1. Wien, 1850.

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Es wurde beinahe dunkel bis wir den Ankerplatz erreichten. Erst mußten wir bei St. Cruz anhalten und Auskunft geben, dann auf einen Offizier warten, der die Pässe und versiegelten Briefe in Empfang nahm, dann auf den Arzt, der uns betrachtete, ob wir vielleicht nicht die Pest oder das gelbe Fieber mitbrächten, und endlich wieder auf einen Offizier, der verschiedene Pakete und Kistchen in Empfang nahm, und uns den Ankerplatz anwies.

So war es für uns zu spät geworden, und es ging nur der Kapitän allein an's Land. Wir aber blieben auf dem Decke, und betrachteten noch lange das wunderherrliche Bild, bis die hereinbrechende Nacht Land und Meer tief überschattete.

Wir Alle gingen heute fröhlich zur Ruhe, wir hatten das schöne Ziel der langen Reise ohne große Unfälle glücklich erreicht, -- nur die arme Schneidersfrau erwartete eine herbe Nachricht, die ihr der gute Kapitän heute noch verschwieg, um sie der Nachtruhe ungestört genießen zu lassen. -- Als nämlich der Schneider Kunde erhielt, daß sich seine Frau wirklich auf der Reise befände, ging er mit einer Negerin durch, und hinterließ nichts als -- Schulden.

Die arme Frau hatte ihr sicheres Brod im Vaterlande aufgegeben (sie ernährte sich durch Spitzen- und Kleiderputzen), ihr Erspartes der Reise geopfert, und nun saß sie verlassen und hilflos in einem fremden Welttheile*).



Von Hamburg bis Rio de Janeiro gegen 7500 Seemeilen.

*) Einige Tage nach ihrer Ankunft nahm sie die würdige Familie Lallemand bei sich auf.

Es wurde beinahe dunkel bis wir den Ankerplatz erreichten. Erst mußten wir bei St. Cruz anhalten und Auskunft geben, dann auf einen Offizier warten, der die Pässe und versiegelten Briefe in Empfang nahm, dann auf den Arzt, der uns betrachtete, ob wir vielleicht nicht die Pest oder das gelbe Fieber mitbrächten, und endlich wieder auf einen Offizier, der verschiedene Pakete und Kistchen in Empfang nahm, und uns den Ankerplatz anwies.

So war es für uns zu spät geworden, und es ging nur der Kapitän allein an’s Land. Wir aber blieben auf dem Decke, und betrachteten noch lange das wunderherrliche Bild, bis die hereinbrechende Nacht Land und Meer tief überschattete.

Wir Alle gingen heute fröhlich zur Ruhe, wir hatten das schöne Ziel der langen Reise ohne große Unfälle glücklich erreicht, — nur die arme Schneidersfrau erwartete eine herbe Nachricht, die ihr der gute Kapitän heute noch verschwieg, um sie der Nachtruhe ungestört genießen zu lassen. — Als nämlich der Schneider Kunde erhielt, daß sich seine Frau wirklich auf der Reise befände, ging er mit einer Negerin durch, und hinterließ nichts als — Schulden.

Die arme Frau hatte ihr sicheres Brod im Vaterlande aufgegeben (sie ernährte sich durch Spitzen- und Kleiderputzen), ihr Erspartes der Reise geopfert, und nun saß sie verlassen und hilflos in einem fremden Welttheile*).



Von Hamburg bis Rio de Janeiro gegen 7500 Seemeilen.

*) Einige Tage nach ihrer Ankunft nahm sie die würdige Familie Lallemand bei sich auf.
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[28/0035] Es wurde beinahe dunkel bis wir den Ankerplatz erreichten. Erst mußten wir bei St. Cruz anhalten und Auskunft geben, dann auf einen Offizier warten, der die Pässe und versiegelten Briefe in Empfang nahm, dann auf den Arzt, der uns betrachtete, ob wir vielleicht nicht die Pest oder das gelbe Fieber mitbrächten, und endlich wieder auf einen Offizier, der verschiedene Pakete und Kistchen in Empfang nahm, und uns den Ankerplatz anwies. So war es für uns zu spät geworden, und es ging nur der Kapitän allein an’s Land. Wir aber blieben auf dem Decke, und betrachteten noch lange das wunderherrliche Bild, bis die hereinbrechende Nacht Land und Meer tief überschattete. Wir Alle gingen heute fröhlich zur Ruhe, wir hatten das schöne Ziel der langen Reise ohne große Unfälle glücklich erreicht, — nur die arme Schneidersfrau erwartete eine herbe Nachricht, die ihr der gute Kapitän heute noch verschwieg, um sie der Nachtruhe ungestört genießen zu lassen. — Als nämlich der Schneider Kunde erhielt, daß sich seine Frau wirklich auf der Reise befände, ging er mit einer Negerin durch, und hinterließ nichts als — Schulden. Die arme Frau hatte ihr sicheres Brod im Vaterlande aufgegeben (sie ernährte sich durch Spitzen- und Kleiderputzen), ihr Erspartes der Reise geopfert, und nun saß sie verlassen und hilflos in einem fremden Welttheile *). Von Hamburg bis Rio de Janeiro gegen 7500 Seemeilen. *) Einige Tage nach ihrer Ankunft nahm sie die würdige Familie Lallemand bei sich auf.

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Zitationshilfe: Pfeiffer, Ida: Eine Frauenfahrt um die Welt, Band 1. Wien, 1850, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pfeiffer_frauenfahrt01_1850/35>, abgerufen am 29.03.2024.