Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pfeiffer, Ida: Eine Frauenfahrt um die Welt, Band 1. Wien, 1850.

Bild:
<< vorherige Seite

kommen die Verwandten und Nachbarsleute und wünschen den Aeltern Glück zum Besitze eines solchen Engelchens, -- ja in der ersten Nacht werden von den Eltern, Verwandten und Freunden vor dem Angelito die tollsten Tänze aufgeführt, die fröhlichsten Mahlzeiten begangen. Auf dem Lande soll es nicht ungewöhnlich sein, daß die Eltern selbst den kleinen Sarg nach dem Kirchhofe tragen und die Verwandten mit der Branntweinflasche in der Hand, jubelnd und lärmend nachströmen.

Ein hiesiger Kaufmann erzählte mir, erst kürzlich habe einer seiner Freunde, der bei der Regierung angestellt ist, eine sonderbare Klage zu entscheiden gehabt. Ein Todtengräber trug nämlich solch ein verstorbenes Engelchen nach dem Kirchhofe und trat unterwegs in eine Schenke, um in der Eile ein Gläschen zu trinken. Der Wirth frug ihn, was er unter dem Poncho trage, und als er erfuhr, daß es ein Angelito sei, ersuchte er den Mann, ihm selbes für zwei Reaux zu überlassen. Dieser war dazu bereit, und der Wirth errichtete nun eilig in der Trinkstube eine kleine Blumennische, setzte das erhandelte Engelchen hinein und theilte der ganzen Nachbarschaft mit, welch Kleinod er besäße. Alles kam herbei, besah das liebe Engelchen und trank und schmauste zu seinen Ehren. Bald erfuhren es aber auch die Eltern, die alsogleich in die Schenke eilten, ihr Kind wegnahmen und den Wirth beim Richter verklagten. Der konnte sich des Lachens bei Anhörung der Klage kaum enthalten und legte die Sache friedlich bei, da in dem Gesetzbuche eines solchen Vergehens nicht gedacht war.

Sonderbar ist die Art und Weise, wie Kranke nach

kommen die Verwandten und Nachbarsleute und wünschen den Aeltern Glück zum Besitze eines solchen Engelchens, — ja in der ersten Nacht werden von den Eltern, Verwandten und Freunden vor dem Angelito die tollsten Tänze aufgeführt, die fröhlichsten Mahlzeiten begangen. Auf dem Lande soll es nicht ungewöhnlich sein, daß die Eltern selbst den kleinen Sarg nach dem Kirchhofe tragen und die Verwandten mit der Branntweinflasche in der Hand, jubelnd und lärmend nachströmen.

Ein hiesiger Kaufmann erzählte mir, erst kürzlich habe einer seiner Freunde, der bei der Regierung angestellt ist, eine sonderbare Klage zu entscheiden gehabt. Ein Todtengräber trug nämlich solch ein verstorbenes Engelchen nach dem Kirchhofe und trat unterwegs in eine Schenke, um in der Eile ein Gläschen zu trinken. Der Wirth frug ihn, was er unter dem Poncho trage, und als er erfuhr, daß es ein Angelito sei, ersuchte er den Mann, ihm selbes für zwei Reaux zu überlassen. Dieser war dazu bereit, und der Wirth errichtete nun eilig in der Trinkstube eine kleine Blumennische, setzte das erhandelte Engelchen hinein und theilte der ganzen Nachbarschaft mit, welch Kleinod er besäße. Alles kam herbei, besah das liebe Engelchen und trank und schmauste zu seinen Ehren. Bald erfuhren es aber auch die Eltern, die alsogleich in die Schenke eilten, ihr Kind wegnahmen und den Wirth beim Richter verklagten. Der konnte sich des Lachens bei Anhörung der Klage kaum enthalten und legte die Sache friedlich bei, da in dem Gesetzbuche eines solchen Vergehens nicht gedacht war.

Sonderbar ist die Art und Weise, wie Kranke nach

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0149" n="142"/>
kommen die Verwandten und Nachbarsleute und wünschen den Aeltern Glück zum Besitze eines solchen Engelchens, &#x2014; ja in der ersten Nacht werden von den Eltern, Verwandten und Freunden vor dem <hi rendition="#aq">Angelito</hi> die tollsten Tänze aufgeführt, die fröhlichsten Mahlzeiten begangen. Auf dem Lande soll es nicht ungewöhnlich sein, daß die Eltern selbst den kleinen Sarg nach dem Kirchhofe tragen und die Verwandten mit der Branntweinflasche in der Hand, jubelnd und lärmend nachströmen.</p>
          <p>   Ein hiesiger Kaufmann erzählte mir, erst kürzlich habe einer seiner Freunde, der bei der Regierung angestellt ist, eine sonderbare Klage zu entscheiden gehabt. Ein Todtengräber trug nämlich solch ein verstorbenes Engelchen nach dem Kirchhofe und trat unterwegs in eine Schenke, um in der Eile ein Gläschen zu trinken. Der Wirth frug ihn, was er unter dem Poncho trage, und als er erfuhr, daß es ein <hi rendition="#aq">Angelito</hi> sei, ersuchte er den Mann, ihm selbes für zwei <hi rendition="#aq">Reaux</hi> zu überlassen. Dieser war dazu bereit, und der Wirth errichtete nun eilig in der Trinkstube eine kleine Blumennische, setzte das erhandelte Engelchen hinein und theilte der ganzen Nachbarschaft mit, welch Kleinod er besäße. Alles kam herbei, besah das liebe Engelchen und trank und schmauste zu seinen Ehren. Bald erfuhren es aber auch die Eltern, die alsogleich in die Schenke eilten, ihr Kind wegnahmen und den Wirth beim Richter verklagten. Der konnte sich des Lachens bei Anhörung der Klage kaum enthalten und legte die Sache friedlich bei, da in dem Gesetzbuche eines solchen Vergehens nicht gedacht war.</p>
          <p>   Sonderbar ist die Art und Weise, wie Kranke nach
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[142/0149] kommen die Verwandten und Nachbarsleute und wünschen den Aeltern Glück zum Besitze eines solchen Engelchens, — ja in der ersten Nacht werden von den Eltern, Verwandten und Freunden vor dem Angelito die tollsten Tänze aufgeführt, die fröhlichsten Mahlzeiten begangen. Auf dem Lande soll es nicht ungewöhnlich sein, daß die Eltern selbst den kleinen Sarg nach dem Kirchhofe tragen und die Verwandten mit der Branntweinflasche in der Hand, jubelnd und lärmend nachströmen. Ein hiesiger Kaufmann erzählte mir, erst kürzlich habe einer seiner Freunde, der bei der Regierung angestellt ist, eine sonderbare Klage zu entscheiden gehabt. Ein Todtengräber trug nämlich solch ein verstorbenes Engelchen nach dem Kirchhofe und trat unterwegs in eine Schenke, um in der Eile ein Gläschen zu trinken. Der Wirth frug ihn, was er unter dem Poncho trage, und als er erfuhr, daß es ein Angelito sei, ersuchte er den Mann, ihm selbes für zwei Reaux zu überlassen. Dieser war dazu bereit, und der Wirth errichtete nun eilig in der Trinkstube eine kleine Blumennische, setzte das erhandelte Engelchen hinein und theilte der ganzen Nachbarschaft mit, welch Kleinod er besäße. Alles kam herbei, besah das liebe Engelchen und trank und schmauste zu seinen Ehren. Bald erfuhren es aber auch die Eltern, die alsogleich in die Schenke eilten, ihr Kind wegnahmen und den Wirth beim Richter verklagten. Der konnte sich des Lachens bei Anhörung der Klage kaum enthalten und legte die Sache friedlich bei, da in dem Gesetzbuche eines solchen Vergehens nicht gedacht war. Sonderbar ist die Art und Weise, wie Kranke nach

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Sophie: A digital library of works by german-speaking women: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-06-28T07:11:29Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition (2013-06-28T07:11:29Z)
Bayerische Staatsbibliothek Digital: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-06-28T07:11:29Z)

Weitere Informationen:

  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert
  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein
  • Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.) sind nicht konsequent wie in der Vorlage gekennzeichnet



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pfeiffer_frauenfahrt01_1850
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pfeiffer_frauenfahrt01_1850/149
Zitationshilfe: Pfeiffer, Ida: Eine Frauenfahrt um die Welt, Band 1. Wien, 1850, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pfeiffer_frauenfahrt01_1850/149>, abgerufen am 06.05.2024.