ppe_033.001 Gerade die Kräfte seiner Zeit, die er der Dichtung entziehen ppe_033.002 und dem politischen Leben zuführen wollte, waren ja innerhalb der ppe_033.003 Zeitdichtung um dieselbe Gegenwartsforderung politischer Zielsetzung ppe_033.004 bemüht. Um so schmerzlicher traf die Verleugnung der politischen ppe_033.005 Zeitdichtung ihre Vertreter.
ppe_033.006 Mit den dichtenden Zeitgenossen hat Gervinus es gründlich verdorben, ppe_033.007 indem er die deutsche Literaturgeschichte mit Goethes Tod ppe_033.008 aufhören ließ und einen Schlagbaum errichtete, der noch mehrere ppe_033.009 Jahrzehnte, wenn auch angefochten, an seinem Platze blieb. Man ppe_033.010 begnügte sich nicht mit dem Widerspruch gegen solchen Historismus, ppe_033.011 sondern der Protest gewann praktische Gestalt, indem nun gerade ppe_033.012 die jungdeutschen Literaten und politischen Dichter sich auf das Feld ppe_033.013 verlegten, das bei Gervinus links liegen geblieben war: die Literatur ppe_033.014 der Gegenwart. Neben die Literaturgeschichte trat damit die Literaturkritik, ppe_033.015 denn alle die sogenannten Literaturgeschichten der neuesten ppe_033.016 Zeit, sei es, daß ihre Verfasser Wolfgang Menzel, Heinrich Laube, ppe_033.017 Ludwig Wihl, Heinrich Kurz, Johannes Scherr, Rudolf Gottschall ppe_033.018 oder sogar Julian Schmidt hießen, waren, wie Friedrich Hebbel gegenüber ppe_033.019 Wihl feststellte, doch im wesentlichen kritische Repertorien. ppe_033.020 Oder sie gehörten sogar zur Literaturpolemik wie Heinrich Heines ppe_033.021 ursprünglich für französische Leser bestimmte Auseinandersetzung ppe_033.022 mit der "Romantischen Schule", in der Schillers Polarität von naiv ppe_033.023 und sentimentalistisch unter saintsimonistischem Einfluß in die ppe_033.024 Zweiteilung von Hellenen und Nazarenern umgeschaltet wurde. Was ppe_033.025 er in seiner Münchener Zeit vergeblich angestrebt hatte, wurde einem ppe_033.026 anderen politischen Dichter 1849 zuteil: Robert Prutz erhielt eine ppe_033.027 außerordentliche Professur der neueren deutschen Literaturgeschichte ppe_033.028 an der Universität Halle. Weitere Dichter fanden später Sinekuren ppe_033.029 an den Technischen Hochschulen. Aber das Extraordinariat an den ppe_033.030 Universitäten bedeutete für mehrere Jahrzehnte eine Unterordnung ppe_033.031 der neueren Literaturgeschichte als Anhängsel der germanistischen ppe_033.032 Wissenschaft. Das Ringen um wissenschaftliche Anerkennung wurde ppe_033.033 schließlich einer der psychologischen Gründe für die Philologisierung ppe_033.034 des Faches, das in exakter Tatsachenforschung seine Gleichberechtigung ppe_033.035 erweisen wollte.
ppe_033.036 Nun aber gab es noch eine wissenschaftliche Großmacht, die die ppe_033.037 Verwaltung der Literatur als Ausdruck des ganzen geistigen Lebens ppe_033.038 im weitesten Sinne für sich in Anspruch nehmen durfte: die Philosophie. ppe_033.039 Nach Herders Einteilung fiel ihr die Deutung der Kunstwerke ppe_033.040 aus dem Geist ihrer Zeit zu. Auch die biographische Deutung großer ppe_033.041 Persönlichkeiten lag zunächst in den Händen der Philosophen. So
ppe_033.001 Gerade die Kräfte seiner Zeit, die er der Dichtung entziehen ppe_033.002 und dem politischen Leben zuführen wollte, waren ja innerhalb der ppe_033.003 Zeitdichtung um dieselbe Gegenwartsforderung politischer Zielsetzung ppe_033.004 bemüht. Um so schmerzlicher traf die Verleugnung der politischen ppe_033.005 Zeitdichtung ihre Vertreter.
ppe_033.006 Mit den dichtenden Zeitgenossen hat Gervinus es gründlich verdorben, ppe_033.007 indem er die deutsche Literaturgeschichte mit Goethes Tod ppe_033.008 aufhören ließ und einen Schlagbaum errichtete, der noch mehrere ppe_033.009 Jahrzehnte, wenn auch angefochten, an seinem Platze blieb. Man ppe_033.010 begnügte sich nicht mit dem Widerspruch gegen solchen Historismus, ppe_033.011 sondern der Protest gewann praktische Gestalt, indem nun gerade ppe_033.012 die jungdeutschen Literaten und politischen Dichter sich auf das Feld ppe_033.013 verlegten, das bei Gervinus links liegen geblieben war: die Literatur ppe_033.014 der Gegenwart. Neben die Literaturgeschichte trat damit die Literaturkritik, ppe_033.015 denn alle die sogenannten Literaturgeschichten der neuesten ppe_033.016 Zeit, sei es, daß ihre Verfasser Wolfgang Menzel, Heinrich Laube, ppe_033.017 Ludwig Wihl, Heinrich Kurz, Johannes Scherr, Rudolf Gottschall ppe_033.018 oder sogar Julian Schmidt hießen, waren, wie Friedrich Hebbel gegenüber ppe_033.019 Wihl feststellte, doch im wesentlichen kritische Repertorien. ppe_033.020 Oder sie gehörten sogar zur Literaturpolemik wie Heinrich Heines ppe_033.021 ursprünglich für französische Leser bestimmte Auseinandersetzung ppe_033.022 mit der „Romantischen Schule“, in der Schillers Polarität von naiv ppe_033.023 und sentimentalistisch unter saintsimonistischem Einfluß in die ppe_033.024 Zweiteilung von Hellenen und Nazarenern umgeschaltet wurde. Was ppe_033.025 er in seiner Münchener Zeit vergeblich angestrebt hatte, wurde einem ppe_033.026 anderen politischen Dichter 1849 zuteil: Robert Prutz erhielt eine ppe_033.027 außerordentliche Professur der neueren deutschen Literaturgeschichte ppe_033.028 an der Universität Halle. Weitere Dichter fanden später Sinekuren ppe_033.029 an den Technischen Hochschulen. Aber das Extraordinariat an den ppe_033.030 Universitäten bedeutete für mehrere Jahrzehnte eine Unterordnung ppe_033.031 der neueren Literaturgeschichte als Anhängsel der germanistischen ppe_033.032 Wissenschaft. Das Ringen um wissenschaftliche Anerkennung wurde ppe_033.033 schließlich einer der psychologischen Gründe für die Philologisierung ppe_033.034 des Faches, das in exakter Tatsachenforschung seine Gleichberechtigung ppe_033.035 erweisen wollte.
ppe_033.036 Nun aber gab es noch eine wissenschaftliche Großmacht, die die ppe_033.037 Verwaltung der Literatur als Ausdruck des ganzen geistigen Lebens ppe_033.038 im weitesten Sinne für sich in Anspruch nehmen durfte: die Philosophie. ppe_033.039 Nach Herders Einteilung fiel ihr die Deutung der Kunstwerke ppe_033.040 aus dem Geist ihrer Zeit zu. Auch die biographische Deutung großer ppe_033.041 Persönlichkeiten lag zunächst in den Händen der Philosophen. So
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Petersen, Julius: Die Wissenschaft von der Dichtung. System und Methodenlehre der Literaturwissenschaft. 2. Auflage. Berlin, 1944, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/petersen_poetik_1944/57>, abgerufen am 25.11.2024.
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