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Petersen, Julius: Die Wissenschaft von der Dichtung. System und Methodenlehre der Literaturwissenschaft. 2. Auflage. Berlin, 1944.

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Wort "Generation" bildet den Schlüssel für die unbestreitbaren Tatsachen ppe_527.002
der Wandlung und Entwicklung, der Fortschritte und Rückschläge, ppe_527.003
und es ist bloß die Frage, ob dieser Schlüssel als ein Passepartout ppe_527.004
gehandhabt werden kann, dem alle Räume sich erschließen, ppe_527.005
ob er ein Dietrich ist, der den Zugang gewaltsam sprengt, oder ob ppe_527.006
er ein Geheimschlüssel bleibt, der als Werk subtiler Feinkunst nur ppe_527.007
in den Händen des Kenners seine Dienste tut.

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So aktuell heute der Begriff der Generation geworden ist, so wenig ppe_527.009
ist seine praktische Anwendung für die Literaturgeschichte eine neue ppe_527.010
Errungenschaft. Man hat schon früher die Bibliotheken der schönen ppe_527.011
Literatur eines Volkes statt nach Alphabet oder Erscheinungsjahr ppe_527.012
nach den Geburtsjahren der Verfasser aufgestellt und in diesem ppe_527.013
Grundsatz eine sachgemäße Gruppierung und die Grundlagen einer ppe_527.014
Periodisierung erblickt, ohne daß man des Glaubens war, damit eine ppe_527.015
umwälzende wissenschaftliche Erkenntnis erreicht zu haben. Was ppe_527.016
neu ist und die Wissenschaft ernstlich beschäftigen muß, ist die Aufgabe ppe_527.017
der theoretischen Unterbauung einer längst verlaufenden Entwicklung. ppe_527.018
Diese Theorie ist wieder einem Wandel von Generation zu ppe_527.019
Generation unterworfen. In der Zeit, da die große Monographie die ppe_527.020
vornehmlichste Aufgabe literarhistorischer Darstellung bedeutete, ppe_527.021
schien die Genealogie des Einzelnen, die auf das Erbe der Ahnen zurückführte, ppe_527.022
vielleicht manchmal wichtiger als die Generation, die ihn ppe_527.023
mit den Zeitgenossen verband. Für die geistesgeschichtliche Fragestellung ppe_527.024
der Neuzeit, die zu ergründen bemüht ist, aus welchen Wurzeln ppe_527.025
die übereinstimmende Richtung gleichzeitiger Anschauungen und ppe_527.026
Schöpfungen auf allen Gebieten menschlicher Geisteshaltung in ppe_527.027
Religion, Politik, Rechtsauffassung und Kunst sich herschreibt, ist ppe_527.028
die Generation ein Hauptproblem geworden. "Generation" ist heute ppe_527.029
ein differenzierter Ersatz für den summarischen und kaum faßbaren ppe_527.030
Begriff des "Zeitgeistes" und eine grundlegende Voraussetzung des ppe_527.031
Begriffes "Zeitstil".

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2. Begriff der Generation

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Die heute gebräuchliche Anwendung des Wortes ist durch vielfältige ppe_527.034
Übertragungen so vieldeutig geworden, daß zunächst einmal ppe_527.035
an der Hand von Beispielen der Umfang des Begriffsinhaltes geprüft ppe_527.036
und abgegrenzt werden muß. Mit der Geistesgeschichte hat das Wort ppe_527.037
ursprünglich nichts zu tun; vielmehr ist "Generation" zunächst eine ppe_527.038
unmittelbar verständliche Gegebenheit nur innerhalb der einzelnen ppe_527.039
Familienreihe als Schrittfolge der Fortpflanzung. Zum Zeitmaß wird

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2. Begriff der Generation

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Die heute gebräuchliche Anwendung des Wortes ist durch vielfältige ppe_527.034
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[527/0551] ppe_527.001 Wort „Generation“ bildet den Schlüssel für die unbestreitbaren Tatsachen ppe_527.002 der Wandlung und Entwicklung, der Fortschritte und Rückschläge, ppe_527.003 und es ist bloß die Frage, ob dieser Schlüssel als ein Passepartout ppe_527.004 gehandhabt werden kann, dem alle Räume sich erschließen, ppe_527.005 ob er ein Dietrich ist, der den Zugang gewaltsam sprengt, oder ob ppe_527.006 er ein Geheimschlüssel bleibt, der als Werk subtiler Feinkunst nur ppe_527.007 in den Händen des Kenners seine Dienste tut. ppe_527.008 So aktuell heute der Begriff der Generation geworden ist, so wenig ppe_527.009 ist seine praktische Anwendung für die Literaturgeschichte eine neue ppe_527.010 Errungenschaft. Man hat schon früher die Bibliotheken der schönen ppe_527.011 Literatur eines Volkes statt nach Alphabet oder Erscheinungsjahr ppe_527.012 nach den Geburtsjahren der Verfasser aufgestellt und in diesem ppe_527.013 Grundsatz eine sachgemäße Gruppierung und die Grundlagen einer ppe_527.014 Periodisierung erblickt, ohne daß man des Glaubens war, damit eine ppe_527.015 umwälzende wissenschaftliche Erkenntnis erreicht zu haben. Was ppe_527.016 neu ist und die Wissenschaft ernstlich beschäftigen muß, ist die Aufgabe ppe_527.017 der theoretischen Unterbauung einer längst verlaufenden Entwicklung. ppe_527.018 Diese Theorie ist wieder einem Wandel von Generation zu ppe_527.019 Generation unterworfen. In der Zeit, da die große Monographie die ppe_527.020 vornehmlichste Aufgabe literarhistorischer Darstellung bedeutete, ppe_527.021 schien die Genealogie des Einzelnen, die auf das Erbe der Ahnen zurückführte, ppe_527.022 vielleicht manchmal wichtiger als die Generation, die ihn ppe_527.023 mit den Zeitgenossen verband. Für die geistesgeschichtliche Fragestellung ppe_527.024 der Neuzeit, die zu ergründen bemüht ist, aus welchen Wurzeln ppe_527.025 die übereinstimmende Richtung gleichzeitiger Anschauungen und ppe_527.026 Schöpfungen auf allen Gebieten menschlicher Geisteshaltung in ppe_527.027 Religion, Politik, Rechtsauffassung und Kunst sich herschreibt, ist ppe_527.028 die Generation ein Hauptproblem geworden. „Generation“ ist heute ppe_527.029 ein differenzierter Ersatz für den summarischen und kaum faßbaren ppe_527.030 Begriff des „Zeitgeistes“ und eine grundlegende Voraussetzung des ppe_527.031 Begriffes „Zeitstil“. ppe_527.032 2. Begriff der Generation ppe_527.033 Die heute gebräuchliche Anwendung des Wortes ist durch vielfältige ppe_527.034 Übertragungen so vieldeutig geworden, daß zunächst einmal ppe_527.035 an der Hand von Beispielen der Umfang des Begriffsinhaltes geprüft ppe_527.036 und abgegrenzt werden muß. Mit der Geistesgeschichte hat das Wort ppe_527.037 ursprünglich nichts zu tun; vielmehr ist „Generation“ zunächst eine ppe_527.038 unmittelbar verständliche Gegebenheit nur innerhalb der einzelnen ppe_527.039 Familienreihe als Schrittfolge der Fortpflanzung. Zum Zeitmaß wird

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Zitationshilfe: Petersen, Julius: Die Wissenschaft von der Dichtung. System und Methodenlehre der Literaturwissenschaft. 2. Auflage. Berlin, 1944, S. 527. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/petersen_poetik_1944/551>, abgerufen am 25.11.2024.