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Petersen, Julius: Die Wissenschaft von der Dichtung. System und Methodenlehre der Literaturwissenschaft. 2. Auflage. Berlin, 1944.

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durch die Lessing-Biographie des Bruders Karl Gotthelf Bahn gebrochen, ppe_408.002
ehe sich in Goethes "Dichtung und Wahrheit" und in den ppe_408.003
Gesprächen mit Eckermann die reichsten Selbstoffenbarungen erschlossen. ppe_408.004
Durch Veröffentlichung von Tagebüchern, unter denen ppe_408.005
die Hebbels und das Journal der Brüder Goncourt besonders aufschlußreich ppe_408.006
sind, wie durch Dichterbriefwechsel z. B. zwischen Goethe ppe_408.007
und Schiller, Keller und Storm, Conrad Ferd. Meyer und Luise ppe_408.008
v. Francois, endlich durch Flauberts briefliche Selbstbekenntnisse ppe_408.009
ist das Material zu immer größerer Reichhaltigkeit angewachsen. In ppe_408.010
neuerer Zeit ist es noch durch die Ergebnisse von Um- und Anfragen ppe_408.011
bei lebenden Dichtern vermehrt worden. So lassen sich endlich bestimmte ppe_408.012
Typen der Schaffensweise gruppieren. Die Dichtungslehre ppe_408.013
empfängt diese Beobachtungen und Beschreibungen durch die Dichter ppe_408.014
und ihre Biographen, um das gebotene Material psychologisch zu ppe_408.015
durchdringen und systematisch gesichtet der Literaturwissenschaft ppe_408.016
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Zahlreiche Aussagen bestätigen, daß zwar im Erlebnis bereits der ppe_408.018
Keim der Gestaltung liegt, daß aber nur in den verhältnismäßig seltenen ppe_408.019
Fällen einer inspirierten Gelegenheitsdichtung, wie sie bei ppe_408.020
Goethe sich finden (vgl. oben S. 370), der Schaffensvorgang zu sofortigem ppe_408.021
Anschluß und Abschluß gelangt. Regel ist es vielmehr, daß erst ppe_408.022
die Loslösung vom Leben die darstellerische Objektivierung des Erlebnisses ppe_408.023
möglich macht. Je tiefer das Erlebnis gegangen ist, um so ppe_408.024
länger wirkt es nach, und desto größer muß der künstlerisch bedingte ppe_408.025
Abstand sein, in dem es zur Gestaltung gelangt. So stehen neben den ppe_408.026
improvisierten Gelegenheitsdichtungen Goethes jene anderen, deren ppe_408.027
Entstehung sich über die zeitliche Ferne von vier Jahrzehnten erstreckt ppe_408.028
(vgl. oben S. 371).

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Für Schiller mag es charakteristisch sein, wenn er in seiner Bürgerkritik ppe_408.030
den Dichter, ähnlich wie Hamlet die Schauspieler, vor Hingabe ppe_408.031
an den Wirbelwind der Leidenschaft warnt. Der Dichter soll nicht ppe_408.032
mitten im Schmerz den Schmerz besingen: "Aus der sanften und fernenden ppe_408.033
Erinnerung mag er dichten, und dann desto besser für ihn, je ppe_408.034
mehr er an sich erfahren hat, was er besingt; aber ja niemals unter ppe_408.035
der gegenwärtigen Herrschaft des Affekts, den er uns schön versinnlichen ppe_408.036
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die Liebe, die Freundschaft usw. selbst dem Dichter den Pinsel dabei ppe_408.038
geführt habe, hätte er damit anfangen müssen, sich selbst fremd zu ppe_408.039
werden, den Gegenstand seiner Begeisterung von seiner Individualität ppe_408.040
loszuwickeln, seine Leidenschaft aus einer mildernden Ferne ppe_408.041
anzuschauen."

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durch die Lessing-Biographie des Bruders Karl Gotthelf Bahn gebrochen, ppe_408.002
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Zahlreiche Aussagen bestätigen, daß zwar im Erlebnis bereits der ppe_408.018
Keim der Gestaltung liegt, daß aber nur in den verhältnismäßig seltenen ppe_408.019
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Goethe sich finden (vgl. oben S. 370), der Schaffensvorgang zu sofortigem ppe_408.021
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länger wirkt es nach, und desto größer muß der künstlerisch bedingte ppe_408.025
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improvisierten Gelegenheitsdichtungen Goethes jene anderen, deren ppe_408.027
Entstehung sich über die zeitliche Ferne von vier Jahrzehnten erstreckt ppe_408.028
(vgl. oben S. 371).

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Für Schiller mag es charakteristisch sein, wenn er in seiner Bürgerkritik ppe_408.030
den Dichter, ähnlich wie Hamlet die Schauspieler, vor Hingabe ppe_408.031
an den Wirbelwind der Leidenschaft warnt. Der Dichter soll nicht ppe_408.032
mitten im Schmerz den Schmerz besingen: „Aus der sanften und fernenden ppe_408.033
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Zitationshilfe: Petersen, Julius: Die Wissenschaft von der Dichtung. System und Methodenlehre der Literaturwissenschaft. 2. Auflage. Berlin, 1944, S. 408. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/petersen_poetik_1944/432>, abgerufen am 22.11.2024.