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Petersen, Julius: Die Wissenschaft von der Dichtung. System und Methodenlehre der Literaturwissenschaft. 2. Auflage. Berlin, 1944.

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Man kann, wie beim einzelnen Menschen, so auch beim Stamm ppe_297.002
von erworbenen Eigenschaften sprechen, und es ist die gleiche umstrittene ppe_297.003
Frage, bis zu welchem Grad daraus dauernde Prägung werden ppe_297.004
kann, die sich vererbt. Das Problem gilt für den Stamm, wenn er, wie ppe_297.005
in der Völkerwanderung, unter andere Lebensbedingungen versetzt ppe_297.006
wird, und er betrifft in gleicher Weise den Vereinzelten, der sich in ppe_297.007
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aufgegeben haben, indem sie fern von ihrem Ursprung ppe_297.009
Wurzel schlugen, wie weit kann dann noch bei den Enkeln von ppe_297.010
Stammesbewußtsein oder unbewußter Erhaltung ererbter Art die Rede ppe_297.011
sein? Schon von der zweiten Generation der Losgerissenen läßt sich ppe_297.012
sagen, daß zwar die Blutgebundenheit nicht erlöschen kann, daß aber ppe_297.013
die etwaige Preisgabe aller angeeigneten Lebensformen und Bräuche, ppe_297.014
insbesondere der Sprache, dem Stamm der Väter fremd werden läßt. ppe_297.015
Bei dem besten Willen zur Arterhaltung bleibt immer fraglich, wieviel ppe_297.016
den Nachkommen noch durch Erziehung und festgehaltenen Brauch ppe_297.017
mitgegeben werden oder wieviel davon ohne diese Vermittlung erhalten ppe_297.018
bleiben kann. Für die mögliche Übertragung erworbener Eigenschaften ppe_297.019
bildet aber weniger der Stamm als die Familie das gegebene ppe_297.020
Feld der Beobachtung.

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c) Konstitution und Charakter

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Der engste Bezirk, in dem die Vererbung nicht nur Möglichkeit, ppe_297.023
sondern unentrinnbare Notwendigkeit bedeutet, ist die Ehe, die das ppe_297.024
Rätsel "Aus zwei mach eins" verwirklicht, indem ein eigenes Neues ppe_297.025
aus zweierlei Erbmassen sich bildet. Vater und Mutter sind Träger ppe_297.026
und Vermittler des Erbgutes zweier Familien, die mit den verschiedenen ppe_297.027
Vermögen an rassischen und stammhaften Anlagen auch einen verschiedenartigen ppe_297.028
Bestand an geistigen und körperlichen Dispositionen ppe_297.029
aufwiesen, deren Charakter sich nicht nur aus Berufstradition, konfessioneller ppe_297.030
Bindung, Umwelteinflüssen und Geschicken herleitet, sondern ppe_297.031
auch in bestimmter physischer Konstitution Form gewonnen hat.

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Bei den geistigen Anlagen treten wieder die Fragen der Übertragbarkeit ppe_297.033
erworbener Eigenschaften auf. Wenn man von Stefan George ppe_297.034
sagte, daß ihm der mittelalterliche Katholizismus im Blut lag, ohne ppe_297.035
daß er irgendwelchen kirchlichen Einflüssen in seinem Leben nachgegeben ppe_297.036
hätte, so ließe sich die ererbte Mentalität ebensowohl ppe_297.037
rassisch als stammhaft begründen, da es den Glaubensbekenntnissen ppe_297.038
an ethnologischen Voraussetzungen ihrer Verbreitung nicht fehlt. ppe_297.039
Ältere Erbforschung, deren Gedankengänge heute nicht mehr verfolgt

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Feld der Beobachtung.

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Der engste Bezirk, in dem die Vererbung nicht nur Möglichkeit, ppe_297.023
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Bindung, Umwelteinflüssen und Geschicken herleitet, sondern ppe_297.031
auch in bestimmter physischer Konstitution Form gewonnen hat.

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Bei den geistigen Anlagen treten wieder die Fragen der Übertragbarkeit ppe_297.033
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sagte, daß ihm der mittelalterliche Katholizismus im Blut lag, ohne ppe_297.035
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Zitationshilfe: Petersen, Julius: Die Wissenschaft von der Dichtung. System und Methodenlehre der Literaturwissenschaft. 2. Auflage. Berlin, 1944, S. 297. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/petersen_poetik_1944/321>, abgerufen am 22.11.2024.