BEGRIFF UND ENTWICKLUNG ppe_001.003 DER LITERARHISTORISCHEN METHODEN
ppe_001.004
1. Literaturwissenschaft als Methodenlehre.
ppe_001.005
"Nicht was er treibt, sondern wie er das, was er treibt, ppe_001.006 behandelt, unterscheidet den philosophischen Geist. Wo ppe_001.007 er auch stehe und wirke, er steht immer im Mittelpunkt ppe_001.008 des Ganzen; und so weit ihn auch das Objekt seines ppe_001.009 Wirkens von seinen übrigen Brüdern entferne, er ist ppe_001.010 ihnen verwandt und nahe durch einen harmonischen ppe_001.011 Verstand; er begegnet ihnen, wo alle helle Köpfe ppe_001.012 einander finden."
ppe_001.013
Schiller.
ppe_001.014
a) Begriff der Literaturwissenschaft
ppe_001.015 "Was heißt und zu welchem Ende studiert man Literaturgeschichte?" ppe_001.016 Gegen diese Nachbildung der berühmten Schillerschen ppe_001.017 Fragestellung meldet sich sogleich ein sachliches Bedenken: es ist unbestreitbare ppe_001.018 Tatsache, daß man gar nicht Literaturgeschichte studieren ppe_001.019 kann in demselben Sinne, wie die Universalgeschichte als ppe_001.020 Gebiet wissenschaftlichen Studiums betrachtet werden darf.
ppe_001.021 Freilich ist nicht zu verkennen, daß auch auf die eigentliche ppe_001.022 Beziehung der Schillerschen Frage heute ein anderes Licht fällt als ppe_001.023 damals, da sie gestellt wurde. Inwieweit kann man heute überhaupt ppe_001.024 noch Universalgeschichte studieren oder gar erforschen? Die Ausbreitung ppe_001.025 selbsterworbener Kenntnisse eines einzelnen über das ganze ppe_001.026 Gebiet der Weltgeschichte ist durch die Unermeßlichkeit des Raumes ppe_001.027 wie durch die nach vorwärts und rückwärts reichende Ausdehnung ppe_001.028 des zeitlichen Umfanges neuerdings weit mehr behindert als vor ppe_001.029 150 Jahren. Hinzugewachsen sind vielleicht ebensoviel Jahrtausende ppe_001.030 am Anfang als Jahrzehnte am Ende, und mindestens ebenso viel alte ppe_001.031 Kulturen sind entdeckt, deren Sprachen teilweise noch der Entzifferung ppe_001.032 harren -- wie sollte solche Unendlichkeit aus einem Blickpunkt ppe_001.033 zu überschauen sein? Die schwere Zugänglichkeit und der verschiedenartige ppe_001.034 Charakter der primären Quellen, sowohl was äußere
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EINLEITUNG:
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ppe_001.005
„Nicht was er treibt, sondern wie er das, was er treibt, ppe_001.006 behandelt, unterscheidet den philosophischen Geist. Wo ppe_001.007 er auch stehe und wirke, er steht immer im Mittelpunkt ppe_001.008 des Ganzen; und so weit ihn auch das Objekt seines ppe_001.009 Wirkens von seinen übrigen Brüdern entferne, er ist ppe_001.010 ihnen verwandt und nahe durch einen harmonischen ppe_001.011 Verstand; er begegnet ihnen, wo alle helle Köpfe ppe_001.012 einander finden.“
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Schiller.
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a) Begriff der Literaturwissenschaft
ppe_001.015 „Was heißt und zu welchem Ende studiert man Literaturgeschichte?“ ppe_001.016 Gegen diese Nachbildung der berühmten Schillerschen ppe_001.017 Fragestellung meldet sich sogleich ein sachliches Bedenken: es ist unbestreitbare ppe_001.018 Tatsache, daß man gar nicht Literaturgeschichte studieren ppe_001.019 kann in demselben Sinne, wie die Universalgeschichte als ppe_001.020 Gebiet wissenschaftlichen Studiums betrachtet werden darf.
ppe_001.021 Freilich ist nicht zu verkennen, daß auch auf die eigentliche ppe_001.022 Beziehung der Schillerschen Frage heute ein anderes Licht fällt als ppe_001.023 damals, da sie gestellt wurde. Inwieweit kann man heute überhaupt ppe_001.024 noch Universalgeschichte studieren oder gar erforschen? Die Ausbreitung ppe_001.025 selbsterworbener Kenntnisse eines einzelnen über das ganze ppe_001.026 Gebiet der Weltgeschichte ist durch die Unermeßlichkeit des Raumes ppe_001.027 wie durch die nach vorwärts und rückwärts reichende Ausdehnung ppe_001.028 des zeitlichen Umfanges neuerdings weit mehr behindert als vor ppe_001.029 150 Jahren. Hinzugewachsen sind vielleicht ebensoviel Jahrtausende ppe_001.030 am Anfang als Jahrzehnte am Ende, und mindestens ebenso viel alte ppe_001.031 Kulturen sind entdeckt, deren Sprachen teilweise noch der Entzifferung ppe_001.032 harren — wie sollte solche Unendlichkeit aus einem Blickpunkt ppe_001.033 zu überschauen sein? Die schwere Zugänglichkeit und der verschiedenartige ppe_001.034 Charakter der primären Quellen, sowohl was äußere
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Petersen, Julius: Die Wissenschaft von der Dichtung. System und Methodenlehre der Literaturwissenschaft. 2. Auflage. Berlin, 1944, S. E1. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/petersen_poetik_1944/25>, abgerufen am 25.11.2024.
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