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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787.

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er izt -- so eine straft keine Obrigkeit -- ich will --
sprach er izt -- zeigt sie mit dem Finger durch die
Tannen dem Hund und hezt ihn. -- Der Hund
war sicher -- er hatte seine Zeichen -- und auf das
Zeichen rührete er sie mit der Schnorre nicht an, er
stund nur mit den Pfoten an sie auf, sprang dann
um sie herum, und dann wieder an sie herauf, und
bellete laut. -- Das war alles -- es war freylich
nicht wenig. -- Ihr Gürtel brach unter seinen
Klauen -- das Band lag am Boden -- und das
weite Oberkleid riß von oben herunter, so oft der
Hund ansprang; seine langen weißen Stück flogen
um sie her, und an ihr auf, wie Tücher an der
Hänke eines Bleicherhauses, wenn der Wind wehet;
-- und der Korb ihres Kopfzeuges hieng an ihrem
Rücken herab, daß all sein Innwendiges hervor-
gieng. Zwo Minuten, sagte der Mann, muß sie
mir leiden -- Nahm seine Uhr in die Hand -- und
als sie vorüber, pfiff er dem Hund. --

Ihr Geschrey erfüllte den Himmel. -- Nein, so
weit herauf kam es nicht -- aber unten auf dem
Boden tönte es weit herum in die Runde. --

Der Jäger, den der General, da es dunkelte,
nachgeschickt, hörte sie von weitem, aber er dachte
lang, es sey nur ein Bauerngeschrey, und gieng
keinen Schritt geschwinder. Es ist ihm nicht zu
verargen, er konnte nicht denken, daß sein gnädi-

E 3

er izt — ſo eine ſtraft keine Obrigkeit — ich will —
ſprach er izt — zeigt ſie mit dem Finger durch die
Tannen dem Hund und hezt ihn. — Der Hund
war ſicher — er hatte ſeine Zeichen — und auf das
Zeichen ruͤhrete er ſie mit der Schnorre nicht an, er
ſtund nur mit den Pfoten an ſie auf, ſprang dann
um ſie herum, und dann wieder an ſie herauf, und
bellete laut. — Das war alles — es war freylich
nicht wenig. — Ihr Guͤrtel brach unter ſeinen
Klauen — das Band lag am Boden — und das
weite Oberkleid riß von oben herunter, ſo oft der
Hund anſprang; ſeine langen weißen Stuͤck flogen
um ſie her, und an ihr auf, wie Tuͤcher an der
Haͤnke eines Bleicherhauſes, wenn der Wind wehet;
— und der Korb ihres Kopfzeuges hieng an ihrem
Ruͤcken herab, daß all ſein Innwendiges hervor-
gieng. Zwo Minuten, ſagte der Mann, muß ſie
mir leiden — Nahm ſeine Uhr in die Hand — und
als ſie voruͤber, pfiff er dem Hund. —

Ihr Geſchrey erfuͤllte den Himmel. — Nein, ſo
weit herauf kam es nicht — aber unten auf dem
Boden toͤnte es weit herum in die Runde. —

Der Jaͤger, den der General, da es dunkelte,
nachgeſchickt, hoͤrte ſie von weitem, aber er dachte
lang, es ſey nur ein Bauerngeſchrey, und gieng
keinen Schritt geſchwinder. Es iſt ihm nicht zu
verargen, er konnte nicht denken, daß ſein gnaͤdi-

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[69/0087] er izt — ſo eine ſtraft keine Obrigkeit — ich will — ſprach er izt — zeigt ſie mit dem Finger durch die Tannen dem Hund und hezt ihn. — Der Hund war ſicher — er hatte ſeine Zeichen — und auf das Zeichen ruͤhrete er ſie mit der Schnorre nicht an, er ſtund nur mit den Pfoten an ſie auf, ſprang dann um ſie herum, und dann wieder an ſie herauf, und bellete laut. — Das war alles — es war freylich nicht wenig. — Ihr Guͤrtel brach unter ſeinen Klauen — das Band lag am Boden — und das weite Oberkleid riß von oben herunter, ſo oft der Hund anſprang; ſeine langen weißen Stuͤck flogen um ſie her, und an ihr auf, wie Tuͤcher an der Haͤnke eines Bleicherhauſes, wenn der Wind wehet; — und der Korb ihres Kopfzeuges hieng an ihrem Ruͤcken herab, daß all ſein Innwendiges hervor- gieng. Zwo Minuten, ſagte der Mann, muß ſie mir leiden — Nahm ſeine Uhr in die Hand — und als ſie voruͤber, pfiff er dem Hund. — Ihr Geſchrey erfuͤllte den Himmel. — Nein, ſo weit herauf kam es nicht — aber unten auf dem Boden toͤnte es weit herum in die Runde. — Der Jaͤger, den der General, da es dunkelte, nachgeſchickt, hoͤrte ſie von weitem, aber er dachte lang, es ſey nur ein Bauerngeſchrey, und gieng keinen Schritt geſchwinder. Es iſt ihm nicht zu verargen, er konnte nicht denken, daß ſein gnaͤdi- E 3

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Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/87>, abgerufen am 29.03.2024.