Es war an eben der Gemeinde, an welcher er den Entschluß ihrer Ersparnisse, zur Befreyung ihres Lands anzuwenden, lobte, und ihnen noch einmal Sicherheit von der Seite der Landsständen ver- sprach. -- Wo die Menschen in eine Ordnung ge- bracht, und in einer Ordnung gehalten werden, daß man nicht alle Augenblicke von ihnen fürchten muß, sie jagen einander das Messer in den Leib, oder sie zünden einander die Häuser an, da gehören die Verbrecher nicht mehr an den Galgen, sondern in den Spital, sagte er an eben dieser Gemeinde, und schenkte ihnen und seiner Herrschaft ein altes Jagdschloß mit Wall und Mauer, darinn 15-20 Juchart Land eingeschlossen, zu einem solchen Spi- tal für die Verbrecher. -- Das Thor am Schloß war von den Steinen des abgebrochenen Galgens aufgeführt, und das Aeußerste des Spitals so schauer- lich und abschreckend gemacht, als das Innere des- selben ordentlich, regelmäßig und schonend, die ar- men Leute in eine bessere, vernünftigere, und für das bürgerliche Leben brauchbarere Seelenstimmung zu bringen, geschickt, und mit äußerster Sorgfalt, vieler Psychologie, und noch mehrerer Volks- kenntnis dazu angelegt war.
Aber er mußte noch mit dem Henker abschaffen, daß er dieses gethan habe. Am Tag darauf stund er ihm vor der Thür, brachte die unterthänige Vorstellung ein, "daß er einmal Henker sey, und
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Es war an eben der Gemeinde, an welcher er den Entſchluß ihrer Erſparniſſe, zur Befreyung ihres Lands anzuwenden, lobte, und ihnen noch einmal Sicherheit von der Seite der Landsſtaͤnden ver- ſprach. — Wo die Menſchen in eine Ordnung ge- bracht, und in einer Ordnung gehalten werden, daß man nicht alle Augenblicke von ihnen fuͤrchten muß, ſie jagen einander das Meſſer in den Leib, oder ſie zuͤnden einander die Haͤuſer an, da gehoͤren die Verbrecher nicht mehr an den Galgen, ſondern in den Spital, ſagte er an eben dieſer Gemeinde, und ſchenkte ihnen und ſeiner Herrſchaft ein altes Jagdſchloß mit Wall und Mauer, darinn 15-20 Juchart Land eingeſchloſſen, zu einem ſolchen Spi- tal fuͤr die Verbrecher. — Das Thor am Schloß war von den Steinen des abgebrochenen Galgens aufgefuͤhrt, und das Aeußerſte des Spitals ſo ſchauer- lich und abſchreckend gemacht, als das Innere deſ- ſelben ordentlich, regelmaͤßig und ſchonend, die ar- men Leute in eine beſſere, vernuͤnftigere, und fuͤr das buͤrgerliche Leben brauchbarere Seelenſtimmung zu bringen, geſchickt, und mit aͤußerſter Sorgfalt, vieler Pſychologie, und noch mehrerer Volks- kenntnis dazu angelegt war.
Aber er mußte noch mit dem Henker abſchaffen, daß er dieſes gethan habe. Am Tag darauf ſtund er ihm vor der Thuͤr, brachte die unterthaͤnige Vorſtellung ein, „daß er einmal Henker ſey, und
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Es war an eben der Gemeinde, an welcher er
den Entſchluß ihrer Erſparniſſe, zur Befreyung ihres
Lands anzuwenden, lobte, und ihnen noch einmal
Sicherheit von der Seite der Landsſtaͤnden ver-
ſprach. — Wo die Menſchen in eine Ordnung ge-
bracht, und in einer Ordnung gehalten werden,
daß man nicht alle Augenblicke von ihnen fuͤrchten
muß, ſie jagen einander das Meſſer in den Leib,
oder ſie zuͤnden einander die Haͤuſer an, da gehoͤren
die Verbrecher nicht mehr an den Galgen, ſondern
in den Spital, ſagte er an eben dieſer Gemeinde,
und ſchenkte ihnen und ſeiner Herrſchaft ein altes
Jagdſchloß mit Wall und Mauer, darinn 15-20
Juchart Land eingeſchloſſen, zu einem ſolchen Spi-
tal fuͤr die Verbrecher. — Das Thor am Schloß
war von den Steinen des abgebrochenen Galgens
aufgefuͤhrt, und das Aeußerſte des Spitals ſo ſchauer-
lich und abſchreckend gemacht, als das Innere deſ-
ſelben ordentlich, regelmaͤßig und ſchonend, die ar-
men Leute in eine beſſere, vernuͤnftigere, und fuͤr
das buͤrgerliche Leben brauchbarere Seelenſtimmung
zu bringen, geſchickt, und mit aͤußerſter Sorgfalt,
vieler Pſychologie, und noch mehrerer Volks-
kenntnis dazu angelegt war.
Aber er mußte noch mit dem Henker abſchaffen,
daß er dieſes gethan habe. Am Tag darauf ſtund
er ihm vor der Thuͤr, brachte die unterthaͤnige
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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787, S. 385. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/403>, abgerufen am 21.11.2024.
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