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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787.

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such zum Aufruhr, wider die Rechte der Wahr-
heit, das Wissentschaftliche in der Religion vor das
Volk zu bringen, und vor ihm, als wär es der
Richter, darüber zu plaidiren; so gut als es Ti-
ranney ist, das Urtheil über dieses Wissentschaftli-
che in der Religion der bürgerlichen Macht zu un-
terwerfen.

Der Dienst des Allerhöchsten ist von wissen-
schaftlichen Meynungen über Religionssachen un-
abhangend; und das Volk soll vom Altar weg
nicht behelliget werden mit irgend einer Streitigkeit
der Priester.

Läßt man es zu -- so giebt man den Kopf
des Volks in die Hand des Priesters -- und ver-
zeihet mir ihr Fürsten! aber ich glaube, wer den
Kopf des Volks in seiner Hand hat, der ist auch
seines Kopfgelds sicher wenn er will; die Sache
hat nicht kleinen Reiz aus ihren Wirkungen zu
schließen.

Menschheit! auf allen Blättern ruft die Ge-
schichte, du tödtest eher die Thiere der Erde, und
vertilgest eher die Fische im Meer, als die Macht
der Priester und den Sinn ihrer Pfafheit, wenn du
das Wissentschaftliche ihres Religions-Unterrichts
zur Grundlegung der Kopfbildung des Volks machst.

Die Kopfbildung des Volks ist die Sache sei-
ner häuslichen und bürgerlichen Sicherheit, und

also

ſuch zum Aufruhr, wider die Rechte der Wahr-
heit, das Wiſſentſchaftliche in der Religion vor das
Volk zu bringen, und vor ihm, als waͤr es der
Richter, daruͤber zu plaidiren; ſo gut als es Ti-
ranney iſt, das Urtheil uͤber dieſes Wiſſentſchaftli-
che in der Religion der buͤrgerlichen Macht zu un-
terwerfen.

Der Dienſt des Allerhoͤchſten iſt von wiſſen-
ſchaftlichen Meynungen uͤber Religionsſachen un-
abhangend; und das Volk ſoll vom Altar weg
nicht behelliget werden mit irgend einer Streitigkeit
der Prieſter.

Laͤßt man es zu — ſo giebt man den Kopf
des Volks in die Hand des Prieſters — und ver-
zeihet mir ihr Fuͤrſten! aber ich glaube, wer den
Kopf des Volks in ſeiner Hand hat, der iſt auch
ſeines Kopfgelds ſicher wenn er will; die Sache
hat nicht kleinen Reiz aus ihren Wirkungen zu
ſchließen.

Menſchheit! auf allen Blaͤttern ruft die Ge-
ſchichte, du toͤdteſt eher die Thiere der Erde, und
vertilgeſt eher die Fiſche im Meer, als die Macht
der Prieſter und den Sinn ihrer Pfafheit, wenn du
das Wiſſentſchaftliche ihres Religions-Unterrichts
zur Grundlegung der Kopfbildung des Volks machſt.

Die Kopfbildung des Volks iſt die Sache ſei-
ner haͤuslichen und buͤrgerlichen Sicherheit, und

alſo
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[336/0354] ſuch zum Aufruhr, wider die Rechte der Wahr- heit, das Wiſſentſchaftliche in der Religion vor das Volk zu bringen, und vor ihm, als waͤr es der Richter, daruͤber zu plaidiren; ſo gut als es Ti- ranney iſt, das Urtheil uͤber dieſes Wiſſentſchaftli- che in der Religion der buͤrgerlichen Macht zu un- terwerfen. Der Dienſt des Allerhoͤchſten iſt von wiſſen- ſchaftlichen Meynungen uͤber Religionsſachen un- abhangend; und das Volk ſoll vom Altar weg nicht behelliget werden mit irgend einer Streitigkeit der Prieſter. Laͤßt man es zu — ſo giebt man den Kopf des Volks in die Hand des Prieſters — und ver- zeihet mir ihr Fuͤrſten! aber ich glaube, wer den Kopf des Volks in ſeiner Hand hat, der iſt auch ſeines Kopfgelds ſicher wenn er will; die Sache hat nicht kleinen Reiz aus ihren Wirkungen zu ſchließen. Menſchheit! auf allen Blaͤttern ruft die Ge- ſchichte, du toͤdteſt eher die Thiere der Erde, und vertilgeſt eher die Fiſche im Meer, als die Macht der Prieſter und den Sinn ihrer Pfafheit, wenn du das Wiſſentſchaftliche ihres Religions-Unterrichts zur Grundlegung der Kopfbildung des Volks machſt. Die Kopfbildung des Volks iſt die Sache ſei- ner haͤuslichen und buͤrgerlichen Sicherheit, und alſo

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Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787, S. 336. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/354>, abgerufen am 24.11.2024.