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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787.

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Lassen Sie mich Ihnen nur noch sagen --
wir denken in keinem Stück gleich; und wenn wir
je das gleiche thaten, so hatten wir doch nie die
gleichen Gründe. Ich half Ihnen freylich hier
den Junker und seine Leute kränken, aber verachte
weder ihn noch die Jünkerin, noch den Rollenber-
ger, am wenigsten den Lieutenant; der lezte zwang
mir eine Hochachtung ab, die ich keinem Menschen
mehr schenken will.

Aber was geht es Sie an, wie ich darüber
denke? Ich gehe über Regenspurg nach England,
und erwarte am ersten Orte bey Ihrer Cousine ein
paar mir nöthige Empfehlungsschreiben von Ih-
nen; und damit Sie nicht in Versuchung gera-
then, mich einen Posttag darauf warten zu lassen,
und eben so wenig sich von Ihrer Hitze verleiten
lassen, Morgens in den ersten Augenblicken von
meiner Abreise anderst als in der Ordnung zu re-
den, finde ich noch nöthig, Ihnen die Anzeige zu
machen, daß ich diejenige Papiere alle mit mir
genommen, die ich vor 3 Wochen, wie Sie glaub-
ten, vor Ihren Augen verbrannte. Ich habe die-
selben mit den neuern Geheimbriefen, die Sie bey
sich herumtrugen, mit der Brieftasche ebenfalls
mitgenommen. So viel brauchte ich, um Ihnen
mit Sicherheit vor die 2 ersten Stunden dieses
Morgens so viel Verstand zutrauen zu dörfen, als

Laſſen Sie mich Ihnen nur noch ſagen —
wir denken in keinem Stuͤck gleich; und wenn wir
je das gleiche thaten, ſo hatten wir doch nie die
gleichen Gruͤnde. Ich half Ihnen freylich hier
den Junker und ſeine Leute kraͤnken, aber verachte
weder ihn noch die Juͤnkerin, noch den Rollenber-
ger, am wenigſten den Lieutenant; der lezte zwang
mir eine Hochachtung ab, die ich keinem Menſchen
mehr ſchenken will.

Aber was geht es Sie an, wie ich daruͤber
denke? Ich gehe uͤber Regenſpurg nach England,
und erwarte am erſten Orte bey Ihrer Couſine ein
paar mir noͤthige Empfehlungsſchreiben von Ih-
nen; und damit Sie nicht in Verſuchung gera-
then, mich einen Poſttag darauf warten zu laſſen,
und eben ſo wenig ſich von Ihrer Hitze verleiten
laſſen, Morgens in den erſten Augenblicken von
meiner Abreiſe anderſt als in der Ordnung zu re-
den, finde ich noch noͤthig, Ihnen die Anzeige zu
machen, daß ich diejenige Papiere alle mit mir
genommen, die ich vor 3 Wochen, wie Sie glaub-
ten, vor Ihren Augen verbrannte. Ich habe die-
ſelben mit den neuern Geheimbriefen, die Sie bey
ſich herumtrugen, mit der Brieftaſche ebenfalls
mitgenommen. So viel brauchte ich, um Ihnen
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[139/0157] Laſſen Sie mich Ihnen nur noch ſagen — wir denken in keinem Stuͤck gleich; und wenn wir je das gleiche thaten, ſo hatten wir doch nie die gleichen Gruͤnde. Ich half Ihnen freylich hier den Junker und ſeine Leute kraͤnken, aber verachte weder ihn noch die Juͤnkerin, noch den Rollenber- ger, am wenigſten den Lieutenant; der lezte zwang mir eine Hochachtung ab, die ich keinem Menſchen mehr ſchenken will. Aber was geht es Sie an, wie ich daruͤber denke? Ich gehe uͤber Regenſpurg nach England, und erwarte am erſten Orte bey Ihrer Couſine ein paar mir noͤthige Empfehlungsſchreiben von Ih- nen; und damit Sie nicht in Verſuchung gera- then, mich einen Poſttag darauf warten zu laſſen, und eben ſo wenig ſich von Ihrer Hitze verleiten laſſen, Morgens in den erſten Augenblicken von meiner Abreiſe anderſt als in der Ordnung zu re- den, finde ich noch noͤthig, Ihnen die Anzeige zu machen, daß ich diejenige Papiere alle mit mir genommen, die ich vor 3 Wochen, wie Sie glaub- ten, vor Ihren Augen verbrannte. Ich habe die- ſelben mit den neuern Geheimbriefen, die Sie bey ſich herumtrugen, mit der Brieftaſche ebenfalls mitgenommen. So viel brauchte ich, um Ihnen mit Sicherheit vor die 2 erſten Stunden dieſes Morgens ſo viel Verſtand zutrauen zu doͤrfen, als

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Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/157>, abgerufen am 29.03.2024.