Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787.

Bild:
<< vorherige Seite

zellan auffallende Aehnlichkeit haben, werden immer
gemeiner; man sucht immermehr für die thierische
Vegetation die Reize dieser Erdstrichen zu erzwin-
gen, und die starken weichen Genießungen, die uns
unser Klima versagt hat, wenn wir an der Luft le-
ben, in das Innere unserer Zimmer zu bringen,
wo man mit Geld eine Luft machen kann, wie man
sie haben will -- daher die Näherung unserer Ge-
müthsstimmung mit den schwachen Lastern und
Thorheiten der heißern Gegenden -- daher das in
unserer Zeit auffallende Steigen des Aberglaubens,
der Rentes viageres, der Lottos, der Bleichsucht,
des vielartigen Kindermords, des Hautgouts in
unsern Meynungen, und die allmächtige Ehrerbie-
tung für alles was außen fix und innen nix ist --
daher die tausend sonderbaren Auftritte unserer Zeit
-- daher die schwärmerische Religiosität despotischer
Menschen -- daher die Neigung zum Bilderdienst,
und zu sinnlichen Vorstellungsarten von Gott dem
Herrn, der seinem Volk so gar in heißen Ländern
solche Vorstellungsarten verboten -- daher die Ge-
walt geheimer Verbindungen, und des Glaubens
an Menschen, die ihre wichtigsten Versprechen nicht
halten -- daher das freche Steigen aller Charla-
tanerieen, so gar das laute Rühren der Zauber-
trommel -- das alles hat den eigentlichen Feuer-
heerd, wo es seinen Gift kochet, in der Näherung
des Innwendigen der vornehmen und reichen Häu-
ser, gegen den asiatischen Zuschnitt. --

zellan auffallende Aehnlichkeit haben, werden immer
gemeiner; man ſucht immermehr fuͤr die thieriſche
Vegetation die Reize dieſer Erdſtrichen zu erzwin-
gen, und die ſtarken weichen Genießungen, die uns
unſer Klima verſagt hat, wenn wir an der Luft le-
ben, in das Innere unſerer Zimmer zu bringen,
wo man mit Geld eine Luft machen kann, wie man
ſie haben will — daher die Naͤherung unſerer Ge-
muͤthsſtimmung mit den ſchwachen Laſtern und
Thorheiten der heißern Gegenden — daher das in
unſerer Zeit auffallende Steigen des Aberglaubens,
der Rentes viageres, der Lottos, der Bleichſucht,
des vielartigen Kindermords, des Hautgouts in
unſern Meynungen, und die allmaͤchtige Ehrerbie-
tung fuͤr alles was außen fix und innen nix iſt —
daher die tauſend ſonderbaren Auftritte unſerer Zeit
— daher die ſchwaͤrmeriſche Religioſitaͤt deſpotiſcher
Menſchen — daher die Neigung zum Bilderdienſt,
und zu ſinnlichen Vorſtellungsarten von Gott dem
Herrn, der ſeinem Volk ſo gar in heißen Laͤndern
ſolche Vorſtellungsarten verboten — daher die Ge-
walt geheimer Verbindungen, und des Glaubens
an Menſchen, die ihre wichtigſten Verſprechen nicht
halten — daher das freche Steigen aller Charla-
tanerieen, ſo gar das laute Ruͤhren der Zauber-
trommel — das alles hat den eigentlichen Feuer-
heerd, wo es ſeinen Gift kochet, in der Naͤherung
des Innwendigen der vornehmen und reichen Haͤu-
ſer, gegen den aſiatiſchen Zuſchnitt. —

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0112" n="94"/>
zellan auffallende Aehnlichkeit haben, werden immer<lb/>
gemeiner; man &#x017F;ucht immermehr fu&#x0364;r die thieri&#x017F;che<lb/>
Vegetation die Reize die&#x017F;er Erd&#x017F;trichen zu erzwin-<lb/>
gen, und die &#x017F;tarken weichen Genießungen, die uns<lb/>
un&#x017F;er Klima ver&#x017F;agt hat, wenn wir an der Luft le-<lb/>
ben, in das Innere un&#x017F;erer Zimmer zu bringen,<lb/>
wo man mit Geld eine Luft machen kann, wie man<lb/>
&#x017F;ie haben will &#x2014; daher die Na&#x0364;herung un&#x017F;erer Ge-<lb/>
mu&#x0364;ths&#x017F;timmung mit den &#x017F;chwachen La&#x017F;tern und<lb/>
Thorheiten der heißern Gegenden &#x2014; daher das in<lb/>
un&#x017F;erer Zeit auffallende Steigen des Aberglaubens,<lb/>
der <hi rendition="#aq">Rentes viageres,</hi> der Lottos, der Bleich&#x017F;ucht,<lb/>
des vielartigen Kindermords, des Hautgouts in<lb/>
un&#x017F;ern Meynungen, und die allma&#x0364;chtige Ehrerbie-<lb/>
tung fu&#x0364;r alles was außen fix und innen nix i&#x017F;t &#x2014;<lb/>
daher die tau&#x017F;end &#x017F;onderbaren Auftritte un&#x017F;erer Zeit<lb/>
&#x2014; daher die &#x017F;chwa&#x0364;rmeri&#x017F;che Religio&#x017F;ita&#x0364;t de&#x017F;poti&#x017F;cher<lb/>
Men&#x017F;chen &#x2014; daher die Neigung zum Bilderdien&#x017F;t,<lb/>
und zu &#x017F;innlichen Vor&#x017F;tellungsarten von Gott dem<lb/>
Herrn, der &#x017F;einem Volk &#x017F;o gar in heißen La&#x0364;ndern<lb/>
&#x017F;olche Vor&#x017F;tellungsarten verboten &#x2014; daher die Ge-<lb/>
walt geheimer Verbindungen, und des Glaubens<lb/>
an Men&#x017F;chen, die ihre wichtig&#x017F;ten Ver&#x017F;prechen nicht<lb/>
halten &#x2014; daher das freche Steigen aller Charla-<lb/>
tanerieen, &#x017F;o gar das laute Ru&#x0364;hren der Zauber-<lb/>
trommel &#x2014; das alles hat den eigentlichen Feuer-<lb/>
heerd, wo es &#x017F;einen Gift kochet, in der Na&#x0364;herung<lb/>
des Innwendigen der vornehmen und reichen Ha&#x0364;u-<lb/>
&#x017F;er, gegen den a&#x017F;iati&#x017F;chen Zu&#x017F;chnitt. &#x2014;</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[94/0112] zellan auffallende Aehnlichkeit haben, werden immer gemeiner; man ſucht immermehr fuͤr die thieriſche Vegetation die Reize dieſer Erdſtrichen zu erzwin- gen, und die ſtarken weichen Genießungen, die uns unſer Klima verſagt hat, wenn wir an der Luft le- ben, in das Innere unſerer Zimmer zu bringen, wo man mit Geld eine Luft machen kann, wie man ſie haben will — daher die Naͤherung unſerer Ge- muͤthsſtimmung mit den ſchwachen Laſtern und Thorheiten der heißern Gegenden — daher das in unſerer Zeit auffallende Steigen des Aberglaubens, der Rentes viageres, der Lottos, der Bleichſucht, des vielartigen Kindermords, des Hautgouts in unſern Meynungen, und die allmaͤchtige Ehrerbie- tung fuͤr alles was außen fix und innen nix iſt — daher die tauſend ſonderbaren Auftritte unſerer Zeit — daher die ſchwaͤrmeriſche Religioſitaͤt deſpotiſcher Menſchen — daher die Neigung zum Bilderdienſt, und zu ſinnlichen Vorſtellungsarten von Gott dem Herrn, der ſeinem Volk ſo gar in heißen Laͤndern ſolche Vorſtellungsarten verboten — daher die Ge- walt geheimer Verbindungen, und des Glaubens an Menſchen, die ihre wichtigſten Verſprechen nicht halten — daher das freche Steigen aller Charla- tanerieen, ſo gar das laute Ruͤhren der Zauber- trommel — das alles hat den eigentlichen Feuer- heerd, wo es ſeinen Gift kochet, in der Naͤherung des Innwendigen der vornehmen und reichen Haͤu- ſer, gegen den aſiatiſchen Zuſchnitt. —

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/112
Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/112>, abgerufen am 28.03.2024.