Es wohnt in Bonnal ein Weib, das aus einem fremden Dorf dahin geheurathet, das pflanzet seit 20 Jahren schöne Blumen, zar- tes Gemüß, und feines Obs auf harten Stam- men. Bonnals rohes Geschlecht stahl ihr frey- lich alle Jahr Blumen und Köhl und Virnen und Apfel, und was es nicht stahl, das bettelte es auf Hochzeiten und Kindstaufen.
Aber ihr nachzuahmen, und ihre Blumen und ihren Köhl und ihre Apfel und ihre Bir- nen auch zu pflanzen, daran kam ihnen kein Sinn. Sie verschreyten, verleumdeten viel- mehr das Weib und sagten, sie sey keine Haus- hälterin, daß sie ihre Zeit und ihren Mist an solche Narrensachen wende, die ihr denn noch alle Jahr gestohlen werden.
Aber die Kinder des rohen Volks waren nicht manche Woche in Glüphj Stuben, so stuhnden sie am Morgen und Abend vor dem Garten der alten Frau, und ihren Blumen und ihrer Ordnung, um sie zu fragen, wie sie dieß und das mache, daß es so schön werde.
Die Alte stuhnd bey Stunden an ihrer Hauen bey ihnen still, zeigte ihnen alles, gab ihnen Blumen mit heim, und versprach ihnen Sez- linge und Saame und Schoß, wenn sie auch so Gärten machen wollen.
Und die Kinder brachten einmal solche Meyen (Blumen) in die Schul, zeigten sie ihrem Glü-
Es wohnt in Bonnal ein Weib, das aus einem fremden Dorf dahin geheurathet, das pflanzet ſeit 20 Jahren ſchoͤne Blumen, zar- tes Gemuͤß, und feines Obs auf harten Stam- men. Bonnals rohes Geſchlecht ſtahl ihr frey- lich alle Jahr Blumen und Koͤhl und Virnen und Apfel, und was es nicht ſtahl, das bettelte es auf Hochzeiten und Kindstaufen.
Aber ihr nachzuahmen, und ihre Blumen und ihren Koͤhl und ihre Apfel und ihre Bir- nen auch zu pflanzen, daran kam ihnen kein Sinn. Sie verſchreyten, verleumdeten viel- mehr das Weib und ſagten, ſie ſey keine Haus- haͤlterin, daß ſie ihre Zeit und ihren Miſt an ſolche Narrenſachen wende, die ihr denn noch alle Jahr geſtohlen werden.
Aber die Kinder des rohen Volks waren nicht manche Woche in Gluͤphj Stuben, ſo ſtuhnden ſie am Morgen und Abend vor dem Garten der alten Frau, und ihren Blumen und ihrer Ordnung, um ſie zu fragen, wie ſie dieß und das mache, daß es ſo ſchoͤn werde.
Die Alte ſtuhnd bey Stunden an ihrer Hauen bey ihnen ſtill, zeigte ihnen alles, gab ihnen Blumen mit heim, und verſprach ihnen Sez- linge und Saame und Schoß, wenn ſie auch ſo Gaͤrten machen wollen.
Und die Kinder brachten einmal ſolche Meyen (Blumen) in die Schul, zeigten ſie ihrem Gluͤ-
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Es wohnt in Bonnal ein Weib, das aus
einem fremden Dorf dahin geheurathet, das
pflanzet ſeit 20 Jahren ſchoͤne Blumen, zar-
tes Gemuͤß, und feines Obs auf harten Stam-
men. Bonnals rohes Geſchlecht ſtahl ihr frey-
lich alle Jahr Blumen und Koͤhl und Virnen
und Apfel, und was es nicht ſtahl, das bettelte
es auf Hochzeiten und Kindstaufen.
Aber ihr nachzuahmen, und ihre Blumen
und ihren Koͤhl und ihre Apfel und ihre Bir-
nen auch zu pflanzen, daran kam ihnen kein
Sinn. Sie verſchreyten, verleumdeten viel-
mehr das Weib und ſagten, ſie ſey keine Haus-
haͤlterin, daß ſie ihre Zeit und ihren Miſt an
ſolche Narrenſachen wende, die ihr denn noch
alle Jahr geſtohlen werden.
Aber die Kinder des rohen Volks waren
nicht manche Woche in Gluͤphj Stuben, ſo
ſtuhnden ſie am Morgen und Abend vor dem
Garten der alten Frau, und ihren Blumen
und ihrer Ordnung, um ſie zu fragen, wie ſie
dieß und das mache, daß es ſo ſchoͤn werde.
Die Alte ſtuhnd bey Stunden an ihrer Hauen
bey ihnen ſtill, zeigte ihnen alles, gab ihnen
Blumen mit heim, und verſprach ihnen Sez-
linge und Saame und Schoß, wenn ſie auch
ſo Gaͤrten machen wollen.
Und die Kinder brachten einmal ſolche Meyen
(Blumen) in die Schul, zeigten ſie ihrem Gluͤ-
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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785, S. 393. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785/415>, abgerufen am 23.11.2024.
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