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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785.

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geschieht euch nur der verdiente Lohn --
euere Elteren mögen mit euch machen was
sie wollen.

Die Kinder aber bathen, heulten und fie-
len fast vor ihm nieder, daß es doch so gut
sey und es thüe.

Es aber fuhr fort ihnen zu predigen was
sie vor Leuthe seyen. Ihr armen Tröpf, sagte
es ihnen, in euerem Alter Saufschulden zu
machen; sinnet ihr nicht daß ihr an Leib und
Seel Gespenster werdet, und Kupfernasen
und Träufaugen bekommt, ehe ihr fast aus-
gewachsen?

Ah! um tausend Gottswillen, sagten die
Kinder, hilf uns nur auch dies mal, wir wol-
lens denn gewiß unser Lebtag nicht mehr thun:

Es sagte nicht Ja; aber es fieng doch an
zu erzählen wie es seiner Zeit gewesen, wie
Töchteren von ihrer Gattung auch Ehr im Leib
gehabt, und in allem was sie gethan, Schaam
gezeiget, und wie das junge Volk früh und
spaht war, aber wie jezt alles darauf umgehe,
-- mit aufrechtem Rücken Brodt zu finden,
mit müssiggehen und stählen eine glatte Haut
davon tragen wolle; aber wie kein Seegen
dabey seye, und so eine Lumpen- und Diebs-
haut bald aufhöre glatt zu seyn und alle Far-
ben bekomme.


geſchieht euch nur der verdiente Lohn —
euere Elteren moͤgen mit euch machen was
ſie wollen.

Die Kinder aber bathen, heulten und fie-
len faſt vor ihm nieder, daß es doch ſo gut
ſey und es thuͤe.

Es aber fuhr fort ihnen zu predigen was
ſie vor Leuthe ſeyen. Ihr armen Troͤpf, ſagte
es ihnen, in euerem Alter Saufſchulden zu
machen; ſinnet ihr nicht daß ihr an Leib und
Seel Geſpenſter werdet, und Kupfernaſen
und Traͤufaugen bekommt, ehe ihr faſt aus-
gewachſen?

Ah! um tauſend Gottswillen, ſagten die
Kinder, hilf uns nur auch dies mal, wir wol-
lens denn gewiß unſer Lebtag nicht mehr thun:

Es ſagte nicht Ja; aber es fieng doch an
zu erzaͤhlen wie es ſeiner Zeit geweſen, wie
Toͤchteren von ihrer Gattung auch Ehr im Leib
gehabt, und in allem was ſie gethan, Schaam
gezeiget, und wie das junge Volk fruͤh und
ſpaht war, aber wie jezt alles darauf umgehe,
— mit aufrechtem Ruͤcken Brodt zu finden,
mit muͤſſiggehen und ſtaͤhlen eine glatte Haut
davon tragen wolle; aber wie kein Seegen
dabey ſeye, und ſo eine Lumpen- und Diebs-
haut bald aufhoͤre glatt zu ſeyn und alle Far-
ben bekomme.


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[18/0040] geſchieht euch nur der verdiente Lohn — euere Elteren moͤgen mit euch machen was ſie wollen. Die Kinder aber bathen, heulten und fie- len faſt vor ihm nieder, daß es doch ſo gut ſey und es thuͤe. Es aber fuhr fort ihnen zu predigen was ſie vor Leuthe ſeyen. Ihr armen Troͤpf, ſagte es ihnen, in euerem Alter Saufſchulden zu machen; ſinnet ihr nicht daß ihr an Leib und Seel Geſpenſter werdet, und Kupfernaſen und Traͤufaugen bekommt, ehe ihr faſt aus- gewachſen? Ah! um tauſend Gottswillen, ſagten die Kinder, hilf uns nur auch dies mal, wir wol- lens denn gewiß unſer Lebtag nicht mehr thun: Es ſagte nicht Ja; aber es fieng doch an zu erzaͤhlen wie es ſeiner Zeit geweſen, wie Toͤchteren von ihrer Gattung auch Ehr im Leib gehabt, und in allem was ſie gethan, Schaam gezeiget, und wie das junge Volk fruͤh und ſpaht war, aber wie jezt alles darauf umgehe, — mit aufrechtem Ruͤcken Brodt zu finden, mit muͤſſiggehen und ſtaͤhlen eine glatte Haut davon tragen wolle; aber wie kein Seegen dabey ſeye, und ſo eine Lumpen- und Diebs- haut bald aufhoͤre glatt zu ſeyn und alle Far- ben bekomme.

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Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785/40>, abgerufen am 23.04.2024.