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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785.

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still stehen, wenn man etwas mit ihm reden
wollte; -- und wenn ihn nicht der Hochmuth
stechen würde, so würde ers thun.

Zwar widersprachen alle Kinder hierinn ih-
ren Eltern, und sagten er sey gewiß nicht hoch-
müthig.

Aber das half nichts, diese antworteten ih-
nen: wenn er schon mit euch gut ist, so kann
er um deswillen doch hochmüthig seyn.

Aber das Regenwetter, das in der dritten
Woche, da er Schul hielt, einfiel, richtete bey
den Leuthen für ihn aus, was die guten Kin-
der mit allem ihrem Reden nicht für ihn aus-
richteten.

Es ist eine Ordnung in Bonnal, daß sint
20 Jahren ein verfauleter Steig vor dem
Schulhaus nicht einmal wieder gemacht wor-
den; und die Kinder, wenns ein paar Tag
nach einander geregnet, fast bis an die Waden
hinauf naß werden müssen, wenn sie über die
Kengelgaß in die Schul wollen.

Aber das erste mal, da der Glüphi die Gaß
so voll Wasser sah, stuhnd er, so bald die Kin-
der anftengen zu kommen, in vollem Regen in
die Mitte der Gaß hinein, und lupfte eines
nach dem andern über den Bach.

Das dunkte ein paar Männer und Weiber,
die gerade vor der Schul über wohnten, und
just diejenige, die am meisten klagten, er möge

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ſtill ſtehen, wenn man etwas mit ihm reden
wollte; — und wenn ihn nicht der Hochmuth
ſtechen wuͤrde, ſo wuͤrde ers thun.

Zwar widerſprachen alle Kinder hierinn ih-
ren Eltern, und ſagten er ſey gewiß nicht hoch-
muͤthig.

Aber das half nichts, dieſe antworteten ih-
nen: wenn er ſchon mit euch gut iſt, ſo kann
er um deswillen doch hochmuͤthig ſeyn.

Aber das Regenwetter, das in der dritten
Woche, da er Schul hielt, einfiel, richtete bey
den Leuthen fuͤr ihn aus, was die guten Kin-
der mit allem ihrem Reden nicht fuͤr ihn aus-
richteten.

Es iſt eine Ordnung in Bonnal, daß ſint
20 Jahren ein verfauleter Steig vor dem
Schulhaus nicht einmal wieder gemacht wor-
den; und die Kinder, wenns ein paar Tag
nach einander geregnet, faſt bis an die Waden
hinauf naß werden muͤſſen, wenn ſie uͤber die
Kengelgaß in die Schul wollen.

Aber das erſte mal, da der Gluͤphi die Gaß
ſo voll Waſſer ſah, ſtuhnd er, ſo bald die Kin-
der anftengen zu kommen, in vollem Regen in
die Mitte der Gaß hinein, und lupfte eines
nach dem andern uͤber den Bach.

Das dunkte ein paar Maͤnner und Weiber,
die gerade vor der Schul uͤber wohnten, und
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[311/0333] ſtill ſtehen, wenn man etwas mit ihm reden wollte; — und wenn ihn nicht der Hochmuth ſtechen wuͤrde, ſo wuͤrde ers thun. Zwar widerſprachen alle Kinder hierinn ih- ren Eltern, und ſagten er ſey gewiß nicht hoch- muͤthig. Aber das half nichts, dieſe antworteten ih- nen: wenn er ſchon mit euch gut iſt, ſo kann er um deswillen doch hochmuͤthig ſeyn. Aber das Regenwetter, das in der dritten Woche, da er Schul hielt, einfiel, richtete bey den Leuthen fuͤr ihn aus, was die guten Kin- der mit allem ihrem Reden nicht fuͤr ihn aus- richteten. Es iſt eine Ordnung in Bonnal, daß ſint 20 Jahren ein verfauleter Steig vor dem Schulhaus nicht einmal wieder gemacht wor- den; und die Kinder, wenns ein paar Tag nach einander geregnet, faſt bis an die Waden hinauf naß werden muͤſſen, wenn ſie uͤber die Kengelgaß in die Schul wollen. Aber das erſte mal, da der Gluͤphi die Gaß ſo voll Waſſer ſah, ſtuhnd er, ſo bald die Kin- der anftengen zu kommen, in vollem Regen in die Mitte der Gaß hinein, und lupfte eines nach dem andern uͤber den Bach. Das dunkte ein paar Maͤnner und Weiber, die gerade vor der Schul uͤber wohnten, und juſt diejenige, die am meiſten klagten, er moͤge U 4

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Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785, S. 311. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785/333>, abgerufen am 27.11.2024.