Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785.

Bild:
<< vorherige Seite

Lieutenant und die Margreth jezt thaten, aber
auf das blosse Traumen von Sachen die er nicht
näher kannte, war er zu ehrlich das Gute das
der alte Unterricht doch auch noch hatte, seinen
Kindern zu entziehen.

Aber jezt, da die bessere Wahrheit und die
Vorzüge der Uebungen im Thun, vor den Ueb-
ungen im Reden vor seinen Augen stuhnden,
folgte er dieser bessern Wahrheit und that in
seinem Alter Riesenschritte in der Abänderung
seines Volks-Unterrichts.

Er ließ von nun an seine Kinder gar keine
Meynungen mehr auswendig lehrnen, mit Na-
men nicht die Zankapfel-Fragen, die seit zwey
hundert Jahren das gute Volk der Christen
in viele Theile getheilt, und gewiß dem Land-
volk den Weg zum ewigen Leben nicht erleich-
tert; und besonders die Ehr- und nothfeste Frag,
die noch vor zwey Jahren in seiner Gemeind
einen Todschlag veranlasset, verkleibte er in
allen Lehrbüchern seinen Kindern mit Papen,
und er achtete es gar nicht daß unten und
oben in diesem verkleibten Blatt noch allerhand
Sachen stuhnden die ganz gut waren; denn
er war jezt alle Stund mehr überzeugt daß
der Mensch wenig oder nichts verliere wenn
er Worte verliere.

Aber indem er mit Gott, wie Luther sei-
nem Volk, durchstrich den abentheurlichen Wort-

Lieutenant und die Margreth jezt thaten, aber
auf das bloſſe Traumen von Sachen die er nicht
naͤher kannte, war er zu ehrlich das Gute das
der alte Unterricht doch auch noch hatte, ſeinen
Kindern zu entziehen.

Aber jezt, da die beſſere Wahrheit und die
Vorzuͤge der Uebungen im Thun, vor den Ueb-
ungen im Reden vor ſeinen Augen ſtuhnden,
folgte er dieſer beſſern Wahrheit und that in
ſeinem Alter Rieſenſchritte in der Abaͤnderung
ſeines Volks-Unterrichts.

Er ließ von nun an ſeine Kinder gar keine
Meynungen mehr auswendig lehrnen, mit Na-
men nicht die Zankapfel-Fragen, die ſeit zwey
hundert Jahren das gute Volk der Chriſten
in viele Theile getheilt, und gewiß dem Land-
volk den Weg zum ewigen Leben nicht erleich-
tert; und beſonders die Ehr- und nothfeſte Frag,
die noch vor zwey Jahren in ſeiner Gemeind
einen Todſchlag veranlaſſet, verkleibte er in
allen Lehrbuͤchern ſeinen Kindern mit Papen,
und er achtete es gar nicht daß unten und
oben in dieſem verkleibten Blatt noch allerhand
Sachen ſtuhnden die ganz gut waren; denn
er war jezt alle Stund mehr uͤberzeugt daß
der Menſch wenig oder nichts verliere wenn
er Worte verliere.

Aber indem er mit Gott, wie Luther ſei-
nem Volk, durchſtrich den abentheurlichen Wort-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0320" n="298"/>
Lieutenant und die Margreth jezt thaten, aber<lb/>
auf das blo&#x017F;&#x017F;e Traumen von Sachen die er nicht<lb/>
na&#x0364;her kannte, war er zu ehrlich das Gute das<lb/>
der alte Unterricht doch auch noch hatte, &#x017F;einen<lb/>
Kindern zu entziehen.</p><lb/>
        <p>Aber jezt, da die be&#x017F;&#x017F;ere Wahrheit und die<lb/>
Vorzu&#x0364;ge der Uebungen im Thun, vor den Ueb-<lb/>
ungen im Reden vor &#x017F;einen Augen &#x017F;tuhnden,<lb/>
folgte er die&#x017F;er be&#x017F;&#x017F;ern Wahrheit und that in<lb/>
&#x017F;einem Alter Rie&#x017F;en&#x017F;chritte in der Aba&#x0364;nderung<lb/>
&#x017F;eines Volks-Unterrichts.</p><lb/>
        <p>Er ließ von nun an &#x017F;eine Kinder gar keine<lb/>
Meynungen mehr auswendig lehrnen, mit Na-<lb/>
men nicht die Zankapfel-Fragen, die &#x017F;eit zwey<lb/>
hundert Jahren das gute Volk der Chri&#x017F;ten<lb/>
in viele Theile getheilt, und gewiß dem Land-<lb/>
volk den Weg zum ewigen Leben nicht erleich-<lb/>
tert; und be&#x017F;onders die Ehr- und nothfe&#x017F;te Frag,<lb/>
die noch vor zwey Jahren in &#x017F;einer Gemeind<lb/>
einen Tod&#x017F;chlag veranla&#x017F;&#x017F;et, verkleibte er in<lb/>
allen Lehrbu&#x0364;chern &#x017F;einen Kindern mit Papen,<lb/>
und er achtete es gar nicht daß unten und<lb/>
oben in die&#x017F;em verkleibten Blatt noch allerhand<lb/>
Sachen &#x017F;tuhnden die ganz gut waren; denn<lb/>
er war jezt alle Stund mehr u&#x0364;berzeugt daß<lb/>
der Men&#x017F;ch wenig oder nichts verliere wenn<lb/>
er Worte verliere.</p><lb/>
        <p>Aber indem er <hi rendition="#g"><hi rendition="#fr">mit Gott</hi></hi>, wie Luther &#x017F;ei-<lb/>
nem Volk, durch&#x017F;trich den abentheurlichen Wort-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[298/0320] Lieutenant und die Margreth jezt thaten, aber auf das bloſſe Traumen von Sachen die er nicht naͤher kannte, war er zu ehrlich das Gute das der alte Unterricht doch auch noch hatte, ſeinen Kindern zu entziehen. Aber jezt, da die beſſere Wahrheit und die Vorzuͤge der Uebungen im Thun, vor den Ueb- ungen im Reden vor ſeinen Augen ſtuhnden, folgte er dieſer beſſern Wahrheit und that in ſeinem Alter Rieſenſchritte in der Abaͤnderung ſeines Volks-Unterrichts. Er ließ von nun an ſeine Kinder gar keine Meynungen mehr auswendig lehrnen, mit Na- men nicht die Zankapfel-Fragen, die ſeit zwey hundert Jahren das gute Volk der Chriſten in viele Theile getheilt, und gewiß dem Land- volk den Weg zum ewigen Leben nicht erleich- tert; und beſonders die Ehr- und nothfeſte Frag, die noch vor zwey Jahren in ſeiner Gemeind einen Todſchlag veranlaſſet, verkleibte er in allen Lehrbuͤchern ſeinen Kindern mit Papen, und er achtete es gar nicht daß unten und oben in dieſem verkleibten Blatt noch allerhand Sachen ſtuhnden die ganz gut waren; denn er war jezt alle Stund mehr uͤberzeugt daß der Menſch wenig oder nichts verliere wenn er Worte verliere. Aber indem er mit Gott, wie Luther ſei- nem Volk, durchſtrich den abentheurlichen Wort-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785/320
Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785, S. 298. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785/320>, abgerufen am 23.11.2024.