Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785.

Bild:
<< vorherige Seite

wie es seyn sollte, bey ihren Sachen. Aber
man dorfte es kaum sagen; ein jedes Wort
ärgerte, das man wieder diesen Pfarrer sag-
te. -- Es ist natürlich, seine Kinder waren
so artig und konnten so viel aus der Bibel er-
zählen, und sonst gereimtes und ungereimtes
auswendig sagen, daß ihre Eltern vor Freude
darüber ihnen die Hände unter die Füsse leg-
ten, oder wenigstens einmal die Suppe ohne
ihre Müh auf den Tisch stellten, damit sie alle
Wochen bis den Sontag ja recht viel auswen-
dig lehrnen, und dann in der Kirchen aufsa-
gen könnten. --

Es gieng so weit mit der Verirrung im
Lob dieses Pfarrers, daß man einmal einen
natürlichen Menschen, der es in aller Un-
schuld heraussagte, -- es dunke ihn, wie
eine Komödie, -- fast mit Steinen geworfen.
-- Der Mann hatte sich unrecht ausgedruckt;
man heisset solche Wundersachen, wenn sie sich
mit Unglük enden, nicht Komödien sondern
Tragödien; und diese Pfarrer-Historie endete
sich mit dem bittersten Elend des Lebens, mit
dem Elend guter Menschen, die ihre Haushal-
tungen in der Schwäche ihres Träumer-Le-
bens zerrüttet.

Der arme Pfarrer machte, daß seine beste
Kinder den Kopf in den Lüften hielten, und
die gute Kienastin, die dieser Mann selig, mit

wie es ſeyn ſollte, bey ihren Sachen. Aber
man dorfte es kaum ſagen; ein jedes Wort
aͤrgerte, das man wieder dieſen Pfarrer ſag-
te. — Es iſt natuͤrlich, ſeine Kinder waren
ſo artig und konnten ſo viel aus der Bibel er-
zaͤhlen, und ſonſt gereimtes und ungereimtes
auswendig ſagen, daß ihre Eltern vor Freude
daruͤber ihnen die Haͤnde unter die Fuͤſſe leg-
ten, oder wenigſtens einmal die Suppe ohne
ihre Muͤh auf den Tiſch ſtellten, damit ſie alle
Wochen bis den Sontag ja recht viel auswen-
dig lehrnen, und dann in der Kirchen aufſa-
gen koͤnnten. —

Es gieng ſo weit mit der Verirrung im
Lob dieſes Pfarrers, daß man einmal einen
natuͤrlichen Menſchen, der es in aller Un-
ſchuld herausſagte, — es dunke ihn, wie
eine Komoͤdie, — faſt mit Steinen geworfen.
— Der Mann hatte ſich unrecht ausgedruckt;
man heiſſet ſolche Wunderſachen, wenn ſie ſich
mit Ungluͤk enden, nicht Komoͤdien ſondern
Tragoͤdien; und dieſe Pfarrer-Hiſtorie endete
ſich mit dem bitterſten Elend des Lebens, mit
dem Elend guter Menſchen, die ihre Haushal-
tungen in der Schwaͤche ihres Traͤumer-Le-
bens zerruͤttet.

Der arme Pfarrer machte, daß ſeine beſte
Kinder den Kopf in den Luͤften hielten, und
die gute Kienaſtin, die dieſer Mann ſelig, mit

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0149" n="127"/>
wie es &#x017F;eyn &#x017F;ollte, bey ihren Sachen. Aber<lb/>
man dorfte es kaum &#x017F;agen; ein jedes Wort<lb/>
a&#x0364;rgerte, das man wieder die&#x017F;en Pfarrer &#x017F;ag-<lb/>
te. &#x2014; Es i&#x017F;t natu&#x0364;rlich, &#x017F;eine Kinder waren<lb/>
&#x017F;o artig und konnten &#x017F;o viel aus der Bibel er-<lb/>
za&#x0364;hlen, und &#x017F;on&#x017F;t gereimtes und ungereimtes<lb/>
auswendig &#x017F;agen, daß ihre Eltern vor Freude<lb/>
daru&#x0364;ber ihnen die Ha&#x0364;nde unter die Fu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e leg-<lb/>
ten, oder wenig&#x017F;tens einmal die Suppe ohne<lb/>
ihre Mu&#x0364;h auf den Ti&#x017F;ch &#x017F;tellten, damit &#x017F;ie alle<lb/>
Wochen bis den Sontag ja recht viel auswen-<lb/>
dig lehrnen, und dann in der Kirchen auf&#x017F;a-<lb/>
gen ko&#x0364;nnten. &#x2014;</p><lb/>
        <p>Es gieng &#x017F;o weit mit der Verirrung im<lb/>
Lob die&#x017F;es Pfarrers, daß man einmal einen<lb/>
natu&#x0364;rlichen Men&#x017F;chen, der es in aller Un-<lb/>
&#x017F;chuld heraus&#x017F;agte, &#x2014; es dunke ihn, wie<lb/>
eine Komo&#x0364;die, &#x2014; fa&#x017F;t mit Steinen geworfen.<lb/>
&#x2014; Der Mann hatte &#x017F;ich unrecht ausgedruckt;<lb/><choice><sic>mau</sic><corr>man</corr></choice> hei&#x017F;&#x017F;et &#x017F;olche Wunder&#x017F;achen, wenn &#x017F;ie &#x017F;ich<lb/>
mit Unglu&#x0364;k enden, nicht Komo&#x0364;dien &#x017F;ondern<lb/>
Trago&#x0364;dien; und die&#x017F;e Pfarrer-Hi&#x017F;torie endete<lb/>
&#x017F;ich mit dem bitter&#x017F;ten Elend des Lebens, mit<lb/>
dem Elend guter Men&#x017F;chen, die ihre Haushal-<lb/>
tungen in der Schwa&#x0364;che ihres Tra&#x0364;umer-Le-<lb/>
bens zerru&#x0364;ttet.</p><lb/>
        <p>Der arme Pfarrer machte, daß &#x017F;eine be&#x017F;te<lb/>
Kinder den Kopf in den Lu&#x0364;ften hielten, und<lb/>
die gute Kiena&#x017F;tin, die die&#x017F;er Mann &#x017F;elig, mit<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[127/0149] wie es ſeyn ſollte, bey ihren Sachen. Aber man dorfte es kaum ſagen; ein jedes Wort aͤrgerte, das man wieder dieſen Pfarrer ſag- te. — Es iſt natuͤrlich, ſeine Kinder waren ſo artig und konnten ſo viel aus der Bibel er- zaͤhlen, und ſonſt gereimtes und ungereimtes auswendig ſagen, daß ihre Eltern vor Freude daruͤber ihnen die Haͤnde unter die Fuͤſſe leg- ten, oder wenigſtens einmal die Suppe ohne ihre Muͤh auf den Tiſch ſtellten, damit ſie alle Wochen bis den Sontag ja recht viel auswen- dig lehrnen, und dann in der Kirchen aufſa- gen koͤnnten. — Es gieng ſo weit mit der Verirrung im Lob dieſes Pfarrers, daß man einmal einen natuͤrlichen Menſchen, der es in aller Un- ſchuld herausſagte, — es dunke ihn, wie eine Komoͤdie, — faſt mit Steinen geworfen. — Der Mann hatte ſich unrecht ausgedruckt; man heiſſet ſolche Wunderſachen, wenn ſie ſich mit Ungluͤk enden, nicht Komoͤdien ſondern Tragoͤdien; und dieſe Pfarrer-Hiſtorie endete ſich mit dem bitterſten Elend des Lebens, mit dem Elend guter Menſchen, die ihre Haushal- tungen in der Schwaͤche ihres Traͤumer-Le- bens zerruͤttet. Der arme Pfarrer machte, daß ſeine beſte Kinder den Kopf in den Luͤften hielten, und die gute Kienaſtin, die dieſer Mann ſelig, mit

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785/149
Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785/149>, abgerufen am 11.10.2024.