über diesen Punkt habe ich einmal einen Geist- lichen vor einem Tisch voll Junkeren und Pfaffen eine derbe Wahrheit sagen hören.
Es war in der Steinmarch, und man re- dete an der Tafel von dem Unterschied der Pfründen, die in einem Marchamt gegen der Gewohnheit in der Nähe von den Schlössern, besser sind als in der Ferne davon. Da sagte ein magerer Pfarrer, der unten am Tisch saß, mit einer hellen, langsamen Stimm, die hinauf tönte, daß alle Mäuler schwiegen; wenn's recht wäre Ihr Gnaden und Ihr Hoch- würden, so wärs allenthalben so. --
Warum? Warum? Riefen ihm Ritter und Pfaffen hinab? Warum Ihr Hochwürden und Gnaden? In der Nähe von Schlössern hat man Teufel auszutreiben; wenn man da- von weg ist, nur Kinder zu erziehen.
Die Augen blizten den Hochwürden und den Gnaden, da das Wort heraus war, aber ein Gescheider unter ihnen, fieng an zu lachen, und des Pfarrers Gesundheit zu trinken. Da merkten die andern, daß das ihr Spiel, und vom Schlesischen Commandeur der oben an saß, bis zum jüngsten Degen, lachte jezt alles, und alles trank dem Pfarrer auf seine Gesund- heit.
Aber noch vor dem Abend machten, das weiß ich, vom Schleisischen Kommandeur bis
uͤber dieſen Punkt habe ich einmal einen Geiſt- lichen vor einem Tiſch voll Junkeren und Pfaffen eine derbe Wahrheit ſagen hoͤren.
Es war in der Steinmarch, und man re- dete an der Tafel von dem Unterſchied der Pfruͤnden, die in einem Marchamt gegen der Gewohnheit in der Naͤhe von den Schloͤſſern, beſſer ſind als in der Ferne davon. Da ſagte ein magerer Pfarrer, der unten am Tiſch ſaß, mit einer hellen, langſamen Stimm, die hinauf toͤnte, daß alle Maͤuler ſchwiegen; wenn’s recht waͤre Ihr Gnaden und Ihr Hoch- wuͤrden, ſo waͤrs allenthalben ſo. —
Warum? Warum? Riefen ihm Ritter und Pfaffen hinab? Warum Ihr Hochwuͤrden und Gnaden? In der Naͤhe von Schloͤſſern hat man Teufel auszutreiben; wenn man da- von weg iſt, nur Kinder zu erziehen.
Die Augen blizten den Hochwuͤrden und den Gnaden, da das Wort heraus war, aber ein Geſcheider unter ihnen, fieng an zu lachen, und des Pfarrers Geſundheit zu trinken. Da merkten die andern, daß das ihr Spiel, und vom Schleſiſchen Commandeur der oben an ſaß, bis zum juͤngſten Degen, lachte jezt alles, und alles trank dem Pfarrer auf ſeine Geſund- heit.
Aber noch vor dem Abend machten, das weiß ich, vom Schleiſiſchen Kommandeur bis
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0145"n="123"/>
uͤber dieſen Punkt habe ich einmal einen Geiſt-<lb/>
lichen vor einem Tiſch voll Junkeren und<lb/>
Pfaffen eine derbe Wahrheit ſagen hoͤren.</p><lb/><p>Es war in der Steinmarch, und man re-<lb/>
dete an der Tafel von dem Unterſchied der<lb/>
Pfruͤnden, die in einem Marchamt gegen der<lb/>
Gewohnheit in der Naͤhe von den Schloͤſſern,<lb/>
beſſer ſind als in der Ferne davon. Da ſagte<lb/>
ein magerer Pfarrer, der unten am Tiſch<lb/>ſaß, mit einer hellen, langſamen Stimm, die<lb/>
hinauf toͤnte, daß alle Maͤuler ſchwiegen;<lb/>
wenn’s recht waͤre Ihr Gnaden und Ihr Hoch-<lb/>
wuͤrden, ſo waͤrs allenthalben ſo. —</p><lb/><p>Warum? Warum? Riefen ihm Ritter und<lb/>
Pfaffen hinab? Warum Ihr Hochwuͤrden<lb/>
und Gnaden? In der Naͤhe von Schloͤſſern<lb/>
hat man Teufel auszutreiben; wenn man da-<lb/>
von weg iſt, nur Kinder zu erziehen.</p><lb/><p>Die Augen blizten den Hochwuͤrden und<lb/>
den Gnaden, da das Wort heraus war, aber<lb/>
ein Geſcheider unter ihnen, fieng an zu lachen,<lb/>
und des Pfarrers Geſundheit zu trinken. Da<lb/>
merkten die andern, daß das ihr Spiel, und<lb/>
vom Schleſiſchen Commandeur der oben an<lb/>ſaß, bis zum juͤngſten Degen, lachte jezt alles,<lb/>
und alles trank dem Pfarrer auf ſeine Geſund-<lb/>
heit.</p><lb/><p>Aber noch vor dem Abend machten, das<lb/>
weiß ich, vom Schleiſiſchen Kommandeur bis<lb/></p></div></body></text></TEI>
[123/0145]
uͤber dieſen Punkt habe ich einmal einen Geiſt-
lichen vor einem Tiſch voll Junkeren und
Pfaffen eine derbe Wahrheit ſagen hoͤren.
Es war in der Steinmarch, und man re-
dete an der Tafel von dem Unterſchied der
Pfruͤnden, die in einem Marchamt gegen der
Gewohnheit in der Naͤhe von den Schloͤſſern,
beſſer ſind als in der Ferne davon. Da ſagte
ein magerer Pfarrer, der unten am Tiſch
ſaß, mit einer hellen, langſamen Stimm, die
hinauf toͤnte, daß alle Maͤuler ſchwiegen;
wenn’s recht waͤre Ihr Gnaden und Ihr Hoch-
wuͤrden, ſo waͤrs allenthalben ſo. —
Warum? Warum? Riefen ihm Ritter und
Pfaffen hinab? Warum Ihr Hochwuͤrden
und Gnaden? In der Naͤhe von Schloͤſſern
hat man Teufel auszutreiben; wenn man da-
von weg iſt, nur Kinder zu erziehen.
Die Augen blizten den Hochwuͤrden und
den Gnaden, da das Wort heraus war, aber
ein Geſcheider unter ihnen, fieng an zu lachen,
und des Pfarrers Geſundheit zu trinken. Da
merkten die andern, daß das ihr Spiel, und
vom Schleſiſchen Commandeur der oben an
ſaß, bis zum juͤngſten Degen, lachte jezt alles,
und alles trank dem Pfarrer auf ſeine Geſund-
heit.
Aber noch vor dem Abend machten, das
weiß ich, vom Schleiſiſchen Kommandeur bis
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785/145>, abgerufen am 14.10.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.