Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785.

Bild:
<< vorherige Seite

zehrten ihnen Laub und Gras ab, und gaben
ihnen Brod aus dem Sak, so viel sie hatten,
da wurden die Ziegen zähmer, und stoßten
minder.

Des Maurers Heirlj saß an einem Haag,
zeigte einer sein grosses Stük Brod, und ließ
es so halb aus dem Sak hervor guken; dann
wann die Geiß den Kopf halb in Sak herein
hatte, so zog er das Brod wieder zurük, denn
triebe das hungerige Thier so stark gegen das
Brod, daß es ihn einmal mit samt dem Sak
auf den Boden warf.

Ja, ja jezt hast Brod, wenn du mich brav
umstossest, sagte er, als er wieder aufstuhnd;
und es dunkte ihn so lustig, daß er nicht merk-
te, daß er nah bey einem Ameissenhaufen ab-
gesessen, bis er voll von diesen Thieren lief.

Da ist nicht gut Wetter, wir müssen wei-
ter, sagte er da zur Geiß, nahm, damit sie
auch komme, das Brod in die Hand. Hinter
dem Haag sahe er jezt doch, ob es richtig am
Boden, eh er absaß, denn sieng er an, der
Geiß im Ernst Brod zu geben: aber da er den
ersten Mundvoll für sie noch in der Hand hatte,
sah er des Reutj Marxen Bethelj, das nahe
bey ihm zustuhnd, und ihm auf die Hand und
der Geiß ins Maul hineinschaute, und sagte
im Augenblik zu ihm, willt auch Brod?


G 3

zehrten ihnen Laub und Gras ab, und gaben
ihnen Brod aus dem Sak, ſo viel ſie hatten,
da wurden die Ziegen zaͤhmer, und ſtoßten
minder.

Des Maurers Heirlj ſaß an einem Haag,
zeigte einer ſein groſſes Stuͤk Brod, und ließ
es ſo halb aus dem Sak hervor guken; dann
wann die Geiß den Kopf halb in Sak herein
hatte, ſo zog er das Brod wieder zuruͤk, denn
triebe das hungerige Thier ſo ſtark gegen das
Brod, daß es ihn einmal mit ſamt dem Sak
auf den Boden warf.

Ja, ja jezt haſt Brod, wenn du mich brav
umſtoſſeſt, ſagte er, als er wieder aufſtuhnd;
und es dunkte ihn ſo luſtig, daß er nicht merk-
te, daß er nah bey einem Ameiſſenhaufen ab-
geſeſſen, bis er voll von dieſen Thieren lief.

Da iſt nicht gut Wetter, wir muͤſſen wei-
ter, ſagte er da zur Geiß, nahm, damit ſie
auch komme, das Brod in die Hand. Hinter
dem Haag ſahe er jezt doch, ob es richtig am
Boden, eh er abſaß, denn ſieng er an, der
Geiß im Ernſt Brod zu geben: aber da er den
erſten Mundvoll fuͤr ſie noch in der Hand hatte,
ſah er des Reutj Marxen Bethelj, das nahe
bey ihm zuſtuhnd, und ihm auf die Hand und
der Geiß ins Maul hineinſchaute, und ſagte
im Augenblik zu ihm, willt auch Brod?


G 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0123" n="101"/>
zehrten ihnen Laub und Gras ab, und gaben<lb/>
ihnen Brod aus dem Sak, &#x017F;o viel &#x017F;ie hatten,<lb/>
da wurden die Ziegen za&#x0364;hmer, und &#x017F;toßten<lb/>
minder.</p><lb/>
        <p>Des Maurers Heirlj &#x017F;aß an einem Haag,<lb/>
zeigte einer &#x017F;ein gro&#x017F;&#x017F;es Stu&#x0364;k Brod, und ließ<lb/>
es &#x017F;o halb aus dem Sak hervor guken; dann<lb/>
wann die Geiß den Kopf halb in Sak herein<lb/>
hatte, &#x017F;o zog er das Brod wieder zuru&#x0364;k, denn<lb/>
triebe das hungerige Thier &#x017F;o &#x017F;tark gegen das<lb/>
Brod, daß es ihn einmal mit &#x017F;amt dem Sak<lb/>
auf den Boden warf.</p><lb/>
        <p>Ja, ja jezt ha&#x017F;t Brod, wenn du mich brav<lb/>
um&#x017F;to&#x017F;&#x017F;e&#x017F;t, &#x017F;agte er, als er wieder auf&#x017F;tuhnd;<lb/>
und es dunkte ihn &#x017F;o lu&#x017F;tig, daß er nicht merk-<lb/>
te, daß er nah bey einem Amei&#x017F;&#x017F;enhaufen ab-<lb/>
ge&#x017F;e&#x017F;&#x017F;en, bis er voll von die&#x017F;en Thieren lief.</p><lb/>
        <p>Da i&#x017F;t nicht gut Wetter, wir mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en wei-<lb/>
ter, &#x017F;agte er da zur Geiß, nahm, damit &#x017F;ie<lb/>
auch komme, das Brod in die Hand. Hinter<lb/>
dem Haag &#x017F;ahe er jezt doch, ob es richtig am<lb/>
Boden, eh er ab&#x017F;aß, denn &#x017F;ieng er an, der<lb/>
Geiß im Ern&#x017F;t Brod zu geben: aber da er den<lb/>
er&#x017F;ten Mundvoll fu&#x0364;r &#x017F;ie noch in der Hand hatte,<lb/>
&#x017F;ah er des Reutj Marxen Bethelj, das nahe<lb/>
bey ihm zu&#x017F;tuhnd, und ihm auf die Hand und<lb/>
der Geiß ins Maul hinein&#x017F;chaute, und &#x017F;agte<lb/>
im Augenblik zu ihm, willt auch Brod?</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="sig">G 3</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[101/0123] zehrten ihnen Laub und Gras ab, und gaben ihnen Brod aus dem Sak, ſo viel ſie hatten, da wurden die Ziegen zaͤhmer, und ſtoßten minder. Des Maurers Heirlj ſaß an einem Haag, zeigte einer ſein groſſes Stuͤk Brod, und ließ es ſo halb aus dem Sak hervor guken; dann wann die Geiß den Kopf halb in Sak herein hatte, ſo zog er das Brod wieder zuruͤk, denn triebe das hungerige Thier ſo ſtark gegen das Brod, daß es ihn einmal mit ſamt dem Sak auf den Boden warf. Ja, ja jezt haſt Brod, wenn du mich brav umſtoſſeſt, ſagte er, als er wieder aufſtuhnd; und es dunkte ihn ſo luſtig, daß er nicht merk- te, daß er nah bey einem Ameiſſenhaufen ab- geſeſſen, bis er voll von dieſen Thieren lief. Da iſt nicht gut Wetter, wir muͤſſen wei- ter, ſagte er da zur Geiß, nahm, damit ſie auch komme, das Brod in die Hand. Hinter dem Haag ſahe er jezt doch, ob es richtig am Boden, eh er abſaß, denn ſieng er an, der Geiß im Ernſt Brod zu geben: aber da er den erſten Mundvoll fuͤr ſie noch in der Hand hatte, ſah er des Reutj Marxen Bethelj, das nahe bey ihm zuſtuhnd, und ihm auf die Hand und der Geiß ins Maul hineinſchaute, und ſagte im Augenblik zu ihm, willt auch Brod? G 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785/123
Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785/123>, abgerufen am 05.10.2024.