mußte nicht wahr seyn, wenn du den Die- ben in deinem Haus ertaptest, mußtest du ihn noch um Verzeihung bitten, daß du ihn verklagt.
Daher entstuhnd aber, daß sich Jedermann selber Recht zu verschaffen suchte. Es sind mehrere Personen auf den Tod geschlagen worden, weil man sich scheuete, sie am Rech- ten anzugreiffen, und der Krummholzer ist unter der Last seiner gestohlenen Trauben aus gleichem Grund erstikt, -- der Leutold und der alte Hügi, die ihn in ihrem Weinberg antrafen, stießen ihn mit der Tause (Bütte) die Stuffen ihres Weinberges hinunter -- sie hörten ihn unten an den Stuffen um Hilf rufen, aber sie ließen ihn liegen, weil sie keinen Prozeß mit ihm wollten, und fürchteten, er erkenne sie, wenn sie ihm zu Hilfe kämen, und dann helfe ihm der Vogt erlaugnen, daß er ihnen Trauben gestohlen.
Es war auch sicher fast in keinem Fall mehr möglich, das gröste Unrecht, das man litt, zu erweisen; -- er lenkte das Recht wohin er wollte, -- Wahrheit oder Lügen war gleich viel, -- was er wollte war, Ja! -- und was er nicht wollte war, Nein! Was im Verborgnen geredt worden, ward, wenn er daran sezte, ausgeforscht; und was an offener Gemeind geredt worden,
ward
mußte nicht wahr ſeyn, wenn du den Die- ben in deinem Haus ertapteſt, mußteſt du ihn noch um Verzeihung bitten, daß du ihn verklagt.
Daher entſtuhnd aber, daß ſich Jedermañ ſelber Recht zu verſchaffen ſuchte. Es ſind mehrere Perſonen auf den Tod geſchlagen worden, weil man ſich ſcheuete, ſie am Rech- ten anzugreiffen, und der Krummholzer iſt unter der Laſt ſeiner geſtohlenen Trauben aus gleichem Grund erſtikt, — der Leutold und der alte Huͤgi, die ihn in ihrem Weinberg antrafen, ſtießen ihn mit der Tauſe (Buͤtte) die Stuffen ihres Weinberges hinunter — ſie hoͤrten ihn unten an den Stuffen um Hilf rufen, aber ſie ließen ihn liegen, weil ſie keinen Prozeß mit ihm wollten, und fuͤrchteten, er erkenne ſie, wenn ſie ihm zu Hilfe kaͤmen, und dann helfe ihm der Vogt erlaugnen, daß er ihnen Trauben geſtohlen.
Es war auch ſicher faſt in keinem Fall mehr moͤglich, das groͤſte Unrecht, das man litt, zu erweiſen; — er lenkte das Recht wohin er wollte, — Wahrheit oder Luͤgen war gleich viel, — was er wollte war, Ja! — und was er nicht wollte war, Nein! Was im Verborgnen geredt worden, ward, wenn er daran ſezte, ausgeforſcht; und was an offener Gemeind geredt worden,
ward
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0305"n="287"/>
mußte nicht wahr ſeyn, wenn du den Die-<lb/>
ben in deinem Haus ertapteſt, mußteſt du<lb/>
ihn noch um Verzeihung bitten, daß du ihn<lb/>
verklagt.</p><lb/><p>Daher entſtuhnd aber, daß ſich Jedermañ<lb/>ſelber Recht zu verſchaffen ſuchte. Es ſind<lb/>
mehrere Perſonen auf den Tod geſchlagen<lb/>
worden, weil man ſich ſcheuete, ſie am Rech-<lb/>
ten anzugreiffen, und der Krummholzer iſt<lb/>
unter der Laſt ſeiner geſtohlenen Trauben aus<lb/>
gleichem Grund erſtikt, — der Leutold und<lb/>
der alte Huͤgi, die ihn in ihrem Weinberg<lb/>
antrafen, ſtießen ihn mit der Tauſe (Buͤtte)<lb/>
die Stuffen ihres Weinberges hinunter —<lb/>ſie hoͤrten ihn unten an den Stuffen um<lb/>
Hilf rufen, aber ſie ließen ihn liegen, weil<lb/>ſie keinen Prozeß mit ihm wollten, und<lb/>
fuͤrchteten, er erkenne ſie, wenn ſie ihm zu<lb/>
Hilfe kaͤmen, und dann helfe ihm der Vogt<lb/>
erlaugnen, daß er ihnen Trauben geſtohlen.</p><lb/><p>Es war auch ſicher faſt in keinem Fall<lb/>
mehr moͤglich, das groͤſte Unrecht, das man<lb/>
litt, zu erweiſen; — er lenkte das Recht<lb/>
wohin er wollte, — Wahrheit oder Luͤgen<lb/>
war gleich viel, — was er wollte war,<lb/>
Ja! — und was er nicht wollte war, Nein!<lb/>
Was im Verborgnen geredt worden, ward,<lb/>
wenn er daran ſezte, ausgeforſcht; und<lb/>
was an offener Gemeind geredt worden,<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ward</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[287/0305]
mußte nicht wahr ſeyn, wenn du den Die-
ben in deinem Haus ertapteſt, mußteſt du
ihn noch um Verzeihung bitten, daß du ihn
verklagt.
Daher entſtuhnd aber, daß ſich Jedermañ
ſelber Recht zu verſchaffen ſuchte. Es ſind
mehrere Perſonen auf den Tod geſchlagen
worden, weil man ſich ſcheuete, ſie am Rech-
ten anzugreiffen, und der Krummholzer iſt
unter der Laſt ſeiner geſtohlenen Trauben aus
gleichem Grund erſtikt, — der Leutold und
der alte Huͤgi, die ihn in ihrem Weinberg
antrafen, ſtießen ihn mit der Tauſe (Buͤtte)
die Stuffen ihres Weinberges hinunter —
ſie hoͤrten ihn unten an den Stuffen um
Hilf rufen, aber ſie ließen ihn liegen, weil
ſie keinen Prozeß mit ihm wollten, und
fuͤrchteten, er erkenne ſie, wenn ſie ihm zu
Hilfe kaͤmen, und dann helfe ihm der Vogt
erlaugnen, daß er ihnen Trauben geſtohlen.
Es war auch ſicher faſt in keinem Fall
mehr moͤglich, das groͤſte Unrecht, das man
litt, zu erweiſen; — er lenkte das Recht
wohin er wollte, — Wahrheit oder Luͤgen
war gleich viel, — was er wollte war,
Ja! — und was er nicht wollte war, Nein!
Was im Verborgnen geredt worden, ward,
wenn er daran ſezte, ausgeforſcht; und
was an offener Gemeind geredt worden,
ward
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783, S. 287. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard02_1783/305>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.