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Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783.

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"Es wird ihm niemand nichts weiter ma-
chen", sagte das Volk laut in allen Bän-
ken.

Dann sprach Arner: "Jch will auch hier-
inn nichts weniger als euch Unrecht oder Ge-
walt anthun. Wenn jemand eine Klage wi-
der den Mann hat, und standhaft über ihn
etwas gefährliches oder ungebührliches weiß,
so redet, und ich will ihm keinen Schuz ge-
ben." -- Aber es war niemand, der etwas
wider ihn wußte.

Nach diesem sagte der Junker: "Es nimmt
mich doch wunder, ob auch kein einziger un-
ter den Vorgesezten und übrigen Angeklag-
ten empfinde, daß es izt Zeit wäre, unver-
hollen selber zu bekennen, daß es mit dem
Hünerträger ein abgeredtes Spiel und da-
hin abgesehen gewesen, die Allment-Ver-
theilung zu erschweren."

Die Vorgesezten sahen einander an, und
der Renold, der unter ihnen saß, bath links
und rechts, sie sollten sagen, was an der
Sache sey -- und sie folgten izt, das erste
Mal in ihrem Leben, dem guten Mann.
Sie begriffen den Vortheil des Augenbliks,
den Junker, den sie nicht meistern konnten,
wieder gut zu machen. Jhrer viere standen
auf, und bekannten: "Ja, es sey wahr,
sie haben nur die Allment-Vertheilung hin-

dern

„Es wird ihm niemand nichts weiter ma-
chen“, ſagte das Volk laut in allen Baͤn-
ken.

Dann ſprach Arner: „Jch will auch hier-
inn nichts weniger als euch Unrecht oder Ge-
walt anthun. Wenn jemand eine Klage wi-
der den Mann hat, und ſtandhaft uͤber ihn
etwas gefaͤhrliches oder ungebuͤhrliches weiß,
ſo redet, und ich will ihm keinen Schuz ge-
ben.“ — Aber es war niemand, der etwas
wider ihn wußte.

Nach dieſem ſagte der Junker: „Es nim̃t
mich doch wunder, ob auch kein einziger un-
ter den Vorgeſezten und uͤbrigen Angeklag-
ten empfinde, daß es izt Zeit waͤre, unver-
hollen ſelber zu bekennen, daß es mit dem
Huͤnertraͤger ein abgeredtes Spiel und da-
hin abgeſehen geweſen, die Allment-Ver-
theilung zu erſchweren.“

Die Vorgeſezten ſahen einander an, und
der Renold, der unter ihnen ſaß, bath links
und rechts, ſie ſollten ſagen, was an der
Sache ſey — und ſie folgten izt, das erſte
Mal in ihrem Leben, dem guten Mann.
Sie begriffen den Vortheil des Augenbliks,
den Junker, den ſie nicht meiſtern konnten,
wieder gut zu machen. Jhrer viere ſtanden
auf, und bekannten: „Ja, es ſey wahr,
ſie haben nur die Allment-Vertheilung hin-

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[203/0221] „Es wird ihm niemand nichts weiter ma- chen“, ſagte das Volk laut in allen Baͤn- ken. Dann ſprach Arner: „Jch will auch hier- inn nichts weniger als euch Unrecht oder Ge- walt anthun. Wenn jemand eine Klage wi- der den Mann hat, und ſtandhaft uͤber ihn etwas gefaͤhrliches oder ungebuͤhrliches weiß, ſo redet, und ich will ihm keinen Schuz ge- ben.“ — Aber es war niemand, der etwas wider ihn wußte. Nach dieſem ſagte der Junker: „Es nim̃t mich doch wunder, ob auch kein einziger un- ter den Vorgeſezten und uͤbrigen Angeklag- ten empfinde, daß es izt Zeit waͤre, unver- hollen ſelber zu bekennen, daß es mit dem Huͤnertraͤger ein abgeredtes Spiel und da- hin abgeſehen geweſen, die Allment-Ver- theilung zu erſchweren.“ Die Vorgeſezten ſahen einander an, und der Renold, der unter ihnen ſaß, bath links und rechts, ſie ſollten ſagen, was an der Sache ſey — und ſie folgten izt, das erſte Mal in ihrem Leben, dem guten Mann. Sie begriffen den Vortheil des Augenbliks, den Junker, den ſie nicht meiſtern konnten, wieder gut zu machen. Jhrer viere ſtanden auf, und bekannten: „Ja, es ſey wahr, ſie haben nur die Allment-Vertheilung hin- dern

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Zitationshilfe: Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard02_1783/221>, abgerufen am 06.05.2024.