Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783.

Bild:
<< vorherige Seite

Komm nur, wenns dich so gelüstet,
sagte der Waibel.

"Er hat doch auch gar keine Schaam im
Leibe, sagten seine Nachbarn."

Als die 12. bey einander waren, befahl der
Junker der ganzen Gemeinde mit entblöß-
tem Haupt zu stehen; und den zwölf Män-
nern, sich zu sezen, und die Hüt' aufzu-
legen: aber die meisten hatten keine.

Man gebe ihnen nur der Vorgesezten
ihre, die brauchen izt keine. --

Und d[er] Waibel nahm zwölf Vorgesez-
ten die Hüt' aus den Händen, und gab sie
den Armen, die sie dann aufsezten.

Nun mußten die zwey und zwanzig ge-
gen diese Männer gekehrt, niederknien,
und der Junker befahl, einem jeden zuerst
vorzulesen, was er bey seinem Eid dem Un-
tervogt Meyer angegeben, das er an Heu
und Vieh besize -- und dann, was sich
befunden, das er an beyden Stüken wirk-
lich besessen; und ein Jeder mußte in An-
sehung beyder Stüke laut und deutlich vor
der ganzen Gemeinde bekennen, daß es so
sey, wie man ihm vorgelesen.

-- Der Schreiber las izt --

Der Geschworne Kalberleder zuerst 10.
Klafter Heu, und izt 18. Jsts nicht so?

Kalberleder. Es ist so.

Schrei-

Komm nur, wenns dich ſo geluͤſtet,
ſagte der Waibel.

„Er hat doch auch gar keine Schaam im
Leibe, ſagten ſeine Nachbarn.“

Als die 12. bey einander waren, befahl der
Junker der ganzen Gemeinde mit entbloͤß-
tem Haupt zu ſtehen; und den zwoͤlf Maͤn-
nern, ſich zu ſezen, und die Huͤt' aufzu-
legen: aber die meiſten hatten keine.

Man gebe ihnen nur der Vorgeſezten
ihre, die brauchen izt keine. —

Und d[er] Waibel nahm zwoͤlf Vorgeſez-
ten die Huͤt' aus den Haͤnden, und gab ſie
den Armen, die ſie dann aufſezten.

Nun mußten die zwey und zwanzig ge-
gen dieſe Maͤnner gekehrt, niederknien,
und der Junker befahl, einem jeden zuerſt
vorzuleſen, was er bey ſeinem Eid dem Un-
tervogt Meyer angegeben, das er an Heu
und Vieh beſize — und dann, was ſich
befunden, das er an beyden Stuͤken wirk-
lich beſeſſen; und ein Jeder mußte in An-
ſehung beyder Stuͤke laut und deutlich vor
der ganzen Gemeinde bekennen, daß es ſo
ſey, wie man ihm vorgeleſen.

— Der Schreiber las izt —

Der Geſchworne Kalberleder zuerſt 10.
Klafter Heu, und izt 18. Jſts nicht ſo?

Kalberleder. Es iſt ſo.

Schrei-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0205" n="187"/>
          <p>Komm nur, wenns dich &#x017F;o gelu&#x0364;&#x017F;tet,<lb/>
&#x017F;agte der Waibel.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Er hat doch auch gar keine Schaam im<lb/>
Leibe, &#x017F;agten &#x017F;eine Nachbarn.&#x201C;</p><lb/>
          <p>Als die 12. bey einander waren, befahl der<lb/>
Junker der ganzen Gemeinde mit entblo&#x0364;ß-<lb/>
tem Haupt zu &#x017F;tehen; und den zwo&#x0364;lf Ma&#x0364;n-<lb/>
nern, &#x017F;ich zu &#x017F;ezen, und die Hu&#x0364;t' aufzu-<lb/>
legen: aber die mei&#x017F;ten hatten keine.</p><lb/>
          <p>Man gebe ihnen nur der Vorge&#x017F;ezten<lb/>
ihre, die brauchen izt keine. &#x2014;</p><lb/>
          <p>Und d<supplied>er</supplied> Waibel nahm zwo&#x0364;lf Vorge&#x017F;ez-<lb/>
ten die Hu&#x0364;t' aus den Ha&#x0364;nden, und gab &#x017F;ie<lb/>
den Armen, die &#x017F;ie dann auf&#x017F;ezten.</p><lb/>
          <p>Nun mußten die zwey und zwanzig ge-<lb/>
gen die&#x017F;e Ma&#x0364;nner gekehrt, niederknien,<lb/>
und der Junker befahl, einem jeden zuer&#x017F;t<lb/>
vorzule&#x017F;en, was er bey &#x017F;einem Eid dem Un-<lb/>
tervogt Meyer angegeben, das er an Heu<lb/>
und Vieh be&#x017F;ize &#x2014; und dann, was &#x017F;ich<lb/>
befunden, das er an beyden Stu&#x0364;ken wirk-<lb/>
lich be&#x017F;e&#x017F;&#x017F;en; und ein Jeder mußte in An-<lb/>
&#x017F;ehung beyder Stu&#x0364;ke laut und deutlich vor<lb/>
der ganzen Gemeinde bekennen, daß es &#x017F;o<lb/>
&#x017F;ey, wie man ihm vorgele&#x017F;en.</p><lb/>
          <p> <hi rendition="#c">&#x2014; Der Schreiber las izt &#x2014;</hi> </p><lb/>
          <p>Der Ge&#x017F;chworne Kalberleder zuer&#x017F;t 10.<lb/>
Klafter Heu, und izt 18. J&#x017F;ts nicht &#x017F;o?</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Kalberleder.</hi> Es i&#x017F;t &#x017F;o.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#fr">Schrei-</hi> </fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[187/0205] Komm nur, wenns dich ſo geluͤſtet, ſagte der Waibel. „Er hat doch auch gar keine Schaam im Leibe, ſagten ſeine Nachbarn.“ Als die 12. bey einander waren, befahl der Junker der ganzen Gemeinde mit entbloͤß- tem Haupt zu ſtehen; und den zwoͤlf Maͤn- nern, ſich zu ſezen, und die Huͤt' aufzu- legen: aber die meiſten hatten keine. Man gebe ihnen nur der Vorgeſezten ihre, die brauchen izt keine. — Und der Waibel nahm zwoͤlf Vorgeſez- ten die Huͤt' aus den Haͤnden, und gab ſie den Armen, die ſie dann aufſezten. Nun mußten die zwey und zwanzig ge- gen dieſe Maͤnner gekehrt, niederknien, und der Junker befahl, einem jeden zuerſt vorzuleſen, was er bey ſeinem Eid dem Un- tervogt Meyer angegeben, das er an Heu und Vieh beſize — und dann, was ſich befunden, das er an beyden Stuͤken wirk- lich beſeſſen; und ein Jeder mußte in An- ſehung beyder Stuͤke laut und deutlich vor der ganzen Gemeinde bekennen, daß es ſo ſey, wie man ihm vorgeleſen. — Der Schreiber las izt — Der Geſchworne Kalberleder zuerſt 10. Klafter Heu, und izt 18. Jſts nicht ſo? Kalberleder. Es iſt ſo. Schrei-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard02_1783
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard02_1783/205
Zitationshilfe: Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard02_1783/205>, abgerufen am 06.05.2024.