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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781.

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Es war eine Viertelstunde nach zwey Uhr, da mich
unser Wächter antraf, und mich fragte: Was
trägst du Bauerngeschirr auf deinem Eyerkorb?
Ich weiß nicht mehr, was ich ihm geantwortet ha-
be, einmal die Wahrheit nicht; denn ich wollte
schweigen, bis ich sie dem Junker erzählt hätte,
welches ich heut schon vor sechs Uhr gethan habe.

Und nun, Nachbaren! wie könnt ihr jezt finden,
daß ich zu dieser Historie und zu diesem Geschirr
am Morgen vor Tag gekommen sey, wenn das, was
ich euch sage, nicht wahr ist?

Einige Bauern kratzten hinter den Ohren, ei-
nige lachten.

Der Hünerträger fuhr fort: Wenn euch das
wieder begegnet, Nachbaren! so will ich dem Wäch-
ter, den Vorgesetzten und einer ganzen ehrsamen
Gemeind in Bonnal freundnachbarlich rathen, thut
ihm dann also: Laßt den größsten Hund in euerm
Dorf ab der Ketten, so werdet ihr den Teufel bald
finden.

Der Hünerträger schweigt.

Es erhebt sich ein allgemeines Gemurmel.



§. 93.

Es war eine Viertelſtunde nach zwey Uhr, da mich
unſer Waͤchter antraf, und mich fragte: Was
traͤgſt du Bauerngeſchirr auf deinem Eyerkorb?
Ich weiß nicht mehr, was ich ihm geantwortet ha-
be, einmal die Wahrheit nicht; denn ich wollte
ſchweigen, bis ich ſie dem Junker erzaͤhlt haͤtte,
welches ich heut ſchon vor ſechs Uhr gethan habe.

Und nun, Nachbaren! wie koͤnnt ihr jezt finden,
daß ich zu dieſer Hiſtorie und zu dieſem Geſchirr
am Morgen vor Tag gekommen ſey, wenn das, was
ich euch ſage, nicht wahr iſt?

Einige Bauern kratzten hinter den Ohren, ei-
nige lachten.

Der Huͤnertraͤger fuhr fort: Wenn euch das
wieder begegnet, Nachbaren! ſo will ich dem Waͤch-
ter, den Vorgeſetzten und einer ganzen ehrſamen
Gemeind in Bonnal freundnachbarlich rathen, thut
ihm dann alſo: Laßt den groͤßſten Hund in euerm
Dorf ab der Ketten, ſo werdet ihr den Teufel bald
finden.

Der Huͤnertraͤger ſchweigt.

Es erhebt ſich ein allgemeines Gemurmel.



§. 93.
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[360/0385] Es war eine Viertelſtunde nach zwey Uhr, da mich unſer Waͤchter antraf, und mich fragte: Was traͤgſt du Bauerngeſchirr auf deinem Eyerkorb? Ich weiß nicht mehr, was ich ihm geantwortet ha- be, einmal die Wahrheit nicht; denn ich wollte ſchweigen, bis ich ſie dem Junker erzaͤhlt haͤtte, welches ich heut ſchon vor ſechs Uhr gethan habe. Und nun, Nachbaren! wie koͤnnt ihr jezt finden, daß ich zu dieſer Hiſtorie und zu dieſem Geſchirr am Morgen vor Tag gekommen ſey, wenn das, was ich euch ſage, nicht wahr iſt? Einige Bauern kratzten hinter den Ohren, ei- nige lachten. Der Huͤnertraͤger fuhr fort: Wenn euch das wieder begegnet, Nachbaren! ſo will ich dem Waͤch- ter, den Vorgeſetzten und einer ganzen ehrſamen Gemeind in Bonnal freundnachbarlich rathen, thut ihm dann alſo: Laßt den groͤßſten Hund in euerm Dorf ab der Ketten, ſo werdet ihr den Teufel bald finden. Der Huͤnertraͤger ſchweigt. Es erhebt ſich ein allgemeines Gemurmel. §. 93.

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Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781, S. 360. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781/385>, abgerufen am 22.11.2024.