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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781.

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seine Beute auf, und setzte dann seinen Weg
fort.

Kunz aber, der mit des Vogts Frau einige
Schritte voraus war, merkte, daß es eben nicht
der Teufel seyn möchte; faßt den heulenden Vogt
zimlich unsanft beym Arm, und sagt ihm:

Was ist das? Warum thust du auch so, du
Narr? O -- -- O -- -- laß mich -- -- O --
-- Teufel laß mich -- -- sagte der Vogt, der im
Schrecken nichts sah und nichts hörte.

Du Narr! ich bin Kunz, dein Nachbar; und
das ist deine Frau, sagte ihm dieser.

Die andern Männer sahn zuerst zimlich behut-
sam umher, wo etwann der Teufel doch stecken
möchte; und der mit dem Windlicht zündete sorg-
fältig in die Höhe und auf den Boden, und auf
alle vier Seiten; es steckte auch ein jeder seine rech-
te Hand in den linken Sack, zum neugebackenen
Brod, zum Testament und zum Psalter -- Da sich
aber lange nichts zeigte, faßten sie nach und nach
Muth, und einige wurden sogar munter, und fien-
gen an den Vogt zu fragen: Hat der Teufel dich
mit den Klauen gekräuelt? oder mit den Füssen
getreten, daß du so blutest?

Andre aber sprachen: Es ist jezt nicht Zeit zu
spotten; wir haben ja alle die erschreckliche Stim-
me gehört.

Kunz

ſeine Beute auf, und ſetzte dann ſeinen Weg
fort.

Kunz aber, der mit des Vogts Frau einige
Schritte voraus war, merkte, daß es eben nicht
der Teufel ſeyn moͤchte; faßt den heulenden Vogt
zimlich unſanft beym Arm, und ſagt ihm:

Was iſt das? Warum thuſt du auch ſo, du
Narr? O — — O — — laß mich — — O —
— Teufel laß mich — — ſagte der Vogt, der im
Schrecken nichts ſah und nichts hoͤrte.

Du Narr! ich bin Kunz, dein Nachbar; und
das iſt deine Frau, ſagte ihm dieſer.

Die andern Maͤnner ſahn zuerſt zimlich behut-
ſam umher, wo etwann der Teufel doch ſtecken
moͤchte; und der mit dem Windlicht zuͤndete ſorg-
faͤltig in die Hoͤhe und auf den Boden, und auf
alle vier Seiten; es ſteckte auch ein jeder ſeine rech-
te Hand in den linken Sack, zum neugebackenen
Brod, zum Teſtament und zum Pſalter — Da ſich
aber lange nichts zeigte, faßten ſie nach und nach
Muth, und einige wurden ſogar munter, und fien-
gen an den Vogt zu fragen: Hat der Teufel dich
mit den Klauen gekraͤuelt? oder mit den Fuͤſſen
getreten, daß du ſo bluteſt?

Andre aber ſprachen: Es iſt jezt nicht Zeit zu
ſpotten; wir haben ja alle die erſchreckliche Stim-
me gehoͤrt.

Kunz
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[303/0328] ſeine Beute auf, und ſetzte dann ſeinen Weg fort. Kunz aber, der mit des Vogts Frau einige Schritte voraus war, merkte, daß es eben nicht der Teufel ſeyn moͤchte; faßt den heulenden Vogt zimlich unſanft beym Arm, und ſagt ihm: Was iſt das? Warum thuſt du auch ſo, du Narr? O — — O — — laß mich — — O — — Teufel laß mich — — ſagte der Vogt, der im Schrecken nichts ſah und nichts hoͤrte. Du Narr! ich bin Kunz, dein Nachbar; und das iſt deine Frau, ſagte ihm dieſer. Die andern Maͤnner ſahn zuerſt zimlich behut- ſam umher, wo etwann der Teufel doch ſtecken moͤchte; und der mit dem Windlicht zuͤndete ſorg- faͤltig in die Hoͤhe und auf den Boden, und auf alle vier Seiten; es ſteckte auch ein jeder ſeine rech- te Hand in den linken Sack, zum neugebackenen Brod, zum Teſtament und zum Pſalter — Da ſich aber lange nichts zeigte, faßten ſie nach und nach Muth, und einige wurden ſogar munter, und fien- gen an den Vogt zu fragen: Hat der Teufel dich mit den Klauen gekraͤuelt? oder mit den Fuͤſſen getreten, daß du ſo bluteſt? Andre aber ſprachen: Es iſt jezt nicht Zeit zu ſpotten; wir haben ja alle die erſchreckliche Stim- me gehoͤrt. Kunz

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Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781, S. 303. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781/328>, abgerufen am 19.05.2024.