auf den letzten Heller zurückgeben. Er war plötz- lich wieder arm wie ein Bettler. In seiner Ar- muth stahl er, und ihr wisset, welch ein Ende er ge- nommen hat. Kinder! so sah ich immer, daß das Ende des Gottlosen Jammer und Schrecken ist.
Ich sah aber auch den tausendfachen Segen und Frieden in den stillen Hütten der Frommen -- Es ist ihnen wohl bey dem, so sie haben -- Bey wenigem ist ihnen wohl, und bey vielem sind sie genügsam. Arbeit in ihren Händen und Ruhe in ihren Herzen, das ist der Theil ihres Lebens -- Sie geniessen froh das Ihrige, und begehren das nicht, was ihrem Nächsten ist. Der Hochmuth plagt sie nicht, und der Neid verbittert ihnen ihr Leben nicht; darum sind sie immer froher und zufriedener und mehrentheils auch gesünder als die Gottlosen. Sie haben auch des Lebens Nothwendigkeiten sicherer und ruhiger; denn sie haben ihren Kopf und ihr Herz nicht bey Bosheiten, sondern bey ihrer Arbeit und bey den Geliebten ihrer stillen Hütten. -- So ist ihnen wohl im Leben. Gott im Himmel sieht herab auf ihre Sorge und auf ihren Kummer, und hilft ihnen.
Kinder meines Dorfs! o ihr Lieben! Ich sah viele fromme Arme auf ihrem Todbette, und ich habe nicht gefunden, daß Einer, ein Einziger von allen, in dieser Stunde sich über seine Armuth und über die Noth seines Lebens beklagt hätte. Alle,
alle
auf den letzten Heller zuruͤckgeben. Er war ploͤtz- lich wieder arm wie ein Bettler. In ſeiner Ar- muth ſtahl er, und ihr wiſſet, welch ein Ende er ge- nommen hat. Kinder! ſo ſah ich immer, daß das Ende des Gottloſen Jammer und Schrecken iſt.
Ich ſah aber auch den tauſendfachen Segen und Frieden in den ſtillen Huͤtten der Frommen — Es iſt ihnen wohl bey dem, ſo ſie haben — Bey wenigem iſt ihnen wohl, und bey vielem ſind ſie genuͤgſam. Arbeit in ihren Haͤnden und Ruhe in ihren Herzen, das iſt der Theil ihres Lebens — Sie genieſſen froh das Ihrige, und begehren das nicht, was ihrem Naͤchſten iſt. Der Hochmuth plagt ſie nicht, und der Neid verbittert ihnen ihr Leben nicht; darum ſind ſie immer froher und zufriedener und mehrentheils auch geſuͤnder als die Gottloſen. Sie haben auch des Lebens Nothwendigkeiten ſicherer und ruhiger; denn ſie haben ihren Kopf und ihr Herz nicht bey Bosheiten, ſondern bey ihrer Arbeit und bey den Geliebten ihrer ſtillen Huͤtten. — So iſt ihnen wohl im Leben. Gott im Himmel ſieht herab auf ihre Sorge und auf ihren Kummer, und hilft ihnen.
Kinder meines Dorfs! o ihr Lieben! Ich ſah viele fromme Arme auf ihrem Todbette, und ich habe nicht gefunden, daß Einer, ein Einziger von allen, in dieſer Stunde ſich uͤber ſeine Armuth und uͤber die Noth ſeines Lebens beklagt haͤtte. Alle,
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auf den letzten Heller zuruͤckgeben. Er war ploͤtz-
lich wieder arm wie ein Bettler. In ſeiner Ar-
muth ſtahl er, und ihr wiſſet, welch ein Ende er ge-
nommen hat. Kinder! ſo ſah ich immer, daß das
Ende des Gottloſen Jammer und Schrecken iſt.
Ich ſah aber auch den tauſendfachen Segen
und Frieden in den ſtillen Huͤtten der Frommen —
Es iſt ihnen wohl bey dem, ſo ſie haben — Bey
wenigem iſt ihnen wohl, und bey vielem ſind ſie
genuͤgſam. Arbeit in ihren Haͤnden und Ruhe in
ihren Herzen, das iſt der Theil ihres Lebens — Sie
genieſſen froh das Ihrige, und begehren das nicht,
was ihrem Naͤchſten iſt. Der Hochmuth plagt ſie
nicht, und der Neid verbittert ihnen ihr Leben nicht;
darum ſind ſie immer froher und zufriedener und
mehrentheils auch geſuͤnder als die Gottloſen. Sie
haben auch des Lebens Nothwendigkeiten ſicherer
und ruhiger; denn ſie haben ihren Kopf und ihr
Herz nicht bey Bosheiten, ſondern bey ihrer Arbeit
und bey den Geliebten ihrer ſtillen Huͤtten. — So
iſt ihnen wohl im Leben. Gott im Himmel ſieht
herab auf ihre Sorge und auf ihren Kummer, und
hilft ihnen.
Kinder meines Dorfs! o ihr Lieben! Ich ſah
viele fromme Arme auf ihrem Todbette, und ich
habe nicht gefunden, daß Einer, ein Einziger von
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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781/295>, abgerufen am 23.11.2024.
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