Hülf und Rettung will er entweder erheucheln und erliegen, oder erzwingen und erstehlen. Er traut auf seinen verwirrten wilden Sinn. Er stößt die Hand des Vaters, die sich gegen ihn ausstreckt, von sich; und wenn dieser ihm zuruft: Beug dich, mein Kind! -- ich, dein Vater, ich bin der da züchtigt, und bin der da hilft, ich, dein Vater -- so verspottet er die Stimme des Retters und sagt: Da mit meiner Hand und mit meinem Kopf will ich mir helfen, wie ich will.
Darum ist des Gottlosen Ende immer so tiefer Jammer und so tiefes Elend.
§. 61. Der alte Mann leert sein Herz aus.
Ich bin jung gewesen und alt worden, und ich habe mich viel und oft umgesehn, wie es dem Frommen und dem Gottlosen auch gehe. -- Ich habe die Kna- ben meines Dorfs mit mir aufwachsen gesehn -- Ich sah sie Männer werden -- Kinder und Kinds- kinder zeugen; und nun hab ich die von meinem Alter alle bis auf Sieben zum Grabe begleitet -- Gott! du weißst meine Stunde, wenn ich meinen Brüdern folgen soll -- Meine Kräfte nehmen ab;
aber
Huͤlf und Rettung will er entweder erheucheln und erliegen, oder erzwingen und erſtehlen. Er traut auf ſeinen verwirrten wilden Sinn. Er ſtoͤßt die Hand des Vaters, die ſich gegen ihn ausſtreckt, von ſich; und wenn dieſer ihm zuruft: Beug dich, mein Kind! — ich, dein Vater, ich bin der da zuͤchtigt, und bin der da hilft, ich, dein Vater — ſo verſpottet er die Stimme des Retters und ſagt: Da mit meiner Hand und mit meinem Kopf will ich mir helfen, wie ich will.
Darum iſt des Gottloſen Ende immer ſo tiefer Jammer und ſo tiefes Elend.
§. 61. Der alte Mann leert ſein Herz aus.
Ich bin jung geweſen und alt worden, und ich habe mich viel und oft umgeſehn, wie es dem Frommen und dem Gottloſen auch gehe. — Ich habe die Kna- ben meines Dorfs mit mir aufwachſen geſehn — Ich ſah ſie Maͤnner werden — Kinder und Kinds- kinder zeugen; und nun hab ich die von meinem Alter alle bis auf Sieben zum Grabe begleitet — Gott! du weißſt meine Stunde, wenn ich meinen Bruͤdern folgen ſoll — Meine Kraͤfte nehmen ab;
aber
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Huͤlf und Rettung will er entweder erheucheln und
erliegen, oder erzwingen und erſtehlen. Er traut
auf ſeinen verwirrten wilden Sinn. Er ſtoͤßt die
Hand des Vaters, die ſich gegen ihn ausſtreckt,
von ſich; und wenn dieſer ihm zuruft: Beug dich,
mein Kind! — ich, dein Vater, ich bin der da
zuͤchtigt, und bin der da hilft, ich, dein Vater —
ſo verſpottet er die Stimme des Retters und ſagt:
Da mit meiner Hand und mit meinem Kopf will
ich mir helfen, wie ich will.
Darum iſt des Gottloſen Ende immer ſo tiefer
Jammer und ſo tiefes Elend.
§. 61.
Der alte Mann leert ſein Herz aus.
Ich bin jung geweſen und alt worden, und ich habe
mich viel und oft umgeſehn, wie es dem Frommen
und dem Gottloſen auch gehe. — Ich habe die Kna-
ben meines Dorfs mit mir aufwachſen geſehn —
Ich ſah ſie Maͤnner werden — Kinder und Kinds-
kinder zeugen; und nun hab ich die von meinem
Alter alle bis auf Sieben zum Grabe begleitet —
Gott! du weißſt meine Stunde, wenn ich meinen
Bruͤdern folgen ſoll — Meine Kraͤfte nehmen ab;
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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781, S. 268. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781/293>, abgerufen am 23.11.2024.
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