das Leben. Eine Viertelstunde ehe der Vogt kam, hatte die Katze die Oellampe vom Ofen herunter geworfen, und ein paar Tropfen giengen verloh- ren. Du Laster! hättest du sie besser versorgt, sagte er mit seiner gewöhnten Wuth zur Frau; du kannst jezt im Finstern sitzen, und das Feuer mit Kühkoth anzünden, du Hornvieh!
Die Frau antwortete kein Wort; aber häufig flossen die Thränen von ihren Wangen, und die Kinder in allen Ecken weinten wie die Mutter.
So eben klopfte der Vogt an.
Schweigt doch! um aller Liebe willen, schweigt doch! Was will's geben, der Vogt ist vor der Thüre, sagt Kriecher; wischt den Kindern mit seinem Schnupftuch geschwind die Thränen vom Backen; droht ihnen; Wenn eines nur noch much- zet, so sehet zu, wie ich's zerhauen werde; öffnet dann dem Vogt die Thüre, bückt sich, und fragt ihn: was habt ihr zu befehlen, Herr Untervogt? Der Vogt sagt ihm kurz den Bericht.
Kriecher aber, der bey der Thüre die Ohren spitzt, und Niemand mehr weinen hört, antwortet dem Vogt: kommt doch in die Stube, Herr Un- tervogt! ich will's doch auch geschwind meiner lie- ben Frau sagen, wie ein grosses Glück mir wider- fahre. Der Vogt geht mit ihm in die Stube, und Kriecher sagt seiner Frau:
Der
das Leben. Eine Viertelſtunde ehe der Vogt kam, hatte die Katze die Oellampe vom Ofen herunter geworfen, und ein paar Tropfen giengen verloh- ren. Du Laſter! haͤtteſt du ſie beſſer verſorgt, ſagte er mit ſeiner gewoͤhnten Wuth zur Frau; du kannſt jezt im Finſtern ſitzen, und das Feuer mit Kuͤhkoth anzuͤnden, du Hornvieh!
Die Frau antwortete kein Wort; aber haͤufig floſſen die Thraͤnen von ihren Wangen, und die Kinder in allen Ecken weinten wie die Mutter.
So eben klopfte der Vogt an.
Schweigt doch! um aller Liebe willen, ſchweigt doch! Was will’s geben, der Vogt iſt vor der Thuͤre, ſagt Kriecher; wiſcht den Kindern mit ſeinem Schnupftuch geſchwind die Thraͤnen vom Backen; droht ihnen; Wenn eines nur noch much- zet, ſo ſehet zu, wie ich’s zerhauen werde; oͤffnet dann dem Vogt die Thuͤre, buͤckt ſich, und fragt ihn: was habt ihr zu befehlen, Herr Untervogt? Der Vogt ſagt ihm kurz den Bericht.
Kriecher aber, der bey der Thuͤre die Ohren ſpitzt, und Niemand mehr weinen hoͤrt, antwortet dem Vogt: kommt doch in die Stube, Herr Un- tervogt! ich will’s doch auch geſchwind meiner lie- ben Frau ſagen, wie ein groſſes Gluͤck mir wider- fahre. Der Vogt geht mit ihm in die Stube, und Kriecher ſagt ſeiner Frau:
Der
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0153"n="128"/>
das Leben. Eine Viertelſtunde ehe der Vogt kam,<lb/>
hatte die Katze die Oellampe vom Ofen herunter<lb/>
geworfen, und ein paar Tropfen giengen verloh-<lb/>
ren. Du Laſter! haͤtteſt du ſie beſſer verſorgt,<lb/>ſagte er mit ſeiner gewoͤhnten Wuth zur Frau; du<lb/>
kannſt jezt im Finſtern ſitzen, und das Feuer mit<lb/>
Kuͤhkoth anzuͤnden, du Hornvieh!</p><lb/><p>Die Frau antwortete kein Wort; aber haͤufig<lb/>
floſſen die Thraͤnen von ihren Wangen, und die<lb/>
Kinder in allen Ecken weinten wie die Mutter.</p><lb/><p><hirendition="#et">So eben klopfte der Vogt an.</hi></p><lb/><p>Schweigt doch! um aller Liebe willen, ſchweigt<lb/>
doch! Was will’s geben, der Vogt iſt vor der<lb/>
Thuͤre, ſagt Kriecher; wiſcht den Kindern mit<lb/>ſeinem Schnupftuch geſchwind die Thraͤnen vom<lb/>
Backen; droht ihnen; Wenn eines nur noch much-<lb/>
zet, ſo ſehet zu, wie ich’s zerhauen werde; oͤffnet dann<lb/>
dem Vogt die Thuͤre, buͤckt ſich, und fragt ihn:<lb/>
was habt ihr zu befehlen, Herr Untervogt? Der<lb/>
Vogt ſagt ihm kurz den Bericht.</p><lb/><p>Kriecher aber, der bey der Thuͤre die Ohren<lb/>ſpitzt, und Niemand mehr weinen hoͤrt, antwortet<lb/>
dem Vogt: kommt doch in die Stube, Herr Un-<lb/>
tervogt! ich will’s doch auch geſchwind meiner lie-<lb/>
ben Frau ſagen, wie ein groſſes Gluͤck mir wider-<lb/>
fahre. Der Vogt geht mit ihm in die Stube,<lb/>
und Kriecher ſagt ſeiner Frau:</p><lb/><fwplace="bottom"type="catch">Der</fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[128/0153]
das Leben. Eine Viertelſtunde ehe der Vogt kam,
hatte die Katze die Oellampe vom Ofen herunter
geworfen, und ein paar Tropfen giengen verloh-
ren. Du Laſter! haͤtteſt du ſie beſſer verſorgt,
ſagte er mit ſeiner gewoͤhnten Wuth zur Frau; du
kannſt jezt im Finſtern ſitzen, und das Feuer mit
Kuͤhkoth anzuͤnden, du Hornvieh!
Die Frau antwortete kein Wort; aber haͤufig
floſſen die Thraͤnen von ihren Wangen, und die
Kinder in allen Ecken weinten wie die Mutter.
So eben klopfte der Vogt an.
Schweigt doch! um aller Liebe willen, ſchweigt
doch! Was will’s geben, der Vogt iſt vor der
Thuͤre, ſagt Kriecher; wiſcht den Kindern mit
ſeinem Schnupftuch geſchwind die Thraͤnen vom
Backen; droht ihnen; Wenn eines nur noch much-
zet, ſo ſehet zu, wie ich’s zerhauen werde; oͤffnet dann
dem Vogt die Thuͤre, buͤckt ſich, und fragt ihn:
was habt ihr zu befehlen, Herr Untervogt? Der
Vogt ſagt ihm kurz den Bericht.
Kriecher aber, der bey der Thuͤre die Ohren
ſpitzt, und Niemand mehr weinen hoͤrt, antwortet
dem Vogt: kommt doch in die Stube, Herr Un-
tervogt! ich will’s doch auch geſchwind meiner lie-
ben Frau ſagen, wie ein groſſes Gluͤck mir wider-
fahre. Der Vogt geht mit ihm in die Stube,
und Kriecher ſagt ſeiner Frau:
Der
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781/153>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.