Vogt. Beruhige dich, Wüst! Schlag es doch jezt aus dem Kopf, und vergiß es, bis du wieder gesund seyn wirst. Du wirst dann wohl wieder sehn, daß ich Recht habe: und ich will dir deine Hand- schrift zerreissen, es macht dich vielleicht auch ruhiger.
Wüst. Nein, Vogt! Behalte die Handschrift. Sollte ich vor Hunger mein Fleisch fressen, so werde ich dir die Schuld bezahlen. Ich will kein Blutgeld auf meine Seele. Hast du mich betro- gen, hat mich der Vicari eingeschläfert, so wird vielleicht Gott noch mir verzeihen; ich meynte nicht, daß es so kommen würde.
Vogt. Nimm diese Handschrift, Wüst! sieh, ich zerreisse sie vor deinen Augen, und ich nehme es auf mich, daß ich Recht hatte. Sey doch ruhig!
Wüst. Nimm auf dich, was du willst, Vogt! ich werde dir die Schuld zahlen. Uebermorgen ver- kauf ich meinen Sonntagsrock, und werde dir die Schuld zahlen.
Vogt. Besinne dich eines Bessern, du irrest dich in Gottes Namen; aber ich muß einmal weiter.
Wüst. Gott Lob! daß du gehst; bliebest du länger, ich würde ausser mir selber kommen vor deinen Augen.
Vogt. Beruhige dich, Wüst, in Gottes Namen!
Sie giengen jetzt von einander.
Der
Vogt. Beruhige dich, Wuͤſt! Schlag es doch jezt aus dem Kopf, und vergiß es, bis du wieder geſund ſeyn wirſt. Du wirſt dann wohl wieder ſehn, daß ich Recht habe: und ich will dir deine Hand- ſchrift zerreiſſen, es macht dich vielleicht auch ruhiger.
Wuͤſt. Nein, Vogt! Behalte die Handſchrift. Sollte ich vor Hunger mein Fleiſch freſſen, ſo werde ich dir die Schuld bezahlen. Ich will kein Blutgeld auf meine Seele. Haſt du mich betro- gen, hat mich der Vicari eingeſchlaͤfert, ſo wird vielleicht Gott noch mir verzeihen; ich meynte nicht, daß es ſo kommen wuͤrde.
Vogt. Nimm dieſe Handſchrift, Wuͤſt! ſieh, ich zerreiſſe ſie vor deinen Augen, und ich nehme es auf mich, daß ich Recht hatte. Sey doch ruhig!
Wuͤſt. Nimm auf dich, was du willſt, Vogt! ich werde dir die Schuld zahlen. Uebermorgen ver- kauf ich meinen Sonntagsrock, und werde dir die Schuld zahlen.
Vogt. Beſinne dich eines Beſſern, du irreſt dich in Gottes Namen; aber ich muß einmal weiter.
Wuͤſt. Gott Lob! daß du gehſt; bliebeſt du laͤnger, ich wuͤrde auſſer mir ſelber kommen vor deinen Augen.
Vogt. Beruhige dich, Wuͤſt, in Gottes Namen!
Sie giengen jetzt von einander.
Der
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Vogt. Beruhige dich, Wuͤſt! Schlag es doch
jezt aus dem Kopf, und vergiß es, bis du wieder
geſund ſeyn wirſt. Du wirſt dann wohl wieder
ſehn, daß ich Recht habe: und ich will dir deine Hand-
ſchrift zerreiſſen, es macht dich vielleicht auch
ruhiger.
Wuͤſt. Nein, Vogt! Behalte die Handſchrift.
Sollte ich vor Hunger mein Fleiſch freſſen, ſo
werde ich dir die Schuld bezahlen. Ich will kein
Blutgeld auf meine Seele. Haſt du mich betro-
gen, hat mich der Vicari eingeſchlaͤfert, ſo wird
vielleicht Gott noch mir verzeihen; ich meynte nicht,
daß es ſo kommen wuͤrde.
Vogt. Nimm dieſe Handſchrift, Wuͤſt! ſieh,
ich zerreiſſe ſie vor deinen Augen, und ich nehme
es auf mich, daß ich Recht hatte. Sey doch ruhig!
Wuͤſt. Nimm auf dich, was du willſt, Vogt!
ich werde dir die Schuld zahlen. Uebermorgen ver-
kauf ich meinen Sonntagsrock, und werde dir die
Schuld zahlen.
Vogt. Beſinne dich eines Beſſern, du irreſt
dich in Gottes Namen; aber ich muß einmal
weiter.
Wuͤſt. Gott Lob! daß du gehſt; bliebeſt du
laͤnger, ich wuͤrde auſſer mir ſelber kommen vor
deinen Augen.
Vogt. Beruhige dich, Wuͤſt, in Gottes Namen!
Sie giengen jetzt von einander.
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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781/148>, abgerufen am 02.05.2024.
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