Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781.

Bild:
<< vorherige Seite

deinem Vater ein Papier, das mir der Herr Pfar-
rer gab, bey dem ich diente. Wenn du älter seyn
wirst: so lies es, und denk an mich, und sey fromm
und treu.

Es war ein Zeugniß von dem verstorbenen Pfar-
rer in Eichstätten, daß die kranke Cathrine zehn Jahre
bey ihm gedienet, und ihm so zu sagen geholfen
hätte, seine Kinder erziehen, nachdem seine Frau
ihm gestorben war; daß der Cathrine alles anver-
traut gewesen sey, und daß sie alles wohl so sorg-
fältig als seine Frau sel. regiert habe. Der Pfar-
rer dankt ihr darum, und sagt: daß sie wie eine
Mutter an seinen Kindern gehandelt habe; und
daß er in seinem Leben nicht vergessen werde,
was sie in seinem Witwenstand an ihm gethan
habe. Sie hatte auch wirklich ein beträchtli-
ches Stück Geld in diesem Dienst erworben, und
solches ihrem sel. Mann an die Matte gege-
ben, die der Vogt ihnen hernach wieder abproces-
siert hat.

Nachdem sie dem Rudi dieses Papier gegeben
hatte, sagte sie ferner -- Es sind noch zwey gute
Hemder da. Gieb mir keines von diesen ins Grab;
das, so ich trage, ist recht.

Und meinen Rock und meine zwey Fürtücher
lasse, so bald ich todt seyn werde, den Kindern ver-
schneiden.

Und
G 4

deinem Vater ein Papier, das mir der Herr Pfar-
rer gab, bey dem ich diente. Wenn du aͤlter ſeyn
wirſt: ſo lies es, und denk an mich, und ſey fromm
und treu.

Es war ein Zeugniß von dem verſtorbenen Pfar-
rer in Eichſtaͤtten, daß die kranke Cathrine zehn Jahre
bey ihm gedienet, und ihm ſo zu ſagen geholfen
haͤtte, ſeine Kinder erziehen, nachdem ſeine Frau
ihm geſtorben war; daß der Cathrine alles anver-
traut geweſen ſey, und daß ſie alles wohl ſo ſorg-
faͤltig als ſeine Frau ſel. regiert habe. Der Pfar-
rer dankt ihr darum, und ſagt: daß ſie wie eine
Mutter an ſeinen Kindern gehandelt habe; und
daß er in ſeinem Leben nicht vergeſſen werde,
was ſie in ſeinem Witwenſtand an ihm gethan
habe. Sie hatte auch wirklich ein betraͤchtli-
ches Stuͤck Geld in dieſem Dienſt erworben, und
ſolches ihrem ſel. Mann an die Matte gege-
ben, die der Vogt ihnen hernach wieder abproceſ-
ſiert hat.

Nachdem ſie dem Rudi dieſes Papier gegeben
hatte, ſagte ſie ferner — Es ſind noch zwey gute
Hemder da. Gieb mir keines von dieſen ins Grab;
das, ſo ich trage, iſt recht.

Und meinen Rock und meine zwey Fuͤrtuͤcher
laſſe, ſo bald ich todt ſeyn werde, den Kindern ver-
ſchneiden.

Und
G 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0128" n="103"/>
deinem Vater ein Papier, das mir der Herr Pfar-<lb/>
rer gab, bey dem ich diente. Wenn du a&#x0364;lter &#x017F;eyn<lb/>
wir&#x017F;t: &#x017F;o lies es, und denk an mich, und &#x017F;ey fromm<lb/>
und treu.</p><lb/>
          <p>Es war ein Zeugniß von dem ver&#x017F;torbenen Pfar-<lb/>
rer in Eich&#x017F;ta&#x0364;tten, daß die kranke Cathrine zehn Jahre<lb/>
bey ihm gedienet, und ihm &#x017F;o zu &#x017F;agen geholfen<lb/>
ha&#x0364;tte, &#x017F;eine Kinder erziehen, nachdem &#x017F;eine Frau<lb/>
ihm ge&#x017F;torben war; daß der Cathrine alles anver-<lb/>
traut gewe&#x017F;en &#x017F;ey, und daß &#x017F;ie alles wohl &#x017F;o &#x017F;org-<lb/>
fa&#x0364;ltig als &#x017F;eine Frau &#x017F;el. regiert habe. Der Pfar-<lb/>
rer dankt ihr darum, und &#x017F;agt: daß &#x017F;ie wie eine<lb/>
Mutter an &#x017F;einen Kindern gehandelt habe; und<lb/>
daß er in &#x017F;einem Leben nicht verge&#x017F;&#x017F;en werde,<lb/>
was &#x017F;ie in &#x017F;einem Witwen&#x017F;tand an ihm gethan<lb/>
habe. Sie hatte auch wirklich ein betra&#x0364;chtli-<lb/>
ches Stu&#x0364;ck Geld in die&#x017F;em Dien&#x017F;t erworben, und<lb/>
&#x017F;olches ihrem &#x017F;el. Mann an die Matte gege-<lb/>
ben, die der Vogt ihnen hernach wieder abproce&#x017F;-<lb/>
&#x017F;iert hat.</p><lb/>
          <p>Nachdem &#x017F;ie dem Rudi die&#x017F;es Papier gegeben<lb/>
hatte, &#x017F;agte &#x017F;ie ferner &#x2014; Es &#x017F;ind noch zwey gute<lb/>
Hemder da. Gieb mir keines von die&#x017F;en ins Grab;<lb/>
das, &#x017F;o ich trage, i&#x017F;t recht.</p><lb/>
          <p>Und meinen Rock und meine zwey Fu&#x0364;rtu&#x0364;cher<lb/>
la&#x017F;&#x017F;e, &#x017F;o bald ich todt &#x017F;eyn werde, den Kindern ver-<lb/>
&#x017F;chneiden.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">G 4</fw>
          <fw place="bottom" type="catch">Und</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[103/0128] deinem Vater ein Papier, das mir der Herr Pfar- rer gab, bey dem ich diente. Wenn du aͤlter ſeyn wirſt: ſo lies es, und denk an mich, und ſey fromm und treu. Es war ein Zeugniß von dem verſtorbenen Pfar- rer in Eichſtaͤtten, daß die kranke Cathrine zehn Jahre bey ihm gedienet, und ihm ſo zu ſagen geholfen haͤtte, ſeine Kinder erziehen, nachdem ſeine Frau ihm geſtorben war; daß der Cathrine alles anver- traut geweſen ſey, und daß ſie alles wohl ſo ſorg- faͤltig als ſeine Frau ſel. regiert habe. Der Pfar- rer dankt ihr darum, und ſagt: daß ſie wie eine Mutter an ſeinen Kindern gehandelt habe; und daß er in ſeinem Leben nicht vergeſſen werde, was ſie in ſeinem Witwenſtand an ihm gethan habe. Sie hatte auch wirklich ein betraͤchtli- ches Stuͤck Geld in dieſem Dienſt erworben, und ſolches ihrem ſel. Mann an die Matte gege- ben, die der Vogt ihnen hernach wieder abproceſ- ſiert hat. Nachdem ſie dem Rudi dieſes Papier gegeben hatte, ſagte ſie ferner — Es ſind noch zwey gute Hemder da. Gieb mir keines von dieſen ins Grab; das, ſo ich trage, iſt recht. Und meinen Rock und meine zwey Fuͤrtuͤcher laſſe, ſo bald ich todt ſeyn werde, den Kindern ver- ſchneiden. Und G 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781/128
Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781/128>, abgerufen am 02.05.2024.