Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781.

Bild:
<< vorherige Seite

§. 15.
Der klugen Gans entfällt ein Ey; oder
eine Dummheit, die ein Glas Wein
kostet.

Dieser war heute am Morgen nicht so bald aus
dem Schloß weg, so sandte Arner den Zedel, in
dem er die Taglöhner aufgeschrieben hatte, durch
den Harschier Flink dem Vogt, mit dem Befehl,
es ihnen anzuzeigen. Der Harschier brachte den
Befehl dem Vogt noch Vormittag; aber bisher
waren sonst alle Briefe, die aus dem Schloß an
ihn kamen, überschrieben: "An den ehrsamen und
bescheidenen, meinen lieben und getreuen Vogt
Hummel in Bonnal" und auf diesem stand nur:
An den Vogt Hummel in Bonnal.

Was denkt der verdammte Spritzer, der Schloß-
schreiber, daß er mir den Tittel nicht giebt, wie
er mir gehört, sagte der Vogt, so bald er den Brief
in die Hand nahm, zu Flink, der ihn überbrachte.

Der Harschier aber antwortete: Besinn dich,
Vogt! was du redest. Der Junker hat den Brief
selbst überschrieben.

Vogt. Das ist nicht wahr. Ich kenne die
Hand des gepuderten Bettelbuben, des Schreibers.

Flink

§. 15.
Der klugen Gans entfaͤllt ein Ey; oder
eine Dummheit, die ein Glas Wein
koſtet.

Dieſer war heute am Morgen nicht ſo bald aus
dem Schloß weg, ſo ſandte Arner den Zedel, in
dem er die Tagloͤhner aufgeſchrieben hatte, durch
den Harſchier Flink dem Vogt, mit dem Befehl,
es ihnen anzuzeigen. Der Harſchier brachte den
Befehl dem Vogt noch Vormittag; aber bisher
waren ſonſt alle Briefe, die aus dem Schloß an
ihn kamen, uͤberſchrieben: “An den ehrſamen und
beſcheidenen, meinen lieben und getreuen Vogt
Hummel in Bonnal„ und auf dieſem ſtand nur:
An den Vogt Hummel in Bonnal.

Was denkt der verdammte Spritzer, der Schloß-
ſchreiber, daß er mir den Tittel nicht giebt, wie
er mir gehoͤrt, ſagte der Vogt, ſo bald er den Brief
in die Hand nahm, zu Flink, der ihn uͤberbrachte.

Der Harſchier aber antwortete: Beſinn dich,
Vogt! was du redeſt. Der Junker hat den Brief
ſelbſt uͤberſchrieben.

Vogt. Das iſt nicht wahr. Ich kenne die
Hand des gepuderten Bettelbuben, des Schreibers.

Flink
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0113" n="88"/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <head>§. 15.<lb/><hi rendition="#b">Der klugen Gans entfa&#x0364;llt ein Ey; oder<lb/>
eine Dummheit, die ein Glas Wein<lb/>
ko&#x017F;tet.</hi></head><lb/>
          <p><hi rendition="#in">D</hi>ie&#x017F;er war heute am Morgen nicht &#x017F;o bald aus<lb/>
dem Schloß weg, &#x017F;o &#x017F;andte Arner den Zedel, in<lb/>
dem er die Taglo&#x0364;hner aufge&#x017F;chrieben hatte, durch<lb/>
den Har&#x017F;chier Flink dem Vogt, mit dem Befehl,<lb/>
es ihnen anzuzeigen. Der Har&#x017F;chier brachte den<lb/>
Befehl dem Vogt noch Vormittag; aber bisher<lb/>
waren &#x017F;on&#x017F;t alle Briefe, die aus dem Schloß an<lb/>
ihn kamen, u&#x0364;ber&#x017F;chrieben: &#x201C;An den ehr&#x017F;amen und<lb/>
be&#x017F;cheidenen, meinen lieben und getreuen Vogt<lb/>
Hummel in Bonnal&#x201E; und auf die&#x017F;em &#x017F;tand nur:<lb/>
An den Vogt Hummel in Bonnal.</p><lb/>
          <p>Was denkt der verdammte Spritzer, der Schloß-<lb/>
&#x017F;chreiber, daß er mir den Tittel nicht giebt, wie<lb/>
er mir geho&#x0364;rt, &#x017F;agte der Vogt, &#x017F;o bald er den Brief<lb/>
in die Hand nahm, zu Flink, der ihn u&#x0364;berbrachte.</p><lb/>
          <p>Der Har&#x017F;chier aber antwortete: Be&#x017F;inn dich,<lb/>
Vogt! was du rede&#x017F;t. Der Junker hat den Brief<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t u&#x0364;ber&#x017F;chrieben.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Vogt.</hi> Das i&#x017F;t nicht wahr. Ich kenne die<lb/>
Hand des gepuderten Bettelbuben, des Schreibers.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Flink</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[88/0113] §. 15. Der klugen Gans entfaͤllt ein Ey; oder eine Dummheit, die ein Glas Wein koſtet. Dieſer war heute am Morgen nicht ſo bald aus dem Schloß weg, ſo ſandte Arner den Zedel, in dem er die Tagloͤhner aufgeſchrieben hatte, durch den Harſchier Flink dem Vogt, mit dem Befehl, es ihnen anzuzeigen. Der Harſchier brachte den Befehl dem Vogt noch Vormittag; aber bisher waren ſonſt alle Briefe, die aus dem Schloß an ihn kamen, uͤberſchrieben: “An den ehrſamen und beſcheidenen, meinen lieben und getreuen Vogt Hummel in Bonnal„ und auf dieſem ſtand nur: An den Vogt Hummel in Bonnal. Was denkt der verdammte Spritzer, der Schloß- ſchreiber, daß er mir den Tittel nicht giebt, wie er mir gehoͤrt, ſagte der Vogt, ſo bald er den Brief in die Hand nahm, zu Flink, der ihn uͤberbrachte. Der Harſchier aber antwortete: Beſinn dich, Vogt! was du redeſt. Der Junker hat den Brief ſelbſt uͤberſchrieben. Vogt. Das iſt nicht wahr. Ich kenne die Hand des gepuderten Bettelbuben, des Schreibers. Flink

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781/113
Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781/113>, abgerufen am 24.11.2024.