Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874.Das menschliehe Gehirn. sollten wir schon im Klaren sein, ob Menschen- und Affengehirnüberhaupt so genau übereinstimmen, dass ihr Rauminhalt verglichen werden darf. Leider sind die Untersuchungen über das embryo- nale Affengehirn noch sehr spärliche 1). Als seine Ueberzeugung hat jedoch Th. v. Bischoff ausgesprochen, dass zwar das mensch- liche Gehirn keine Hauptfurche und keine Hauptwindung be- sitze, die nicht beim Orang vertreten wäre, dennoch aber das menschliche Gehirn keineswegs blos einen Fortschritt, das Gehirn des Orangs eine Verzögerung des Wachsthums darstelle, sondern dass beide einen andern Entwicklungsgang einschlagen, nach an- deren Richtungen sich entfalten und zu keiner Zeit mit einander übereinstimmen 2). Vorläufig ist dies zwar nur die Ueberzeugung eines von seinen Fachgenossen hochgestellten Gelehrten, es ent- spricht aber zugleich unsern Erwartungen. Wiederholte Erfahrungen liegen vor, dass Krankheiten, die bei den Eltern zur Zeit der Er- zeugung noch schlummerten und viel später erst hervorbrachen, dennoch auf ihre Kinder übertragen wurden, um auch bei ihnen erst im reifen Alter aufzutreten. Wenn also die Ursachen künftiger Störungen schon erblich sind, so muss dies noch um vieles mehr von den Arten-, Gattungs- und Ordnungsunterschieden gelten. Somit können wir uns der Vorstellung nicht entziehen, dass schon bei der ersten Lebenserregung die morphologischen Ziele dem Keim des Menschen wie dem des Affen vorgezeichnet sind. Ihre Entwicklung lässt sich vergleichen mit zwei Schienenspuren, die vom Abgangsorte auf einem gemeinsamen Bahnkörper lange neben einander laufen, um sich schliesslich in gefälligen Krümmungen nach rechts und links zu verlieren. Bischoff gesteht übrigens zu, dass es der genauesten Untersuchungen bedürfe, um bei der grossen morphologischen Nähe noch Unterschiede zwischen den Gehirnen Anthropologie, Bd. 2. S. 186) die mittleren Werthe des Schädelinnenraums bei den höheren Affen. [Tabelle] 1) Ad. Pansch konnte das fötale Hirn eines Cebus apella und die zweier neugebornen Affen beschreiben. Über die typische Anordnung der Furchen und Windungen im Archiv für Anthropologie. Bd. 3. S. 239. 2) Die Grosshirnwindungen des Menschen. München 1868. S. 96.
Das menschliehe Gehirn. sollten wir schon im Klaren sein, ob Menschen- und Affengehirnüberhaupt so genau übereinstimmen, dass ihr Rauminhalt verglichen werden darf. Leider sind die Untersuchungen über das embryo- nale Affengehirn noch sehr spärliche 1). Als seine Ueberzeugung hat jedoch Th. v. Bischoff ausgesprochen, dass zwar das mensch- liche Gehirn keine Hauptfurche und keine Hauptwindung be- sitze, die nicht beim Orang vertreten wäre, dennoch aber das menschliche Gehirn keineswegs blos einen Fortschritt, das Gehirn des Orangs eine Verzögerung des Wachsthums darstelle, sondern dass beide einen andern Entwicklungsgang einschlagen, nach an- deren Richtungen sich entfalten und zu keiner Zeit mit einander übereinstimmen 2). Vorläufig ist dies zwar nur die Ueberzeugung eines von seinen Fachgenossen hochgestellten Gelehrten, es ent- spricht aber zugleich unsern Erwartungen. Wiederholte Erfahrungen liegen vor, dass Krankheiten, die bei den Eltern zur Zeit der Er- zeugung noch schlummerten und viel später erst hervorbrachen, dennoch auf ihre Kinder übertragen wurden, um auch bei ihnen erst im reifen Alter aufzutreten. Wenn also die Ursachen künftiger Störungen schon erblich sind, so muss dies noch um vieles mehr von den Arten-, Gattungs- und Ordnungsunterschieden gelten. Somit können wir uns der Vorstellung nicht entziehen, dass schon bei der ersten Lebenserregung die morphologischen Ziele dem Keim des Menschen wie dem des Affen vorgezeichnet sind. Ihre Entwicklung lässt sich vergleichen mit zwei Schienenspuren, die vom Abgangsorte auf einem gemeinsamen Bahnkörper lange neben einander laufen, um sich schliesslich in gefälligen Krümmungen nach rechts und links zu verlieren. Bischoff gesteht übrigens zu, dass es der genauesten Untersuchungen bedürfe, um bei der grossen morphologischen Nähe noch Unterschiede zwischen den Gehirnen Anthropologie, Bd. 2. S. 186) die mittleren Werthe des Schädelinnenraums bei den höheren Affen. [Tabelle] 1) Ad. Pansch konnte das fötale Hirn eines Cebus apella und die zweier neugebornen Affen beschreiben. Über die typische Anordnung der Furchen und Windungen im Archiv für Anthropologie. Bd. 3. S. 239. 2) Die Grosshirnwindungen des Menschen. München 1868. S. 96.
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Das menschliehe Gehirn.
sollten wir schon im Klaren sein, ob Menschen- und Affengehirn
überhaupt so genau übereinstimmen, dass ihr Rauminhalt verglichen
werden darf. Leider sind die Untersuchungen über das embryo-
nale Affengehirn noch sehr spärliche 1). Als seine Ueberzeugung
hat jedoch Th. v. Bischoff ausgesprochen, dass zwar das mensch-
liche Gehirn keine Hauptfurche und keine Hauptwindung be-
sitze, die nicht beim Orang vertreten wäre, dennoch aber das
menschliche Gehirn keineswegs blos einen Fortschritt, das Gehirn
des Orangs eine Verzögerung des Wachsthums darstelle, sondern
dass beide einen andern Entwicklungsgang einschlagen, nach an-
deren Richtungen sich entfalten und zu keiner Zeit mit einander
übereinstimmen 2). Vorläufig ist dies zwar nur die Ueberzeugung
eines von seinen Fachgenossen hochgestellten Gelehrten, es ent-
spricht aber zugleich unsern Erwartungen. Wiederholte Erfahrungen
liegen vor, dass Krankheiten, die bei den Eltern zur Zeit der Er-
zeugung noch schlummerten und viel später erst hervorbrachen,
dennoch auf ihre Kinder übertragen wurden, um auch bei ihnen
erst im reifen Alter aufzutreten. Wenn also die Ursachen künftiger
Störungen schon erblich sind, so muss dies noch um vieles mehr
von den Arten-, Gattungs- und Ordnungsunterschieden gelten.
Somit können wir uns der Vorstellung nicht entziehen, dass schon
bei der ersten Lebenserregung die morphologischen Ziele dem
Keim des Menschen wie dem des Affen vorgezeichnet sind. Ihre
Entwicklung lässt sich vergleichen mit zwei Schienenspuren, die
vom Abgangsorte auf einem gemeinsamen Bahnkörper lange neben
einander laufen, um sich schliesslich in gefälligen Krümmungen
nach rechts und links zu verlieren. Bischoff gesteht übrigens zu,
dass es der genauesten Untersuchungen bedürfe, um bei der grossen
morphologischen Nähe noch Unterschiede zwischen den Gehirnen
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1) Ad. Pansch konnte das fötale Hirn eines Cebus apella und die
zweier neugebornen Affen beschreiben. Über die typische Anordnung der
Furchen und Windungen im Archiv für Anthropologie. Bd. 3. S. 239.
2) Die Grosshirnwindungen des Menschen. München 1868. S. 96.
3) Anthropologie, Bd. 2. S. 186) die mittleren Werthe des Schädelinnenraums bei
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